06.04.2021 10:37 Uhr

Warum der BVB ein Reus-Problem hat

BVB-Kapitän Marco Reus ließ in den letzten Wochen nicht nur die Körpersprache vermissen
BVB-Kapitän Marco Reus ließ in den letzten Wochen nicht nur die Körpersprache vermissen

Seit Wochen wenn nicht gar Monaten steckt Marco Reus bei Borussia Dortmund in der Formkrise. Zu den ausbleibenden sportlichen Leistungen gesellte sich zuletzt auch eine extrem unglückliche Körpersprache. Kein Wunder, dass die Zweifel am BVB-Kapitän wachsen.

Der Begriff der Karwoche zu Ostern leitet sich vom althochdeutschen "kara" ab, gleichbedeutend mit Kummer oder Klage. Mancherorts wird der Karsamstag auch als stiller Samstag bezeichnet - spätestens seit diesem Jahr wohl auch in Dortmund, zumindest rund um den BVB.

Stille Klage fasst auch den Gemütszustand von Marco Reus ganz treffend zusammen, als er am vergangenen Wochenende gegen Eintracht Frankfurt in der 80. Minute vorzeitig ausgewechselt wird.

Zu diesem Zeitpunkt steht es noch 1:1 im "Endspiel" um die Champions-League-Teilnahme. Der BVB braucht dringend einen Sieg. Doch anstatt sich zu beeilen, schlurft Reus aufreizend langsam vom Spielfeld. Seine Kapitänsbinde wirft er anschließend dem eingewechselten Giovanni Reyna einfach hinterher.

Zwar bezeichnet BVB-Trainer Edin Terzic den Frust seines Kapitäns später als "menschlich". In der Chefetage des Revierklubs sorgt die Aktion aber wohl für Diskussionen und Kopfschütteln - zumal Reus auch bei der Auswechslung gegen Ex-Klub Gladbach im Januar unangenehm auffiel, weil er auf dem Weg zur Bank seine Schuhe und einen Ball zur Seite feuerte.

BVB: Die alte Frage nach dem "Mentalitätsscheiß"

Gegen Frankfurt verlor der BVB ohne Reus schließlich noch mit 1:2. Sieben Punkte beträgt der Rückstand auf Platz vier mittlerweile. Die Königsklasse findet in der kommenden Spielzeit wohl ohne die Borussia statt.

Den BVB und nicht zuletzt auch Reus selbst holen nicht zum ersten Mal die Geister der Vergangenheit ein. Im September 2019 platzte ihm nach einem Last-Minute-2:2 ebenfalls gegen Frankfurt der Kragen. "Mentalitätsscheiß" sei nicht ausschlaggebend für ausbleibende Leistungen, schimpfte er damals in einer fast schon legendären Wutrede am "Sky"-Mikrofon. Heute stellt sich auch die Frage nach Reus' Mentalität mehr denn je.

Sportlich spielt der 31-Jährige seine wohl schlechteste Saison im BVB-Trikot. In 25 Bundesliga-Einsätzen gelangen ihm lediglich zehn Torbeteiligungen (drei Tore, sieben Vorlagen). Im Kalenderjahr 2021 ist er gar noch ohne eigenen Treffer. Zum Vergleich: In der Vorsaison stand Reus verletzungsbedingt zwar nur 19 Mal auf dem Rasen, erzielte dabei aber elf Tore und lieferte fünf Assists.

BVB: Öffentliche Rückendeckung für Marco Reus

Abseits der blanken Leistungsdaten wirkt auch die Körpersprache des Kapitäns resignierter als noch in der Vergangenheit. Es scheint, als sei Reus auf dem Platz oftmals zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt. Diskussionen um seine Eignung für das Kapitänsamt brechen wieder auf.

Die BVB-Verantwortlichen stellen sich öffentlich wenig überraschend weiter hinter Reus. "Es gab sicher schon Jahre, in denen Marco häufiger getroffen hat", erklärte Lizenzspielerleiter Sebastian Kehl im "kicker", "aber ich glaube fest daran, dass er sich diesmal die nächsten, wichtigen Treffer für die finalen Saisonwochen aufgehoben hat." Reus habe zuletzt zudem "seinen Wert auf unterschiedlichsten Positionen eingebracht".

Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke lobte, der Kapitän habe "in den vergangenen Wochen und Monaten gezeigt, dass er bereit ist zu kämpfen".

BVB: Marco Reus hängt nicht an der Kapitänsbinde

Reus selbst, als gebürtiger Dortmunder eigentlich eines der großen Aushängeschilder der aktuellen Mannschaft, hängt gar nicht so sehr an der Kapitänsbinde, wie man glauben könnte. 

"Ich bin stolz darauf, Kapitän der Borussia zu sein. Aber wenn irgendwann jemand sagt, dass er etwas anderes möchte, dann ist das kein Problem", sagte er vor rund zwei Wochen im "kicker meets DAZN"-Podcast.

Ähnlich wie sein unglücklicher Vorgänger Marcel Schmelzer hat Reus aber zumindest aktuell das Problem, dass er nicht mit Leistung vorangehen kann - für einen Kapitän immer eine denkbar schlechte Konstellation. Es ist nicht ausgeschlossen, dass unter dem neuen Trainer Marco Rose ab dem Sommer die Karten in Sachen Spielführer neu gemischt werden.

Roses Vorgänger und designierter Assistent Terzic wird aller Voraussicht nach aber weiter auf Reus setzen - auch wenn es auf und neben dem Platz derzeit andere Spieler sind, die den BVB anführen, allen voran Reus' Vertreter (und möglicher Nachfolger?) Mats Hummels.

Es liegt nun am Kapitän, sein Leid vom Karsamstag hinter sich zu lassen und das vorerst ungebrochene Vertrauen zurückzuzahlen - bestenfalls schon im immens schwierigen Champions-League-Auswärtsspiel bei Manchester City am Dienstag.

Tom Kühner

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