03.09.2015 09:38 Uhr

Außenseiter? Das war einmal...

Lars Lagerbäck kommt an bei seinem Isländischen Nationalteam
Lars Lagerbäck kommt an bei seinem Isländischen Nationalteam

Niederlande gegen Island: Klingt nach einer Partie mit eindeutig verteilten Rollen. Die ist es auch - allerdings in anderer Art und Weise, als es zu erwarten war.

Denn die Holländer müssen am Donnerstag im Heimspiel gegen die Insulaner (ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker) unbedingt einen Heimsieg landen. Ansonsten hätte es die Elftal bei entsprechenden Resultaten in den Komplementärspielen nicht mehr in der eigenen Hand, sich auf direktem Wege für die Europameisterschaft 2016 in Frankreich zu qualifizieren. Schon jetzt steht die Elftal ganze fünf Zähler hinter dem Tabellenführer Island.

Island selbst hingegen träumt von der ersten Endrundenteilnahme bei einem großen Turnier in seiner bald 70-jährigen Länderspielgeschichte. Noch nie hatte die Mannschaft vom nördlichen Polarkreis zu diesem Zeitpunkt der Qualifikation so viele Punkte auf dem Konto. Mit 15 Zählern aus den ersten sechs Spielen thronen die Skandinavier ganz oben im Tableau der Gruppe A. Glatte Zu-Null-Siege gegen die Türkei, Kasachstan, Lettland und sogar die Niederlande waren die Basis für die jetzt schon beste Quali-Runde der isländischen Geschichte.

Schweden-Ikone Lars Lagerbäck als Heilsbringer

Der steile fußballerische Aufschwung im Land der Gletscher und Vulkane ist untrennbar mit dem Namen Lars Lagerbäck verbunden. Der Trainer-Oldie, zuvor 19 Jahre lang beim schwedischen Verband unter anderem als Nationalcoach aktiv, führt die Isländer seit 2011 und kann seit dem einen nachhaltigen Positivtrend vorweisen. Nachdem die EM-Quali 2010/2011 noch in der Tradition der vergangenen Jahrzehnte klar und deutlich verpasst wurde, wurde der Schwede auf dem Trainerposten installiert.

In der abgelaufenen WM-Qualifikation setzte sein Team bereits das erste Ausrufezeichen, als hinter der Schweiz als Gruppenzweiter die Relegation erreicht wurde und dort erst in den Playoffs gegen Kroatien (0:0, 0:2) Endstation war. Nun im Jahr 2015 also die Riesenchance, im dritten Anlauf endlich den Traum vom ersten großen Endrundenturnier zu realisieren.

"Goldene Generation" um Ex-Hoffenheimer Gylfi Sigurðsson

Lars Lagerbäck ist dabei, so etwas wie eine goldene Generation zu formen. Ein großer Teil der Stamm-Elf ist 1989er- oder 1990er-Jahrgang und gehörte auch dem Kader an, der 2011 bei der U21-EM in Dänemark erstmals für Island in einem Finalturnier mitmischte. Darunter sind mit Alfred Finnbogason, Gylfi Sigurðsson und Kolbeinn Sigþórsson auch die prominenten Offensivkräfte. Die drei haben - wie einige Mannschaftkollegen - in der Eredivisie beziehungsweise in der Premier League den Durchbruch geschafft. Ersterer ist besonders den Holländern ein Begriff, sicherte er sich doch 2014 mit 29 Toren für den SC Heerenveen die Torjägerkanone in den Niederlanden.

Gylfi Sigurðsson hinterließ 2010 bis 2011 in seiner Hoffenheimer Zeit einen guten Eindruck in Deutschland und absolvierte seit dem schon über 100 Premier-League-Spiele für Swansea und Tottenham. Längst vorbei sind die Zeiten, als die Isländer mit Ausnahme von Ex-Barça-Stürmer Eiður Guðjohnsen nur einen Haufen unbekannter Amateurkicker stellten.

Der Fokus liegt auf dem Teamgefüge

Es passt ins Bild, dass die wichtigsten Figuren im Team von Lars Lagerbäck zumeist Offensivspieler sind. Es spiegelt die neue Art des Fußballspielens auf der Insel wider. Der 67-jährige Coach, der seine Spieler gerne als "bodenständig und eigenständig" lobt, steht für den mutigen Angriffsfußball und den Offensivgeist im isländischen Spiel.

Auch sein Trainerpartner Heimir Hallgrímsson, mit dem er sich die Coaching-Aufgabe wie einst in Schweden mit Tommy Söderberg aufteilt, schwärmt vom Kader: "Wir haben gerade wirklich gute Spieler, eine Generation, die sich schon seit der Jugend kennt, gut eingespielt ist. Sie kennen sich bestens, mögen sich, der Teamspirit ist wirklich gut", meinte Hallgrímsson im Juni in einem Interview mit "Deutschlandfunk".

Exportschlager aus Island

Die Isländer profitieren von einer erheblichen Modernisierung und Professionalisierung des Fußballs im eigenen Land. So sind in den größeren Städten des Landes überall geräumige Hallen mit Kunstrasenplätzen errichtet worden, die einen ganzjährigen Trainingsbetrieb gewährleisten. Das Scouting-System sowie die Kommunikation mit den Vereinen wurde ebenfalls erheblich verbessert, sodass es jungen Talenten nun viel schneller ermöglicht werden kann, in die großen ausländischen Ligen zu wechseln.

In der Saison 2014/2015 waren fast 100 Isländer in ausländischen Ligen aktiv, keiner der Nationalspieler kickt noch in der Heimat. Die Teilnahme bei der Europameisterschaft wäre die Krönung des eingeschlagenen Weges für den 330.000-Einwohner-Staat. Reif für einen Punktgewinn in der Amsterdam-ArenA erscheint der Weltranglisten-23. allemal. Und dann wäre das Gröbste auf dem Weg nach Frankreich 2016 bereits geschafft.

Mehr dazu:
>> EM-Qualifikation: Ergebnisse und Tabelle der Gruppe A
>> Robben neuer Kapitän von Oranje
>> Island marschiert nach Sieg in Astana weiter

Mats-Yannick Roth

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten