06.06.2018 07:54 Uhr

Neymar und die Wiener Generalprobe

Neymar ist für Großes bereit
Neymar ist für Großes bereit

Auf seinen Schultern lastet bei der Weltmeisterschaft das Wohl der ganzen Nation. Anfang März löste die Kunde aus Europa in Brasilien Alarmzustand aus. Neymar verletzt, Operation und monatelange Pause: Die Fans im Land des Rekordweltmeisters fürchteten das Schlimmste. Inzwischen ist "Ney" wieder für Großes bereit. Am Sonntag soll gegen Österreich die WM-Generalprobe erfolgreich verlaufen.

Neymar da Silva Santos Junior, wie der Ausnahmestürmer mit vollem Namen heißt, hat eigentlich ein Problem. Der 26-Jährige ist nicht nur in seiner Heimat ein Superstar und seit vergangenem Sommer auch der teuerste Fußballer der Welt. Als Bester der Erdkugel ist er jedoch bisher nicht prämiert worden. Lionel Messi und Cristiano Ronaldo machen seit 2008 Jahr für Jahr das Rennen um den Weltfußballer unter sich aus.

Im Schatten von Messi stand Neymar auch beim FC Barcelona. Dass der Brasilianer nach vier durchaus erfolgreichen Saisonen bei den Katalanen im Vorjahr um die Rekordsumme von 222 Millionen Euro nach Paris wechselte, wurde mitunter als Flucht ausgelegt. Bei PSG ist der Edeltechniker mit oft ungezügeltem Temperament der unumstrittene Star - wäre da nicht der ausbleibende Erfolg der Franzosen in der Champions League.

Dass für PSG in der Königsklasse auch in diesem Jahr vorschnell Endstation war, befeuerte Gerüchte, dass Neymar schon wieder einen Abgang einplane. Achtelfinal-Bezwinger Real Madrid sei seine Wunschdestination, auch im Vorfeld der WM reißen diesbezügliche Gerüchte trotz Dementis aus Paris nicht ab. Bei Real steht immerhin noch ein Cristiano Ronaldo unter Vertrag. Auch in Madrid droht Neymar, dessen Manager-Vater Neymar senior stets im Hintergrund die Fäden zieht, ein Dasein im Schatten des Weltfußballers.

Auf der WM-Bühne scheint die Ausgangslage eine andere. Messis Argentinier boten in der südamerikanischen Qualifikation im Gegensatz zum Erzrivalen schwache Vorstellungen. Ronaldo ist mit Europameister Portugal ebenfalls nicht wirklich im Kreis der Favoriten anzusiedeln. Die unter Teamchef Tite schier unschlagbaren Brasilianer hingegen schon. In der Abwehr und im Mittelfeld schnörkellos agierend, vertraut man beim Rekordweltmeister auf Genieblitze in der Offensivabteilung - und damit vor allem auf Neymar.

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Groß war die Aufregung deshalb vor drei Monaten. Im Ligaspiel gegen Olympique Marseille humpelte Neymar vom Feld. Zunächst war nur von einer kurzen Ausfalldauer die Rede, die Meldungen der Folgetage über eine komplizierte Mittelfußverletzung und ein mögliches WM-Aus ließen die Fans in Brasilien aber erschaudern. Unter riesigem Rummel traf der Mann aus Sao Paulo in Rio ein, wo er von Brasiliens Teamarzt operiert wurde. Sein Aufbautraining absolvierte Neymar dann in der Heimat. Täglich lechzten die Medien nach positiven Meldungen.

Das Comeback war dann ganz nach dem Geschmack seiner Fans. Beim 2:0 gegen Kroatien am Sonntag erzielte der zur Pause eingewechselte Angreifer nach herrlichem Solo die Führung. Es schien, als sei ein Ruck durch das gesamte Team gegangen. "Seine Präsenz hat uns besser gemacht", sagte Tite.

Einmal mehr wurden die Fans darin bestärkt, dass der Titelgewinn in Russland nur über Neymars Können möglich ist. In Liverpool traf er zum bereits 54. Mal bei 83 Teameinsätzen. Romarios Tormarke (55) kann Neymar in Wien angreifen, dann sind nur noch Ronaldo (62) und Pele (77) vor ihm.

"Wir sind eine große Mannschaft, aber Neymar hat diese Gabe", meinte Kapitän Thiago Silva nach dem Kroatien-Spiel über seinen Club-Kollegen. Was dem beim ehemaligen Pele-Verein FC Santos zum Weltstar gereiften Angreifer zugutekommt, ist auch, dass er bei der größten Schmach der Brasilianer in den vergangenen Jahrzehnten unbefleckt blieb: Beim 1:7 im Halbfinale der Heim-WM vor vier Jahren gegen Deutschland fehlte Neymar verletzt.

Bei 80 Prozent sei er erst, gab Neymar in Liverpool über seinen Fitnessgrad zu Protokoll. "Glücklich" sei er, wieder spielen zu können. "Es waren harte drei Monate." Tite ließ offen, ob sein Star im Happel-Stadion von Beginn an spielen wird. Den Rummel um seinen Schützling ist der 57-Jährige gewohnt. Auch am Sonntag monierte Brasiliens Coach, die Verantwortung nicht Neymar alleine aufzuladen. "Das wäre unmenschlich. Er ist ein wichtiger Teil, aber nicht alles", betonte er.

Für Mitspieler Philippe Coutinho kann Neymar in Russland seinen Anspruch auf den Weltfußballer-Pokal jedenfalls untermauern: "Messi und Ronaldo sind schon seit vielen Jahren da oben. Es wäre Zeit für andere Spieler, zu beweisen, der Beste der Welt zu sein."

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apa

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