06.01.2015 12:29 Uhr

Win-Win-Situation auf mäßigem Niveau

Lukas Podolski im Inter-Training mit seinem Coach Roberto Mancini (r.) (inter.it)
Lukas Podolski im Inter-Training mit seinem Coach Roberto Mancini (r.) (inter.it)

Der Wechsel von Lukas Podolski zu Inter ist für beide Seiten eine gute Entscheidung. Der Weltmeister kann die Nerazzurri besser machen und selbst dort zur Galionsfigur werden. Gleichzeitig gesteht er sich damit ein, dass es für das allerhöchste Niveau nicht reicht – was nicht unbedingt negativ ist.

Die Ausgangssituation:

Deutscher Meister, Weltmeister, FA-Cup-Sieger, dritter Rekordnationalspieler Deutschlands – die Liste der Errungenschaften in der Vita von Lukas Podolski ist beeindruckend. Doch ein Blick darauf, welche Rolle er in den jeweiligen Saisons bei Bayern München, der deutschen Nationalmannschaft und Arsenal gespielt hat, trübt diesen Eindruck. Klar, Podolski ist ein Held und eine Ikone beim 1. FC Köln, auf internationalem Topniveau hat er sich allerdings nie nachhaltig in den Vordergrund spielen können.

So war auch seine Situation bei Arsenal zuletzt nicht zufriedenstellend. In der Hinrunde wurde der Flügelflitzer oft nicht einmal eingewechselt, in der Liga stand er kein einziges Mal in der Startelf. Dass er Gefahr lief, auch seinen Platz in der Nationalmannschaft zu verlieren, deutete der Bundestrainer Joachim Löw zuletzt zumindest an und legte ihm einen Transfer nahe.

Die Situation war klar: Podolski musste wechseln, um seine Karriere zu "retten". Doch wohin sollte er gehen? In die Bundesliga? Nach Spanien? In die Türkei? Letztlich entschied entschied er sich für einen Wechsel auf Leihbasis in die Serie A zu Inter. Die richtige Entscheidung?

Der Klub:

Inter hat den Glanz alter Tage verloren. Sechs Europapokaltitel, 18 italienische Meisterschaften, erst Mitte der Nuller Jahre fünf Scudetti in Folge – alles dahin. Die Gegenwart ist das Tabellenmittelfeld, ein riesiger Schuldenberg, Zuschauerflucht und sinkendes internationales Ansehen.

In Zeiten der Krise hat der indonesische Geschäftsmann Erick Thohir den Klub als Präsident und Mäzen übernommen. Statt blind Geld reinzupumpen, will er den Klub jedoch auf gesunde Beine stellen, wirtschaftlich konsolidieren und eine Mannschaft aufbauen, mit der man sich wieder identifizieren kann. Deswegen stehen einerseits Verlängerungen mit Identifkationsfiguren wie Mauro Icardi und Mateo Kovačić auf der To-do-Liste, andererseits sollen bewusst Leute mit positiver Mentalität dazugeholt werden wie eben Podolski oder auch Xherdan Shaqiri von Bayern München.
>> Inter: Auch Shaqiri soll kommen

Langfristig will Inter wieder an die Spitze. Aber eben langfristig und nicht – wie bei anderen Mäzenen – mit Hau-Ruck-Aktionismus. Eine Umgebung, in der Podolski der Mannschaft seinen Stempel aufdrücken und nachhaltig Wurzeln schlagen kann.
>> Hintergründe zum Neuaufbau bei Inter

Die Spielweise in Italien:

Es ist keine Mär und kein Klischee, sondern schlicht Fakt, dass der Fußball in Italien deutlich langsamer ist als in Deutschland oder erst recht England. Wie schwer sich selbst Branchenprimus Juventus in der Champions League beispielsweise gegen Olympiakos Piräus tat, das Tempo hoch zu halten, sprach Bände. Mal abgesehen von dem physischen Armutszeugnis der Squadra Azzurra bei der WM in Brasilien.

Und Valon Behrami, seines Zeichens zwei Jahre Stammspieler beim SSC Napoli, einem italienischen Spitzenklub, betonte nach seinem ersten Bundesligaspiel für den Hamburger SV, dass er so ein schnelles Spiel noch nie erlebt habe – nach einem 0:0 gegen Köln.

Die Serie A hat in den letzten Jahren den Anschluss an die europäische Spitze verloren, was das Tempo angeht. Für Podolskis Spielweise könnte das ein Vorteil sein. Mit seinen Tempoläufen über die Außenbahn und seinen schnellen Abschlüssen hat er das Zeug dazu, sich gegen langsame Abwehrreihen in den Vordergrund zu spielen.

Die Perspektive:

Ein mittlerweile mittelmäßiger Klub in einer Liga auf dem absteigenden Ast - auf den ersten Blick ist Podolskis Wechsel zu Inter ein Rückschritt. Die Perspektive macht die Liaison zwischen Poldi und Inter allerdings zu einer Win-Win-Situation für beide Parteien.

Mit seiner Spielweise kann der deutsche Nationalspieler ein wichtiges Puzzleteil bei der Wiederauferstehung eines international renommierten Traditionsklubs werden. Podolski hat in Topform eine Explosivität, wie sie besonders in Italien durchaus zum Erfolg führen kann. Sollte er einschlagen, wird ihm der Bundestrainer sicherlich auch nicht die Teilnahme an der EM 2016 in Frankreich verwehren.

Dazu hat er genau die Ausstrahlung, die Inter dringend brauchen kann, um wieder positivere Schlagzeilen zu schreiben. Für den Klub ist neben der Imagepflege auch der Deal mit Arsenal quasi risikofrei. Zunächst wird der Stürmer für ein halbes Jahr ausgeliehen, sollte er nicht funktionieren, muss man ihn nicht fest verpflichten.

Und wenn man es überspitzt formuliert, ist der Wechsel zu Inter auch ein ehrliches Eingeständnis: Podolski wird nicht mehr Weltfußballer werden, für ganz oben reicht es einfach nicht. Er ist nicht der Spieler, der Real, Bayern oder Barça auf ein neues Level hebt. Er ist ein sehr guter, aber unter dem Strich kein Weltklassespieler. Mit Inter wechselt er in eine neue Liga, ein neues Land. Er stellt sich einer neuen Herausforderung, statt den absoluten Rückschritt in den Heimathafen Köln zu machen. Auch in die Türkei zu Galatasaray zu wechseln, wäre eine Stufe zu tief gewesen. Die Serie A ist die richtige Liga für das Niveau und den Spielertypen Podolski.

Insofern muss man sagen: Ja, es ist ein Rückschritt, aber eben nur die abgemilderte Variante. Unter dem Strich könnte eine perfekte Ehe entstehen – wenn auch nicht auf höchstem Niveau...

Tipp: Bereits im traditionellen Derby d'Italia gegen Juventus steht Podolski im Inter-Kader und könnte sein Debüt feiern. weltfussball ist am Dienstagabend um 21:00 Uhr live dabei!

Mehr dazu:
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Jochen Rabe

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