09.12.2020 12:22 Uhr

Bayerns Defensive wackelt: Die Krux mit den Kleinigkeiten

Hansi Flick (3.v.l.) hat beim FC Bayern ein Defensiv-Puzzle zu lösen
Hansi Flick (3.v.l.) hat beim FC Bayern ein Defensiv-Puzzle zu lösen

Niklas Süle, Jérôme Boateng, David Alaba, Bundesliga-Rekordtransfer Lucas Hernández, Weltmeister Benjamin Pavard, Senkrechtstarter Alphonso Davies, die Top-Talente Tanguy Nianzou, Chris Richards und Bright Arrey-Mbi sowie Bouna Sarr und Javi Martínez für die Breite des Kaders: Ein Blick auf die Defensive des FC Bayern dürfte die Konkurrenz mit Neid erfüllen. Dumm nur, dass in München derzeit dennoch ausgerechnet in der Abwehr der Schuh drückt.

16 Gegentore nach zehn Bundesliga-Spielen, garniert mit sechs gegnerischen Treffern in sechs Partien auf internationalem Parkett und zwei Gegentoren beim Gewinn des deutschen Super Cups stehen für den FC Bayern im Dezember 2020 zu Buche. Macht: 24 Gegentreffer in 18 Pflichtspielen 2020/21. Was die meisten Herausforderer des amtierenden Triple-Siegers wohl milde stimmen würde, ist für die Bayern auffallend schlecht. Ein Umstand, den auch Coach Hansi Flick längst erkannt hat.

"Wir müssen in der Defensive das ein oder andere besser machen, zum Beispiel die Tiefe etwas besser absichern", sagte Flick am Dienstag mit Blick auf die anstehenden Champions-League-Partie gegen Lokomotive Moskau (Mittwoch, 21:00 Uhr). 

Keeper Manuel Neuer stimmte seinem Trainer zu. "Wir haben zu viele Gegentore kassiert, aber wir arbeiten dran", so der 34-Jährige. Ohnehin seien lediglich "Feinheiten", "Kleinigkeiten" schuld an der an Bayernmaßstäben gemessenen Gegentorflut. Dennoch seien Defensive-Fehler "in der jüngsten Vergangenheit zu häufig der Fall gewesen".

Die Fehlersuche offenbart schnell zwei Wahrheiten: Mit der Corona-Pandemie dürfte sich der Bärenanteil der Abstimmungsschwierigkeiten erklären lassen. Das Motto "Gefahr erkannt - Gefahr gebannt", wird nicht stechen. 

Hoher Rhythmus setzt auch dem FC Bayern zu

Das Problem liegt auf der Hand: Während Flick in der Triple-Saison weitestgehend auf große Experimente verzichtete und auf diese Weise schnell ein eingespieltes Team zur Verfügung hatte, sind 2020/21 andere Tugenden gefragt.

Infolge des coronabedingt späten Saisonstarts ist der Terminkalender gerade für die Topklubs historisch dicht gefüllt, ohne sehr sorgsame Belastungssteuerung dürften die Stars den Zwei-Pflichtspiele-pro-Woche-Rhythmus kaum überstehen. Bereits jetzt lichten Verletzungen vielerorts die Reihen. Den Bayern stehen gegen Moskau zum Beispiel Joshua Kimmich, Corentin Tolisso und Javi Martínez nicht zur Verfügung, hinter Boateng und Hernández steht zumindest für 90 Minuten ein Fragezeichen. 

"Wir müssen immer im Blick haben, dass der ein oder andere Spieler einfach hoch belastet ist", gab auch Flick zu bedenken. Ob man im sportlich eher unbedeutenden Spiel gegen Moskau daher "so richtig durchwechseln" werde, sei aber noch nicht klar. 

In der Abwehr bleiben Flick allerdings ohnehin wenig Alternativen. Dass Boateng und Hernández nach ihren zurückliegenden Muskelproblemen in einem Spiel um die Goldene Ananas auflaufen, ist unwahrscheinlich. Davies soll zwar spielen, ob es für die volle Distanz reicht, ließ Flick aber offen. Nianzou wurde hingegen erst gar nicht für die Königsklasse gemeldet und kann frühestens im neuen Jahr eingesetzt werden. Mit Alaba und Pavard benötigen zwei Vielspieler zudem dringend eine Pause.

Setzt der FC Bayern gegen Moskau auf Talente?

Nicht auszuschließen ist daher, dass bei der Lösung des bayerischen Defensiv-Puzzles gegen Lokomotive einige Talente in den Fokus rücken.

An der Seite von Niklas Süle, der - nach seinem Kreuzbandriss im Oktober 2019 und einer Infektion mit dem Coronavirus - gegen Moskau Spielpraxis sammeln dürfte, könnte Chris Richards seine Chance erhalten. Das 20-jährige US-Talent durfte in dieser Saison bereits fünfmal bei den Profis ran und machte seine Sache gut. Zuletzt stand er in der Königsklasse gegen Salzburg sogar als Linksverteidiger in der Startelf.

Zudem dürfte Backup Bouna Sarr rechts hinten auflaufen und auch der deutsche U17-Nationalspieler Bright Arrey-Mbi darf sich Hoffnungen machen. Zumal der 17-Jährige defensiv variabel einsetzbar ist.

Sollte der FC Bayern die Chance wirklich nutzen und einigen Stars die dringend benötigte Verschnaufpause gönnen, ist aber auch das ein zweischneidiges Schwert. Gerade in der Verteidigung bemängelte Flick nach dem 3:3 gegen RB Leipzig unlängst fehlende Automatismen, diese stellen sich bei einer durcheinandergewürfelten Abwehrreihe kaum ein, das Ausmerzen der von Neuer angesprochenen "Kleinigkeiten" ist nicht in Sicht.

Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass es wohl keine perfekte Lösung für die aktuell besonderen Umstände gibt.

Marc Affeldt

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