23.05.2013 16:41 Uhr

Rummenigge: Elfmeterschießen wird entscheiden

Michael Rummenigge (l.) verlor 1987 mit den Bayern das Champions-League-Finale gegen den FC Porto
Michael Rummenigge (l.) verlor 1987 mit den Bayern das Champions-League-Finale gegen den FC Porto

Michael Rummenigge stand sowohl mit Bayern München als auch mit Borussia Dortmund in einem Europapokalfinale. Kurz vor dem Champions-League-Endspiel zwischen den beiden Rivalen stand der Bruder von Karl-Heinz im weltfussball-Interview Rede und Antwort.


weltfussball: Herr Rummenigge, Sie spielten selbst sechs Jahre für Bayern München und wechselten anschließend für fünf Spielzeiten zu Borussia Dortmund. Entspannter kann dieses Champions-League-Endspiel wohl nicht genossen werden, oder?

Rummenigge: Ich bin in der glücklichen Lage, für beide Vereine gespielt zu haben. Das haben nicht so viele Leute. Und dass beide Klubs irgendwann einmal in einem Champions-League-Finale aufeinandertreffen, damit konnte man nicht rechnen - vor allem bei dem erbitterten Konkurrenzkampf der letzten Jahre. Deswegen kann ich dieses Spiel sehr entspannt ansehen. Auf der einen Seite natürlich familienbedingt mit einem bayrischen Auge, auf der anderen Seite habe ich auch lange für Dortmund gespielt und lebe hier. Meine Tendenz geht von daher leicht Richtung BVB.

weltfussball: Unter den Fans kann man die Anspannung vor diesem Finale förmlich greifen und auch auf Vereinsebene konnte zuletzt eine gewisse Gereiztheit ausgemacht werden. Dazu hat sicherlich auch der Wechsel von Mario Götze vom BVB zum FCB zur kommenden Saison beigetragen. Wie reagierten die Fanlager damals bei ihrem Wechsel von München nach Dortmund?

Rummenigge: Die Münchner haben gar nicht groß reagiert, auch weil damals gleich acht Spieler gegangen sind. Zu dieser Zeit gab es einen großen Umbruch, bei dem Spieler wie Lothar Matthäus, Andreas Brehme oder Jean-Marie Pfaff den Verein verlassen haben. Die Dortmunder Fans waren dagegen nicht so amüsiert darüber, einen Spieler von Bayern München bekommen zu haben. Da gab es noch einen kleinen Fanaufstand, sodass es mit der Unterschrift ein wenig länger gedauert hat. Aber ich habe gesagt, dass ich es durchziehe. Die fünf Jahre, die ich in Dortmund gespielt habe, waren dann auch von vielen Höhen und ein paar kleinen Tiefen geprägt. Insgesamt waren das fünf super Jahre und ich bin stolz für Borussia Dortmund und auch unter Ottmar Hitzfeld gespielt zu haben.

Dortmund ist selber schuld

weltfussball: Um den Bogen wieder zu Götze zu spannen - was bedeutet dieser Wechsel vom BVB zum FCB für Borussia Dortmund?

Rummenigge: Kurzfristig ist das natürlich schwierig, aber langfristig ist auch ein Götze zu ersetzen. Wenn wir uns die letzte Saison noch einmal in Erinnerung rufen, dann hat Götze im DFB-Pokal-Finale auch nicht gespielt. Und davor fehlte er in der Bundesligasaison ebenfalls ein halbes Jahr. Allerdings hatte Dortmund damals auch noch einen Shinji Kagawa. Jetzt muss man natürlich schauen, wie die Transfereinnahmen sinnvoll investiert werden können. Es ist natürlich immer ein gewisses Risiko, einen teuren Spieler zu verpflichten, der dann auch in die Mannschaft passt. Götze war ein Dortmunder Eigengewächs und die Verantwortlichen beim BVB haben sicher damit gerechnet, dass er länger für sie spielen wird. Aber wer solche Klauseln in einen Vertrag schreibt, darf sich hinterher auch nicht wundern, wenn diese genutzt werden.  Das ist nun einmal das Geschäft.

weltfussball: Glauben Sie denn vor diesem Hintergrund, dass Robert Lewandowski seinem Teamkollegen Richtung Isar folgen wird?

