06.10.2020 18:11 Uhr

United-Krise: Panik-Käufe statt Sancho

Ole Gunnar Solskjaer steht beim Manchester United in der Kritik
Ole Gunnar Solskjaer steht beim Manchester United in der Kritik

Manchester United steckt nach gruseligen Vorstellungen zum Saisonstart der Premier League in einer schweren Krise, Teammanager Ole Gunnar Solskjaer ist bereits angezählt. Nachdem Englands Rekordmeister wochenlang erfolglos um BVB-Star Jadon Sancho warb, greift er mit einer kurzfristigen Transfer-Offensive nach dem wohl letzten Strohhalm.

Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht. Es hatte beinahe sogar den Anschein, als würde er in jedem Moment anfangen laut zu lachen. Noch im Stadionrund wurde José Mourinho nach dem Aufsehen erregenden Kantersieg von Tottenham Hotspur gegen Manchester United zu einer ersten Analyse gebeten.

Der Star-Coach, im Dezember 2018 bei United nach schier ewig anhaltender Kritik vor die Tür gesetzt, hatte seinen Ex-Klub soeben mit 6:1 zerlegt. Die Genugtuung für den Portugiesen muss köstlich gewesen sein.

Mourinho sprach dann zwar auch vom "Respekt vor United und den Traditionen dieses riesigen Klubs", dennoch nahm er kein Blatt vor dem Mund: "Wir waren so viel besser als sie, auch als wir in der ersten Halbzeit mit elf gegen elf gespielt haben." 

Der Vater des Erfolgs? Nicht er selbst, mittlerweile ohnehin eher "The Humble One" als "The Special One", sondern der Klub. Die Spurs-Bosse hätten ihm schlicht eine "großartige Mannschaft" zur Verfügung gestellt, lobte Mourinho. Womit man direkt bei Manchester Uniteds größtem Problem wäre.

Sancho-Poker: BVB lässt sich nicht umstimmen

Beim 20-maligen Titelträger läuft nämlich seit geraumer Zeit bei der Kanderplanung einiges schief, so die anhaltende Meinung von Fans und zahlreichen Experten im Umfeld des Klubs.

Monatelang schien es, als setze United als seine Hoffnungen nur darauf, Jadon Sancho aus Dortmund loszueisen - ein Transfer, der den gesamten Klub aufgerüttelt und elektrisiert hätte. 

Die unverrückbare Ablöseforderung des BVB in Höhe von 120 Millionen Euro soll United letztlich aber abgeschreckt haben. Sancho bleibt noch mindestens ein weiteres Jahr in der Bundesliga - eine weitere herbe Pleite für das einst so stolze United, diesmal eben auf dem Transfermarkt.

Vor dem Deadline Day am 5. Oktober fand nur Spielmacher Donny van de Beek für 39 Millionen Euro von Ajax Amsterdam den Weg nach Manchester. So sprach United-Legende und "Sky"-Experte Gary Neville nach der Blamage gegen Tottenham von einem grundsätzlichen, "psychologischen Schaden, der bei den Spielern entstanden ist, weil der Klub einfach keine großen Neuzugänge präsentiert".

Die Aufgabe der Klub-Führung sei es", ein Team zusammenzustellen, das Meisterschaften holt" - ein Kunststück, das United letztmals 2013, also vor mittlerweile sieben langen Jahren, gelang.

Panik-Käufe à la Cavani: "Wie ist es nur soweit gekommen?"

Am letzten Tag der kontinentalen Transferperiode - innerhalb Englands sind Transfers noch bis zum 16. Oktober möglich - legten die Verantwortlichen eilig nach. Linksverteidiger Alex Telles (15 Mio. Euro vom FC Porto), der blutjunge Rechtsaußen Facundo Pellistri (8,5 Mio. Euro von CD Penarol aus Uruguay) und Altstar Edinson Cavani (ablösefrei nach Vertragsende bei PSG) wurden ins Old Trafford gelotst.

Gerade die Verpflichtung von Cavani scheint allerdings eher ein Panik-Kauf zu sein. "Ich glaube einfach nicht, dass er Teil des Plans war", mutmaßte Neville, "sonst hätte man im Vorfeld etwas über einen so großen Transfer gehört". Stoßstürmer Marcus Rashford habe zudem doch in den vergangenen Monaten bewiesen, welchen Wert er für die Mannschaft besitzt.

Daher stellte der einstige Abwehrspieler die Frage, die sich längst auch viele United-Anhänger umtreibt: "Wie ist es nur soweit gekommen?"

Anders ausgedrückt: Warum ist der Kader Uniteds so unzureichend zusammengestellt?

Solskjaer greift nach dem letzten Strohhalm

Bei der Suche nach einer Antwort auf diese Frage rückt Teammanager Ole Gunnar Solskjaer zwangsläufig in den Fokus. Zwar habe der Norweger, wie Neville bescheinigt, in der vergangenen Saison mit Platz drei das Maximum herausgeholt. Dennoch hält sich seit Längerem auch Kritik am einstigen Super-Joker und Publikumsliebling, seine Spieler nicht besser machen zu können.

Im vergangenen Sommer, Solskjaers erstem als hauptverantwortlicher Teammanager, hatte United immerhin knapp 160 Millionen Euro für Neuzugänge ausgegeben. Für Innenverteidiger Harry Maguire waren es allein 87 Millionen Euro, für Rechtsverteidiger Aaron Wan-Bissaka satte 55 Millionen. Im Winter kam dann noch Bruno Fernandes für weitere 55 Millionen Euro hinzu.

Während sich der portugiesische Mittelfeldspieler als Volltreffer entpuppte, konnten Maguire und Wan-Bissaka die Qualität des Kaders bislang nicht nachweislich anheben. Stattdessen zählt die United-Abwehr zu den schlechtesten Defensivreihen der Liga. In den ersten drei Partien hageltes es bereits elf Gegentore.

Die Länderspielpause wird United nun nutzen müssen, um die scheinbaren Panik-Käufe schnell zu integrieren. Für Solskjaer dürfte der Versuch, mit seinem neuen Kader die Wende zu schaffen, der letzte Strohhalm sein. Sonst ereilt ihn womöglich dasselbe Schicksal wie einst José Mourinho.

Gerrit Kleiböhmer

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