30.04.2009 21:30 Uhr

Das Nordderby des Ostens

Es ist Halbfinalzeit in Europa. Nachdem die vier Topteams Europas in den vergangenen Tagen um den Einzug ins Champions League Finale kämpften, steht nun die Vorschlussrunde im UEFA-Cup an. Hierzulande spricht natürlich alles vom großen Nordschlager Bremen gegen Hamburg. Doch was das Nordderby in Deutschland ist, ist das Duell der ukrainischen Fußballgroßmächte Dinamo Kiev und Shaktar Donetsk in deren Heimatland. Den Reiz dieses Duells beziehen die beiden Clubs allerdings nicht wie Bremen und Hamburg aus der geographischen Nähe. Im Gegenteil: Zwischen der Hauptstadt der Ukraine und der Metropole im Donetsk-Becken liegen über 700 Kilometer - und politische und gesellschaftliche Welten. Während man sich im weltoffenen Kiev gerne zu Europa bekennt, ist die arme Bergarbeiterregion um Donetsk eng mit Russland verbunden. Dass daraus eine herzliche Abneigung zwischen den beiden Großclubs des Landes entsteht, ist nur logisch.


Die Ukraine erobert Europa


Angesichts der Häufigkeit, mit der Dinamo und Shaktar sich gegenseitig nationale Titel wegnehmen, überrascht es doch ein wenig, dass das anstehende Spiel gleich in mehrfacher Hinsicht ein Novum ist: Als Dinamo im Achtelfinale die Landsmänner von Metalist Kharkov aus dem Rennen warf, war dies das erste rein ukrainische Duell in der Geschichte europäischer Wettbewerbe. Das Duell der beiden Dauerrivalen gab es dagegen nur auf nationaler Ebene. Außerdem erreichte noch nie ein Team aus dem osteuropäischen Land das Halbfinale des UEFA-Cups - geschweige denn zwei. Auch der letzte Achtungserfolg des ukrainischen Fußballs liegt einige Jahre zurück. In der Saison 98/99 scheiterte Dinamo Kiev erst im Halbfinale der Champions League an Bayern München. Nun aber wird eines der beiden Teams mindestens das Finale erreichen.

Was in Europa gerade erstmals zu sehen ist, ist in der Ukraine sportlicher Alltag. Zu Hause in der Visha Liga dominieren Kiev und Donetsk beinahe nach Belieben. Dinamo holte von 1993 bis 2001 sämtliche Meisterschaften, bevor Shaktar mit Petrodollars ins Titelrennen eingreifen konnte. Seitdem holten die Ost-Ukrainer vier Titel, Kiev derer drei. In diesem Jahr scheint wieder der Hauptstadtclub die Nase vorne zu haben, bei 12 Punkten Vorsprung ist Dinamo kaum noch einzuholen. Auch im ukrainischen Pokal bietet sich ein ähnliches Bild: Kiev gewann den Cup bei 17 Ausspielungen neun Mal, Donetsk siegte in sechs Finals. Nur zwei Mal konnte die Vorherrschaft der beiden Rivalen zu Beginn der 90er Jahre gebrochen werden. Diese Saison aber wird es zumindest kein Finale zwischen Dinamo und Shaktar geben. Denn sie treffen bereits im Halbfinale aufeinander, in dem Donetsk versuchen wird, sich für die vergebene Meisterschaft zu revanchieren. Ein klein wenig ist dies der Mannschaft von Mircea Lucescu bereits zu Beginn der Saison gelungen: Der erste Titel des Jahres, der "Superkubok", ging ins Donetsk-Becken.


Verschlungene Pfade nach Istanbul


Der Weg ins Finale nach Istanbul verlief bisher weder für Dinamo noch für Shaktar problemlos. Beide Teams traten zuerst in der Königsklasse an, konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Achtungserfolge waren dennoch dabei: Kiev etwa siegte in Porto und trotzte dem Arsenal FC ein Unentschieden ab. Donetsk kam im letzten Spiel der Gruppenphase zu einem 3:2 in Barcelona. Trotz der sportlichen Bedeutungslosigkeit dieses Spiels ließ das Ergebnis Europas Fußballelite aufhorchen. Im Achtelfinale des UEFA-Cups wäre der europäische Traum dann für beide Mannschaften fast vorbei gewesen. Kiev schoss sich in Kharkov erst kurz vor Schluss eine Runde weiter, wohingegen Donetsk eine 0:1 Hinspielniederlage gegen CSKA Moskau gerade noch umdrehen konnte.

Wirklich überzeugend waren dann aber die Auftritte im Viertelfinale: Donetsk siegte zwei Mal gegen den französischen Titelkandidaten Olympique Marseille, während Dinamo Kiev Paris St. Germain keine Chance ließ. Die Frage, ob es am Donnerstag einen Favoriten gibt, ist schwer zu beantworten. Kiev hatte in der Vergangenheit leicht die Nase vorne, Donetsk fuhr meist mit leeren Händen wieder nach Hause. In dieser Saison aber führt zwar Dinamo die Tabelle an, doch die bisherigen zwei Duelle entschieden die Männer aus dem Donetsk-Becken für sich. Im Hexenkessel Valeriya Lobanovskovo-Stadion wäre den Gästen diesmal wohl ein Unentschieden durchaus Recht. Kiev aber muss Druck machen und gewinnen, um dann im Rückspiel dem Ansturm der Orangen standhalten zu können. - Joshka -

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