26.04.2014 11:06 Uhr

Steven Gerrard: Fast am Ziel aller Träume

Nach mehr als zwei Jahrzehnten im Verein steht die lebende Liverpool-Legende kurz vor der ersten Meisterschaft mit den Reds. In dem jungen Team ist der 33-jährige Routinier vielleicht der wichtigste Spieler.

Mit Tränen in den Augen versammelt Steven Gerrard seine Mitspieler an diesem 13. April 2014 auf dem Spielfeld um sich. Direkt im Anschluss an den 3:2-Erfolg gegen Manchester City richtet er spontan hochemotionale Worte an sie: "Wir lassen uns das jetzt verdammt noch mal nicht mehr nehmen. Hört zu: dieses Spiel ist vorbei. Wir fahren jetzt nach Norwich. Das gleiche noch mal. Auf geht's!"

In den 90 spektakulären Minuten zuvor hatten der Kapitän und sein Team sich gegen den direkten Tabellennachbarn eine hervorragende Ausgangsposition im Titelkampf gesichert. Und das ausgerechnet an diesem für den Klub und die Stadt so besonderen, so traurigen Tag, an dem Liverpool der 96 Toten der Hillsborough-Katastrophe gedenkt - unter ihnen auch ein Cousin von Steven Gerrard.

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Die Bilder von seiner Ansprache, die später um die Welt gehen, zeigen vor allem eines: Wohl kaum jemand beim ruhmreichen Klub von der Merseyside lechzt so sehr nach der ersten Meisterschaft seit 1990 wie Gerrard.

Viele Titel, aber nie Meister

Dabei ist die Laufbahn des Liverpooler Urgesteins, das bereits seit seinem achten Lebensjahr das rote Trikot trägt, keineswegs arm an Erfolgen: Der dreifache englische Fußballer des Jahres gewann unter anderem die Champions League, den UEFA-Cup sowie zweimal den FA Cup mit den Reds.

Trotz lukrativer Offerten aus dem In- und Ausland blieb er dem LFC immer treu. "Ich konnte den Klub, den ich liebe, einfach nicht verlassen", sagt Gerrard.
Dafür nahm er auch in Kauf, seinen Traum vom Titelgewinn in der Premier League nicht verwirklichen zu können. "Es wäre ein Wunder, wenn ich mit Liverpool noch Meister werden würde", erklärte er im Herbst 2012 in einer Biographie.

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Überraschende Entwicklung

Nur 18 Monate später ist dieses Wunder für Gerrard plötzlich zum Greifen nah: Der FC Liverpool ist das Überraschungsteam in England und führt die Tabelle nach zuletzt elf Siegen in Serie an – vor den deutlich finanzkräftigeren Kontrahenten aus London und Manchester.

Holen die Reds mindestens sieben Punkte aus den noch ausstehenden drei Partien, ist ihnen die Meisterschaft nicht mehr zu nehmen. Das Schlüsselspiel dürfte das Duell mit dem Tabellenzweiten Chelsea am Sonntag sein (ab 15:05 Uhr im weltfussball-Liveticker).
"Wenn sie den Titel gewinnen, ist es der unglaublichste Triumph in der Geschichte der Liga", weiß John Barnes, als Spieler einer der herausragenden Protagonisten der letzten Meistermannschaft Liverpools.

>> Zum weltfussball-Tabellenrechner für die Premier League

Neue Rolle für den Skipper

Am rasanten Aufschwung des Klubs nach einigen Jahren im Mittelmaß hat der wiedererstarkte Gerrard maßgeblichen Anteil. Der Routinier ist Herz und Hirn der Mannschaft sowie unverzichtbare Führungspersönlichkeit für Youngster wie Raheem Sterling und Jon Flanagan. Von Teammanager Brendan Rodgers in die defensive Schaltzentrale zurück gezogen, sorgt er mit seiner Übersicht und Zweikampfstärke für die Balance im Spiel der offensivfreudigen Reds.

"Er ist ein Spielmacher, aber er ist einzigartig, weil er auch verteidigen kann", schwärmt Rodgers von seinem Kapitän. "Ich würde ihn gegen keinen anderen Spieler tauschen wollen, weil er dem Team so viel gibt."

Vorlagengeber und Elfmeterspezialist

Für das ganz große Spektakel beim torgefährlichsten Premier-League-Team sind andere zuständig: Das Sturmduo Luis Suárez und Daniel Sturridge hat zusammen 50 der 96 Treffer in dieser Spielzeit erzielt. Doch auch Gerrard ist in seiner neuen Rolle hochgradig effektiv.
Zehn Tore bereitete er vor, 13 Mal traf er selbst. Seine Standards sind eine Waffe. Vor allem überzeugt der Kapitän nach wie vor als sicherer Elfmeterschütze: Elfmal trat Gerrard 2013/2014 in der Liga zum Strafstoß an, zehnmal verwandelte er.

Krönung einer großen Karriere

Die Meisterschaft nach 24 Jahren Durststrecke wieder an die Anfield Road zu holen, wäre für den Fan-Liebling die Vollendung seines fußballerischen Lebenswerks. "Ich sehe das als einmalige Chance, weil diese Liga so stark ist. Keiner weiß, was nächstes Jahr ist", so Gerrard kürzlich im englischen "Telegraph".

Auch einer der ganz Großen des Weltfußballs drückt dem Skipper der Reds auf der Zielgerade der Saison die Daumen. "Er hatte eine großartige Karriere und es wäre schade, wenn er niemals mit Liverpool Meister werden würde", sagt der dreifache Weltfußballer Zinédine Zidane. "Für das, was er geleistet hat, verdient er diesen Titel."

 

Tobias Knoop

 

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