Rummenigge: Die Bayern haben in Mario Mandžukić, Mario Gómez und Claudio Pizarro drei erstklassige Stürmer im Kader. Mandžukić hat nach seinem Wechsel zum FCB richtig eingeschlagen. Von daher besteht aus Münchner Sicht kein unbedingter Handlungsbedarf. Jedoch hat sich Lewandowski zu einem der besten Stürmer in Europa entwickelt. Am Ende muss man sehen, wie viel einem ein sofortiger Wechsel wert ist. Wenn ich BVB-Verantwortlicher wäre, würde ich Lewandowski nicht ziehen lassen, sondern versuchen, den Vertrag mit mehr Gehalt zu verlängern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Verein bei einem Jahr Restlaufzeit noch mehr als 15 oder 20 Millionen Euro bezahlen wird.

weltfussball: Die Münchner haben sich in Götze und möglicherweise in Lewandowski zwei Borussen geangelt. Wenn Sie sich als BVB-Verantwortlicher einen Bayern-Spieler aussuchen könnten – wer wäre das?

Rummenigge: Der beste und außergewöhnlichste Münchner Spieler ist Franck Ribéry. Bastian Schweinsteiger spielt auch eine tolle Saison, aber wenn man aus Dortmunder Sicht mal träumen darf, dann würde ich Ribéry holen. Um einmal Weltfußballer zu werden, müsste er natürlich mal internationale Titel gewinnen.
weltfussball: Als Spieler standen sie sowohl mit den Roten als auch mit den Schwarz-Gelben in einem Europapokalfinale – beide Endspiele wurden verloren. (Anm. d. Red.: 1987 CL: FCB 1:2 Porto, 1993 UC 1:3, 0:3 Juventus) Wie sehr prägen solche Negativerlebnisse einen Spieler?

>> zum Spiel Porto – Bayern
>> zum Hinspiel BVB – Juve / >> zum Rückspiel Juve – BVB

Rummenigge: (Lacht) Erinnern Sie mich nicht daran. Es ist erstaunlich, wie die Bayern nach der Niederlage gegen Chelsea zurückgekommen sind. Ein Bastian Schweinsteiger hat beispielsweise ein überragendes Jahr gehabt. Sie haben einen Rekord nach dem anderen gebrochen, haben 25 Punkte Vorsprung in der Liga, das Rotationsprinzip von Heynckes hat voll eingeschlagen. Davor muss man schon den Hut ziehen, dass sie nun nach diesem Negativerlebnis in dieser Art und Weise auftreten. Allerdings fehlt noch die Krönung. Das habe ich selbst in meiner Zeit in München gelernt: da wird einem in jedem Training eingetrichtert, das nächste Spiel zu gewinnen zu wollen.

Druck? Nein, eher Vorfreude

weltfussball: Im Vorfeld dieses Traumfinals in Wembley betonte nicht zuletzt Sebastian Kehl, dass die Bayern aufgrund der zuletzt verlorenen Endspiele viel mehr Druck als die Dortmunder haben. Auf ihrem Internetportal fussball-raritaeten.de schreibt Autor Wolfgang Golz, dass dieses Gerede von Druck bei so einem Spiel eine Erfindung der Medien ist. Was stimmt denn nun und ist Druck in solch einer Situation eher positiv oder negativ zu sehen?

