29.09.2021 14:19 Uhr

Die missliche Lage des Jadon Sancho

Jadon Sancho wechselte im Sommer vom BVB zu Manchester United
Jadon Sancho wechselte im Sommer vom BVB zu Manchester United

BVB-Boss Hans-Joachim Watzke leidet bereits mit, in England ließ die Kritik ohnehin nicht lange auf sich warten. Denn: Jadon Sancho kommt bei Manchester United einfach nicht in Fahrt und befindet sich mittlerweile in einer misslichen Lage. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht.

Zwei Jahre lang wurde Jadon Sancho von Manchester United gejagt. Zwei Jahre lang galt Jadon Sancho als das fehlende Puzzleteil für die rechte Angriffsseite des englischen Rekordmeisters. Als derjenige, der das Spiel der Red Devils auf ein neues Niveau hebt und der der "Top-Stürmer der nächsten zehn, zwölf Jahre" (O-Ton von Teammanager Ole Gunnar Solskjaer) wird.

Zwei Jahre lang überbot sich der Klub daher mit Angeboten - und schaffte es im Sommer tatsächlich, den BVB mit einer Ablöse in Höhe von 85 Millionen Euro zu überzeugen.

Zwei Monate nach dem Ende der Transfer-Saga ist jedoch Ernüchterung eingekehrt. Die bisherige Ausbeute von Borussia Dortmunds einstigem Aushängeschild im Trikot von Manchester United: Sieben Spiele, null Tore, null Vorlagen.

Solskjaer: "Jadon ist in der Findungsphase"

Allzu verständlich, dass derzeit auf der Insel eifrig über die Gründe und über mögliche Lösungen diskutiert wird - wobei Teammanager und Experten unterschiedliche Ansätze sehen.

Aus der Sicht von Ole Gunnar Solskjaer ist die Rechnung relativ einfach. Jadon Sancho, der während der gesamten Europameisterschaft mit nur 97 Spielminuten eine mehr als untergeordnete Rolle gespielt hatte, erkrankte kurz nach seiner Unterschrift im Nordwesten Englands und verpasste wichtige Tage in der Vorbereitung mit seiner neuen Mannschaft.

Sancho konnte erst am 9. August sein erstes komplettes Training unter Solskjaer leisten. Da hatte der Rest der Truppe bereits das Trainingslager in Schottland sowie die Generalprobe gegen Everton in den Beinen. Mitte August, beim Liga-Start gegen Leeds United (5:1), war für Sancho daher nicht mehr drin als ein 15-minütiger Kurzeinsatz.

Doch auch ein Testspiel hinter verschlossenen Türen gegen Burnley brachte den Rechtsaußen nicht auf die nötige Fitness, um in den Folge-Wochen ein Spiel über 90 Minuten zu absolvieren. Einzig im untergeordneten League-Cup-Match gegen West Ham Mitte September, das United obendrein mit 0:1 verlor, durfte Sancho über die komplette Dauer auf dem Platz stehen.

"Jadon ist in der Findungsphase", führte Solskjaer zuletzt aus, "es war unglücklich, dass er zu Beginn krank war und Teile der Vorbereitung verpasste". Sancho lerne derzeit "das Spiel, die Art unseres Trainings und die Premier League", Geduld sei angebracht. Für viele dennoch verwunderlich, dass ausgerechnet der englische Nationalspieler Anpassungsprobleme in seiner Heimat haben wird.

Kritik an Solskjaer: Sancho wird falsch eingesetzt

Etwas kritischer werden Jadon Sanchos erste Wochen bei Manchester United daher von Experten und Beobachtern betrachtet.

Stein des Anstoßes ist zumeist, wie Solskjaer seinen teuren Neuzugang im 4-2-3-1-System einsetzt. Denn: Sancho spielt gar nicht auf seiner rechten Angriffsseite, für die er verpflichtet wurde.

260 seiner bislang 327 Minuten agierte der 21-Jährige bislang auf dem linken Flügel - übrigens eine Position, die er vor allem in der vergangenen Bundesliga-Rückrunde mit großem Erfolg besetzte. 

Das Problem: Zwischen Sancho und Stamm-Rechtsverteidiger Aaron Wan-Bissaka will die Chemie einfach noch nicht so richtig stimmen, wie unter anderem "The Athletic" analysiert. So werden Sanchos Defensiv-Defizite für seinen Mitspieler zum Verhängnis, Wan-Bissakas Offensiv-Probleme lassen wiederum Sancho allein auf weiter Flur. Solskjaer setzt den Ex-Dortmunder daher lieber auf links ein, wo er mit dem eigentlich angriffslustigen Luke Shaw ein Duo bilden soll. Bislang werden dessen Offensiv-Ausflüge aber eher gebremst als gefördert, wenn Sancho vor ihm agiert.

Auch Ole Gunnar Solskjaer scheint hier noch in der Findungsphase zu stecken.

BVB-Boss tut Sanchos Fehlstart "in der Seele weh"

Solange Sancho und Wan-Bissaka nicht die Gelegenheit bekommen sich anzugleichen, wird die Paarung auf der rechten Seite aber wohl kein Erfolg. Dass Solskjaer indes nicht gezwungen ist, den Ex-Dortmunder dort einzusetzen, liegt derweil an Mason Greenwood. Der Rechtsaußen kommt in sechs Premier-League-Einsätzen auf drei Tore und verdiente sich bislang seinen Platz. Und da nach Jadon Sancho in Cristiano Ronaldo ein weitaus größerer Name verpflichtet wurde, ist Greenwoods Nebenposition im Sturmzentrum besetzt.

"Mason Greenwood ist einer derjenigen im Klub mit dem besten Abschluss. Er (Sancho, Anm. d. Red.) wird kämpfen müssen, um konstant zu spielen. Aber das ist etwas Gutes für den Manager", sagte etwa Casey Stoney, Trainerin der Damen-Mannschaft von Manchester United, zuletzt gegenüber "Sky". Aussagen, die wiederum in Dortmund für völliges Unverständnis sorgen dürften.

Denn im Ruhrgebiet werden die Qualitäten von Jadon Sancho auch nach dessen Abschied nicht angezweifelt. Im Gegenteil: "Dass er nicht spielt, tut mir in der Seele weh", bekannte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke unlängst bei "Sport1". "Er ist so ein toller Fußballer." 

In Manchester bleibt derweil zunächst die Frage, ob Jadon Sancho schnell aus seiner misslichen Lage herauskommt.

Gerrit Kleiböhmer

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