21.12.2013 21:36 Uhr

Mailand-Derby: Krisen und Tifosi-Sperre

Der Frust sitzt nach den jüngsten Resultaten insbesondere bei Mario Balotellis (l.) AC Milan tief
Der Frust sitzt nach den jüngsten Resultaten insbesondere bei Mario Balotellis (l.) AC Milan tief

Mailand scheint sich kurz vor Weihnachten lieber der aktuellen Wintermodekollektion zuzuwenden als dem 222. "Derby della Madonnina" am Sonntag (um 20.45 Uhr im weltfussball-Liveticker). Zu frustrierend waren die letzten beiden Jahre für Milan wie Inter - und auch jetzt haben die beiden einstigen Riesen Probleme, überhaupt an den internationalen Startplätzen dranzubleiben.

Dabei ist es gerade mal drei Jahre her, dass sich Inter auf dem Zenit der Vereinshistorie befand. "Grande Inter" gewann zum fünften Mal nacheinander die italienische Meisterschaft und krönte sie mit dem Triple durch den 2:0-Erfolg im Champions-League-Finale gegen den FC Bayern. Ausgerechnet Inter, das in Sachen Titel stets den großen Rivalen Juventus und Milan hinterher hechelte, war über Jahre hinweg in Italien kaum zu schlagen gewesen und saß endlich auch auf dem europäischen Thron.

Mazzarri holt Inter aus dem Abgrund

Dann aber nahm José Mourinho seinen Hut und das ohnehin schon überalterte Team überschritt endgültig seinen Zenit. Dem Abstieg auf Platz zwei und sechs folgte die Katastrophe: in der vergangenen Saison wurde mit dem neunten Rang sogar das internationale Geschäft verpasst. Dabei sah es zum gleichen Zeitpunkt wie jetzt, nach 16 Spielen, mit Position zwei noch ziemlich gut aus. Aber eine unterirdische Rückrunde sorgte für die schlechteste Abschlussplatzierung seit beinahe 20 Jahren.

Nachdem im Sommer mit Walter Mazzarri zwar ein neuer Trainer, aber keine neuen Stars gekommen waren, traute man den Nerazzurri auch in dieser Spielzeit wenig zu. Umso überraschender kam der relativ gute Saisonstart, der erst durch die letzten vier sieglosen Spiele geschmälert wurde. Dennoch: Inter stellt den besten Sturm der Liga und hat auf Rang fünf immerhin wieder gute Chancen auf die Europa League.

Milan geht am Stock in die Winterpause

"Wir brauchen die drei Punkte momentan mehr als Inter", stellt dagegen Milan-Keeper Abbiati fest. Dem ist auch kaum zu widersprechen, ging doch die Wiederbelebung Inters in dieser Saison mit einem rasanten Abstieg des Lokalrivalen einher. Nach dem schlechtesten Saisonstart seit 32 Jahren rumpelt  der renommierte AC Mailand auf Platz zehn dem Jahreswechsel entgegen.

Besonders die Defensive bereitet Sorgen: Mit 25 Gegenttreffern weist das einstige Prunkstück der Rossoneri derzeit die Quote eines Abstiegskandidaten auf. "Wir müssen mit allen elf Mann verteidigen", rüffelt Abbiati und spielt damit sicher auch auf die noch zu divenhaft agierende Sturmspitze Mario Balotelli an. Der aber dürfte nach seinem unrühmlichen Abgang von Inter 2010 noch eine Rechnung mit den alten Kollegen offen haben.

Ganz sicher aber nicht nur das enfant terrible, auch Milan selbst würde zu gerne mal wieder für ein Erfolgserlebnis gegen den blau-schwarzen Stadtrivalen sorgen. Seit den zwei Siegen im Meisterjahr 2010/2011 wartet der Champions-League-Achtelfinalist auf einen Derby-Sieg. Nach nur einem Erfolg aus den letzten acht Partien wären drei Punkte gegen Inter insofern nicht nur für Milans Tifosi ein zumindest versöhnlicher Jahresabschluss.

Auch das noch: Block-Sperre sorgt auf beiden Seiten für Unmut

Die Fans aber stehen an diesem Wochenende ohnehin mehr als sonst im Mittelpunkt des Geschehens. Das zwar seit eh und je heißblütige, aber im Gegensatz z.B. zum Römer Derby meist friedliche Mailänder Stadtduell wird durch die Schließung des Inter-Stehplatzblocks überschattet. Nach diskriminierenden Gesängen gegen den SSC Neapel beim Gastspiel in der letzten Woche wurde die "Curva Nord" vom Verband für zwei Spiele gesperrt.

"Wir sangen die Lieder, die wir schon seit 30 Jahren gegen die Neapolitaner singen. Nichts Besonderes. Plötzlich stellt sich da einer vor den Block und notiert jedes einzelne gesungene Wort. Das ist lächerlich", bezog ein Inter-Fan gegenüber der "Gazzetta dello Sport" Stellung. Auch Inter selbst fühlt sich, insbesondere vor einem Derby, durch diese Maßnahme benachteiligt. "Das wird unserem Spiel mit Sicherheit nicht zuträglich sein", hielt sich Coach Mazzarri bei "Sky Sport Italia" noch an zurückhaltende Formulierungen.

Schützenhilfe kommt nun ausgerechnet vom rotschwarzen Nachbarn: Auch bei Milan sieht man die Abwesenheit der fanatischsten Inter-Tifosi als nicht gerade förderlich an, sind doch die traditionellen Choreographien beider Ultra-Gruppen vor dem Spiel für die Derby-Atmosphäre im Giuseppe Meazza unerlässlich. "Bei rassistischen Entgleisungen könnte ich es verstehen, aber territorial abschätzige Sprechgesänge sind in Italien gang und gäbe. Die Sperre ist übertrieben, ich möchte die Choreographien beider Teams sehen", moserte auch Abbiati in aller Deutlichkeit. Die endgültige Entscheidung des Verbands ist nach einem Protest Inters aber auch noch nicht gefallen. Vielleicht wird also zwar nicht der Tabellenstand der beiden Teams, aber zumindest die Atmosphäre im San Siro sein wie eh und je, wenn das "Derby della Madonnina" angepfiffen wird.

Johann Mai

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