Rummenigge: Es gibt doch nichts Schöneres, als in einem Champions-League-Finale zu stehen und diesen Adrenalinspiegel zu spüren. Natürlich kann man sagen, dass Borussia Dortmund in dieses Finale gekommen ist und kein Mensch damit gerechnet hat. Bei Bayern München ist das anders. Die haben eine Riesentruppe, haben enorme Investitionen getätigt und stehen innerhalb von vier Jahren zum dritten Mal im Finale. Das wollen sie natürlich nicht zum dritten Mal verlieren, insbesondere die Spieler, die bei allen Endspielen mit an Bord waren - wie Philipp Lahm oder Schweinsteiger. Klar ist da auch ein bisschen Druck dabei, aber vor allem ist es Vorfreude.

weltfussball: Herr Golz schreibt ebenfalls, dass sich heutzutage die guten von den sehr guten Fußballern darin unterscheiden, dass die sehr guten Kicker eine besondere Nervenkraft besitzen. Vor den Halbfinalspielen gegen Barcelona und Real Madrid gab es einige Störfeuer auf beiden Seiten. Dennoch hielten die Nerven und den Fans wurden magische Nächte beschert. Wie wichtig wird diese mentale Kraft am kommenden Samstag sein?

Rummenigge: Das stimmt. Dazu gehört es dann auch, in so einem Spiel einen Elfmeter rein zu schießen. Das Spiel am Samstag werden Nuancen entscheiden. Aus meiner Sicht wird dieses Match auch nicht von der ersten Elf entschieden, sondern auch von dem, was noch von der Bank kommt. Dazu kommen noch Situationen im Spiel dazu wie Schiedsrichterentscheidungen oder ein Elfmeterschießen. Und genau da ist Nervenstärke erforderlich. Und wir werden sehen, welches Team nervenstark ist, wenn das andere erst einmal in Führung gegangen ist. Nervenstärke zeichnet große Spieler aus, die im richtigen Moment das Richtige tun.

Das Finale wird im Elfmeterschießen entschieden

weltfussball: Bei beiden Vereinen stehen die Trainer im Fokus. Jupp Heynckes hat die Bayern zu einer nationalen und internationalen Macht geformt, bei Dortmund kann man sich keinen besseren Trainer als Jürgen Klopp vorstellen. Was unterscheidet diese beiden Typen von anderen Trainern?

Rummenigge: Es ist ja so, dass ein Jürgen Klopp zu Borussia Dortmund wie die Faust aufs Auge passt. Dazu hat er Spieler entwickelt wie die Gündogan, Götze, Großkreutz, damals Kagawa oder einen Mats Hummels, den man in München nicht mehr haben wollte. Er hat hier einfach eine riesige Verbindung mit dem Verein, den Fans, der Mannschaft – eine perfekte Symbiose.
Jupp Heynckes gehört zu der älteren Generation der Fußballlehrer, der sich allerdings perfekt auf die junge Generation umgestellt hat. Dazu ist Jupp nicht nur ein großartiger Trainer, sondern war auch ein überragender Spieler.  Ein Trainer muss einfach zu einem Verein passen und beide passen sensationell gut zu ihren Klubs.

weltfussball: Zu guter Letzt kommen wir nicht umhin zu fragen, wie Sie sich das Finale ansehen werden und welcher Coach am Ende den Henkelpott hochhalten wird?

Rummenigge: Ich bin ja kein Hellseher, aber ich glaube, dass es ein sehr enges Spiel auf Biegen und Brechen wird. Ich glaube auch, dass die Partie erst im Elfmeterschießen entschieden wird. Beide Mannschaften kennen sich aus dem Effeff, beide werden das Spiel abwartend beginnen und ihre Zonen verteidigen. Ich hoffe nur, dass es keine allzu aggressive Begegnung mit vielen Fouls wird, da wir ja ein gutes Fußballspiel sehen wollen. Mein Tipp nach 90 Minuten: 1:1, die Entscheidung folgt erst im Elfmeterschießen. Das Spiel verfolge ich natürlich live im Wembley Stadion.


Das Gespräch führte Nico Schrimpf

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