14.06.2016 12:19 Uhr

Die "Großväter" dominieren die Trainerbänke

Roy Hodgson ist mit 68 Jahren der älteste Trainer des Turniers
Roy Hodgson ist mit 68 Jahren der älteste Trainer des Turniers

Der italienische Fußball war noch nie dafür bekannt, gleich jeder Modeerscheinung in seinem Sport zu folgen. Doch in diesem Fall liegen die Azzurri voll im Trend - wenn auch nur neben dem Platz. Denn Erfahrung ist alles.

Ihr künftiger Nationalcoach ist fast 70 Jahre alt. Giampiero Ventura wird seinen Job zwar erst nach diesem Turnier antreten. Doch mit seinen 68 Jahren gehört er genau zu jener Generation alter und erfahrener Trainer, die gerade die Europameisterschaft in Frankreich prägt.

Englands Roy Hodgson (68)? Wurde schon 1976 mit dem Club Halmstads BK schwedischer Meister. Portugals Fernando Santos (61)? Spielt in seiner Freizeit am liebsten mit seinen Enkeln. Rumäniens Anghel Iordanescu (66)? Übernahm seine Nationalmannschaft zum ersten Mal vor 23 Jahren. Und Spaniens Vicente del Bosque (65)? Wird eine lange und erfolgreiche Karriere wohl nach diesem Turnier beenden.

18 der 24 Trainer sind bei der EM in Frankreich älter als 50 Jahre. Erfahren ist dabei nicht gleich erfahren, es gibt unter ihnen autoritäre Zampanos wie den Türken Fatih Terim (62) und auch eher väterliche Figuren wie del Bosque oder den Kroaten Ante Čačić (62).

"Wie ein vollgetanktes Auto in der Garage"

Und doch ist bei dieser Europameisterschaft genau das Gegenteil von dem zu beobachten, was schon seit längerer Zeit auf den Trainerbänken der Bundesliga passiert. Denn dort wird immer häufiger jungen, gern auch im eigenen Verein ausgebildeten Fußball-Lehrern wie Thomas Tuchel, Markus Weinzierl oder zuletzt Julian Nagelsmann vertraut.

Warum ein Nationalteam eher nichts für solche Trainertypen ist, erklärte zuletzt Antonio Conte. Der wird bei den Italienern seinen Platz für den Veteran Ventura räumen und zum FC Chelsea in die Premier League wechseln. Als Nationalcoach habe er sich "wie ein vollgetanktes Auto in der Garage gefühlt", sagte der 46-Jährige. "Du schaffst die Qualifikation für die EM, und dann vergehen noch einmal vier Monate, bis das Turnier überhaupt beginnt." Auch ein Thomas Tuchel oder Pep Guardiola würden vermutlich wahnsinnig werden, wenn sie mit ihren Spielern nur alle paar Wochen arbeiten könnten.

Es gibt auch junge Gesichter

Natürlich gibt es bei dieser Euro auch Ausnahmen. Marc Wilmots etwa trainierte jeweils nur einmal kurz seine heißgeliebten Schalker und den VV St. Truiden, ehe er die belgische Nationalelf übernahm.

Auch der Waliser Chris Coleman strahlt noch jede Menge jugendlichen Charme aus. Der einst jüngste Trainer der englischen Premier League erlaubte sich bei der EM einen Scherz, als er sich seinen Notizblock auf dem Trainingsplatz so demonstrativ vor die Brust hielt, dass viele Fotografen das sofort aufnahmen. Doch wer einen Hinweis auf die walisische Taktik oder Aufstellung erwartet hatte, freute sich zu früh. Coleman hatte dort aus Spaß nur Namen wie Beckenbauer, Maradona oder Pele notiert. Einem Iordanescu oder Frankreichs Didier Deschamps wäre das wohl nicht eingefallen. Sie haben den Spitznamen "General".

Zwei unterschiedliche Berufe

National- und Vereinstrainer sind zwei verschiedene Berufe. Das zeigt auch das Beispiel der Kroaten. Die wurden bis 2015 von Niko Kovač trainiert, der aber vor neun Monaten entlassen wurde und später zu Eintracht Frankfurt ging. Kovač ist ein ehrgeiziger, fordernder Typ. Er hat der Eintracht in täglicher Kleinarbeit einen Stil vermittelt, der den Verein vor dem Abstieg aus der Bundesliga rettete. Mit genau dieser Art war er den Kroaten aber zunehmend auf die Nerven gegangen.

Sein Nachfolger Čačić dosierte erst einmal das Training und fügt nun auf eher sanfte Weise viele Einzelkönner zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Er sei "menschlich sehr nah dran an den Spielern. Er versucht immer, das Gute zu sehen", sagte Ivan Rakitić im "Kicker" über ihn. Bei der EM träumen die Kroaten nun vom Titel. Eintracht Frankfurt wäre mit Čačić' Methoden aber ganz sicher abgestiegen.

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