20.05.2009 23:45 Uhr

Geschichte schreiben in Istanbul

Eine lange Saison neigt sich dem Ende zu. Nach unzähligen Spielen mit noch mehr Geschichten konzentriert sich die Spannung auf einige wenige Partien. In diesen aber sollen nicht Geschichten erzählt, sondern Geschichte geschrieben werden. Eine Partie der Ehrenkategorie des internationalen Fußballs steht am Mittwoch Abend in Istanbul an: Werder Bremen trifft im Kampf um den UEFA-Cup auf den ukrainischen Vertreter Shakhtar Donetsk. Für beide Teams ist es die große Chance, eine nicht ganz nach Wunsch gelaufene Saison zu einem glorreichen Ende zu führen. Denn Beide verpassten ihre Ziele in der nationalen Meisterschaft: Für Donetsk zählt im Dauerzweikampf mit Dinamo Kiev nur die Meisterschaft. Diese sicherte sich jedoch längst der Erzrivale (>> Alle Fakten zur Visha Liga). Bremen dagegen wollte zwar Meister werden, kann jedoch auch mit der Champions League gut leben - doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit lagen Welten. Nun also können beide Mannschaften mit einem einzigen Sieg alles wieder gut machen. Und: Der Sieger darf den Pokal wohl endgültig in der Vitrine behalten. Denn der UEFA-Cup wird zur nächsten Saison durch die neue Europaliga abgelöst.


Starke Defensive plus fünf Brasilianer


Das Erfolgsrezept des Vereins aus dem Osten der Ukraine scheint so einfach wie sinnvoll zu sein: Erfolgstrainer Mircea Lucescu legt viel Wert auf eine disziplinierte Defensivarbeit nach dem Motto "Die Null muss stehen". Davor kann der Rumäne eine Offensive aufbieten, in der gleich fünf Ballzauberer vom Zuckerhut ihr Unwesen treiben. Dass diese sich in der Bergbauregion um Donetsk, die auch heute noch aussieht wie der Ruhrpott in den 1960er Jahren, halbwegs wohl fühlen, kommt natürlich nicht von ungefähr. Denn hinter Shakhtar steckt jede Menge Geld. Seit der ukrainische Geschäftsmann Akhat Bragin nach Ende des Kalten Krieges die Präsidentschaft bei Donetsk übernahm und gleichzeitig als Mäzen fungierte, ging es sportlich stetig bergauf. Nachdem Bragin 1995 während eines Ligaspiels von Terroristen getötet wurde, übernahm sein Adjudant Rinat Akhmetov. Er baute Bragins Firmennetz zu einem Milliardenimperium aus, ist heute selbst der reichste Mann der Ukraine und investiert weiter kräftig in Shakhtar.

Die finanziellen Voraussetzungen, um Spieler wie Kroatiens Nationalspieler Darijo Srna oder die von halb Europa umworbenen Jadson und Fernandinho in der strukturschwachen Region zu halten, sind also gegeben. Der Verein agiert längst auf Westniveau und spielte zu Beginn der Saison auch in der Königsklasse eine gute Rolle. Erinnert sei hier nur an den 3:2 Erfolg beim spanischen Meister Barcelona. Der ganz große Wurf fehlt dem Team allerdings noch. Noch nie stand eine Mannschaft aus dem osteuropäischen Land in einem UEFA-Cup Finale. Nach Siegen gegen Tottenham Hotspur, ZSKA Moskau und Olympique Marseille - alles nicht gerade europäische Laufkundschaft - haben die Ostukrainer nun die große Chance, den ersten Titel perfekt zu machen. Verzichten muss Trainer Lucescu dabei auf seinen gesperrten Defensivchef Tomas Hübschmann. Damit fehlt den Ukrainern eine wichtige Schaltstelle im taktischen Konzept; vielleicht ist dies die einzige Schwachstelle bei Shakhtar. Denn ansonsten sind alle Leistungsträger an Bord.


Zweimal ist Bremer Recht


Eine Erfahrung hat Werder Bremen dem Finalgegener aus Donetsk voraus: Die Werderaner wissen nicht nur, wie sich ein Finale anfühlt. Sie haben 1992 im Europacup der Pokalsieger auch schon erlebt, wie es ist, ein solches Finale zu gewinnen. Als Abwehrspieler mit dabei war damals Werders heutiger Coach Thomas Schaaf. Nach einer Saison, die einer Achterbahnfahrt erstaunlich nahe kam, rettete Werder sich und seinen zeitweise nicht mehr ganz unumstrittenen Trainer ins UEFA-Cup Finale. Und weil wenig später mit dem DFB-Pokal auch noch ein zweiter Titel darauf wartet, von den Bremern gewonnen zu werden, kann man die ganze bisher dagewesene Spielzeit bei Werder getrost vergessen. Denn die Saison geht jetzt erst los an der Weser! Tausende Werderaner machten sich bereits auf den Weg nach Istanbul, Zehntausende werden auf Bremens öffentlichen Plätzen zu Public Viewing Veranstaltungen erwartet. Die Euphorie ist so groß wie seit dem Doublegewinn 2004 nicht mehr.

Doch Werder hat ein Problem. Wenn man es genau nimmt sind es sogar vier bis fünf Probleme. Ihre Namen: Diego, Mertesacker, Almeida, Baumann und Naldo. Der brasilianische Spielmacher der Bremer verabschiedete sich bereits am Samstag nach dem peinlichen 1:3 gegen den KSC von den Fans. Aus gutem Grund: Er geht nicht nur davon aus, in zwei Wochen nicht mehr für Werder tätig zu sein, sondern wird auch in Istanbul nicht spielen. Nach der fünften gelben Karte im Halbfinal-Rückspiel in Hamburg fehlt dem Bremer Spiel damit die entscheidende Schaltzentrale zwischen Abwehr und Angriff. Doch das ist bei weitem nicht die einzige Baustelle für Trainer Schaaf: Mit Abwehrchef Mertesacker fällt neben dem wichtigsten Offensivmann auch der wichtigste Defensivmann aus. Ob sein Pendant Naldo spielen kann, ist noch nicht klar.

Wenigstens an dieser Stelle sieht es ob des Genesungsfortschrittes beim Brasilianer aber ganz gut aus für die Norddeutschen. Denn auch im Sturm plagen Thomas Schaaf Sorgen, nachdem Hugo Almeida sich kurz vor Ende des Halbfinales eine höchst unnötige Gelbsperre einfing. Zwar kehrt Claudio Pizarro zurück, doch mit dem formschwachen Markus Rosenberg steht nur noch ein weiterer Vollblutstürmer zur Verfügung. Sollte nun auch noch Kapitän Frank Baumann, der unter der Woche kaum trainieren konnte, die Segel streichen müssen, droht Werder endgültig ein Finale mit einer B-Mannschaft. Doch man sieht auch das Positive in Bremen: Viele internationale Experten halten Donetsk wegen Werders Ausfällen für stärker. Vielleicht wird Bremen ja auch von Shakhtar selbst unterschätzt und schafft es so, den ersten internationalen Vereinstitel seit dem baiuwarischen Champions League Triumph 2001 nach Deutschland zu holen! - Joshka -

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