09.11.2016 14:02 Uhr

Oranje vs. Belgien: Auf den Kopf gestellt

Die Niederlande stecken in einer großen Krise
Die Niederlande stecken in einer großen Krise

Schon zum 126. Mal treffen die Niederlande und Belgien am Mittwochabend (ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker) in Amsterdam aufeinander. Die einst zementierten Machtverhältnisse zwischen den Nachbarn haben sich in den letzten Jahren umgekehrt. Mittlerweile sind die Roten Teufel das Maß aller Dinge in Benelux. Die Elftal steckt dagegen mitten in ihrer größten Krise.

Momentan regiert die blanke Angst in den Niederlanden. Nach der 0:1-Niederlage und einer enttäuschenden Leistung im WM-Qualifikationsspiel gegen Frankreich droht der einst so stolzen Fußball-Nation nach dem Verpassen der EURO auch eine Zuschauerrolle bei der kommenden Weltmeisterschaft. Mit mageren vier Punkten liegt der Europameister von 1988 in der WM-Quali-Gruppe A hinter Frankreich und Schweden nur auf Platz drei. 

Die niederländische Tageszeitung "De Telegraaf" beklagte nach der letzten Schlappe gegen die Équipe Tricolore bereits eine holländische "Ohnmacht". Eine Ohnmacht, die mit Hilfe eines Rückkehrers schleunigst überwunden werden soll. Arjen Robben steht gegen Belgien und für das Qualifikationsspiel gegen Luxemburg wieder im Kader des dreimaligen WM-Finalisten. Knapp ein Jahr ist bereits seit dem letzten Länderspiel des Bayern-Stars vergangen. Zahlreiche Verletzungen hatte ein Comeback im Nationaldress immer wieder verhindert.

Auch aufgrund der langen Verletzungspausen war zuletzt Kritik am Altmeister laut geworden. Der ehemalige Bundesliga-Trainer Aad de Mos wetterte öffentlich gegen den Flügelflitzer. "Da ist immer etwas mit dem Glasmann. Nimm Abschied von Robben", forderte der 69-Jährige in Richtung von Nationaltrainer Danny Blind.

Der Bondscoach stellte aber unlängst klar, dem Bayern-Star weiter zu vertrauen. "Wenn Robben fit ist, werde ich ihn auch holen", bekräftigte Blind. Die Haltung des Coaches erscheint mangels aufstrebender Nachwuchshoffnungen alternativlos.

Generationswechsel bei Oranje nicht möglich

Die hoch gehandelten Talente Memphis Depay (22), Vincent Janssen (22) und Davy Klaassen (23) stagnieren aktuell in ihrer Entwicklung. Die Youngster Riechedly Bazoer und Jaïro Riedewald (beide 20), mittlerweile Leistungsträger bei Ajax Amsterdam, kamen zuletzt nur in der niederländischen U21 zum Einsatz.

Dementsprechend baut Blind weiter auf seine Altmeister Robben und Wesley Sneijder. "Es ist nicht leicht, von einer Generation Abschied zu nehmen. Das ist normal im Fußball", unterstrich der Cheftrainer jüngst die Bedeutung seiner Oldies auf dem Weg zur WM.

Der Test gegen Belgien, bei dem Robben ohnehin geschont wird, ist dabei nur eine Durchgangsstation. "Natürlich es ein wunderbares Spiel für den Zuschauer. Aber der Fokus liegt natürlich auf dem Spiel am Sonntag. Das Spiel ist das wichtigere", rückte Southampton-Verteidiger Virgil van Dijk in der niederländischen "telesport" das Duell mit Luxemburg in den Vordergrund.

Auch Angreifer Janssen bekräftigte kürzlich: "Wir haben nur ein Ziel: zur WM zu fahren. Dafür werden wir 100 Prozent geben."

Vertonghen sieht Belgien als Favorit

Ganz anders schätzt der ehemalige niederländische Nationalspieler Johan Boskamp die Stimmung beim Nachbarn Belgien ein. "Ich habe das Gefühl, dass dieses Spiel für Belgien wichtiger ist als das kommende WM-Qualifikationsspiel. Wenn die Belgier gegen uns spielen, haben sie das gleiche Gefühl, wie wir bei unseren Duellen gegen Deutschland. Die Motivation wird sehr groß sein", sagte der 68-Jährige dem "Telegraaf".

Belgiens Jan Vertonghen schien diese Einschätzung bestätigen zu wollen. "Es geht in Amsterdam zwar nicht um Punkte, aber wir wollen auf jeden Fall gewinnen. Wir gehen als Favorit ins Spiel und wollen das bestätigen", äußerte sich der Tottenham-Star gegenüber dem "Algemeen Dagblad". Gleichzeitig warnte Vertonghen davor, den Gegner zu unterschätzen: "Sie haben immer noch einzelne Top-Spieler."

Medien erwarten "Zwei-Klassenunterschied"

Im Gegensatz zum Nachbarn liegen Lukaku und Co. aktuell auf WM-Kurs. Nach drei Spielen grüßt die Mannschaft von Roberto Martinez mit neun Punkten vom ersten Tabellenplatz. Besonders in der Premier League glänzen die belgischen Top-Stars, wie der wiedererstarkte Eden Hazard, Romelu Lukaku oder Kevin de Bruyne, Woche für Woche.

Sogar Sorgenkind Christian Benteke fand in der Nationalmanschaft zu alter Form zurück. Gleich dreimal traf der 25-jährige Stürmer im letzten Pflichtspiel gegen Fußballzwerg Malta (6:1).

Dementsprechend selbstbewusst gibt sich auch die belgische Medienlandschaft vor dem Klassiker. "Es gibt einen Zwei-Klassenunterschied zwischen den Niederlanden und Belgien. Es sollte ein klares 5:0 werden", schrieb beispielsweise die Tageszeitung "Het Laatste Nieuws". Selbst Boskamp räumte vor dem Traditionsduell nüchtern ein: "Belgien ist klarer Favorit. Die Belgier spielen alle in den großen Ligen und sind in Top-Form."

Im Kampf gegen die niederländische Ohnmacht könnte das Duell gegen den ewigen Rivalen aber zum richtigen Zeitpunkt kommen. Mit einem Sieg gegen den Weltranglistenvierten können Sneijder und Co. zuletzt fehlendes Selbstvertrauen für die WM-Quali tanken. Auch die holländische Angst dürfte sich mit einem Erfolgserlebnis vorerst verflüchtigten.

Falk Velten

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