11.07.2015 15:29 Uhr

"Teó"retisch ein ganz Großer

Sorgte in seiner Karriere immer wieder für Negativschlagzeilen: Teófilo Gutiérrez
Sorgte in seiner Karriere immer wieder für Negativschlagzeilen: Teófilo Gutiérrez

Torjägerqualitäten auf der einen, Skandale auf der anderen Seite: Theoretisch ist er ein ganz Großer, in der Praxis wird der kolumbianische Stürmer Teófilo Gutiérrez eher als Problemspieler in die Geschichte eingehen.

Mit einem kuriosen Ereignis beim Derby zwischen Independiente und Racing im April 2012 wird in Südamerika der Name Teófilo Gutiérrez auf ewig in Verbindung gebracht: Zwar als Torjäger etabliert, hatte der Kolumbianer nach einigen unnötigen Roten Karten - nach Schwalben oder Meckerei - bei Racing einen schwierigen Stand. Coach Alfio Basile hatte ihn immer wieder zur Contenance angehalten und "Teo betete vor den Spielen sogar mit einem extra aus Kolumbien eingeflogenem Priester", erzählte "el Coco" Basile Jahre später. Doch geholfen hat diese Maßnahme nicht.

Ausgerechnet im Duell gegen den Erzrivalen Independiente steht Basiles Job in jenem April auf der Kippe. Gutiérrez bringt "la Academia" in der ersten Halbzeit in Führung, allerdings dreht Independiente das Spiel nach dem Seitenwechsel. Bevor der "Clásico de Avellaneda" in seine heiße Endphase geht, verweist der Schiedsrichter "Teó" des Feldes. "Rot wegen Meckerns" steht später im Spielbericht - Racing verliert am Ende deutlich mit 1:4.

Mit einer Pistole bedroht er Mitspieler

Nach der Begegnung kommt es zu Tumulten in der Kabine von Racing. Einige Mitspieler, angeführt von Torhüter Saja, geraten mit Gutiérrez aneinander. Im Gerangel greift "Teó" zu seiner Sporttasche und zieht eine Schusswaffe, um sich seine Kameraden vom Leib zu halten. Zwar handelt es sich "nur" um eine Paintball-Pistole, dennoch endet in diesem Moment das Kapitel von "Teó" bei Racing. Gutiérrez verlässt das Stadion allein im Taxi und wird noch am selben Abend suspendiert.

Es war nicht das erste Mal, dass der Spieler aus der Hafenstadt Barranquilla sich unsäglich von seinem Arbeitgeber verabschiedet. 2010 etwa wechselt er zu Trabzonspor, gewinnt mit dem Klub vom Schwarzen Meer den türkischen Pokal und trägt mit einem Hattrick sogar zum Gewinn des Supercups bei. Aber mit dem Verweis auf "gesundheitliche Probleme" verlässt er 2011 Hals über Kopf Trabzon und verlebt einige Monate inaktiv in der kolumbianischen Heimat.

Hohes Standing in der Heimat

Dort fühlt Gutiérrez sich besonders wohl, denn in seiner Heimat genießt der Stürmer ein ganz anderes Standing. Obwohl weniger bekannt in Europa, hatte er trotz der formidablen Konkurrenz von Carlos Bacca, Jackson Martínez und Co. in der Offensive der kolumbianischen Nationalmannschaft in den letzten Jahren unter Trainer Pekerman meist eine Stammplatzgarantie.

Zweifelsohne ist er ein Kämpfer und torgefährlich, aber seine Leistungen schwankten auch bei dieser Copa América sehr. Sein Bonus bei den "Cafeteros" ist wohl auch mit seiner Herkunft zu begründen. Denn in seiner Heimat Barranquilla trägt Kolumbien alle Heimspiele aus, so dass "Teó" seit jeher ein großer Publikumsliebling ist und die Massen begeistert.

Auch bei seinem aktuellen Verein River Plate hat Gutiérrez grundsätzlich einen positiven Stand – zumindest bei den Fans auf der Tribüne. Mit den "Millonarios" gewann er die argentinische Meisterschaft und Ende vergangenen Jahres die Copa Sudamericana. Persönlich wählt man ihn 2014 als Nachfolger von Neymar und Ronaldinho gar zum "wertvollsten Spieler des Kontinents". Aber nur wenige Monate später scheint auch dieses Tuch zerrissen.

Transfertheater nach der Copa América

Bereits während der Copa América in Chile war das Transfergeflüster um Teófilo Gutiérrez Teil der täglichen Berichterstattung. Sporting Lissabon und Corinthians Sao Paulo wurden als Interessenten kolportiert. River Plates Trainer Gallardo äußerte schließlich, dass keiner gezwungen werde, bei River zu bleiben. Allerdings will der 30-Jährige gar nicht weg, behauptet sein Berater, der die Ursache woanders sieht. "Der Verein schuldet ihm die Gehälter von Januar bis Juni, ebenso fehlen Prämienzahlungen."

Ein Vorwurf, den River Plates Vereinspräsident D'Onofrio nicht auf sich sitzen lässt. "Lediglich die Prämie für die Halbfinalqualifikation in der Copa Libertadores steht aus", beteuert er. So oder so: An einem Verbleib des Kolumbianers scheint bei River spätestens seit der neuesten Posse niemand mehr interessiert. "Wenn ein konkretes Angebot kommt, kann er gehen. Wenn nicht, spielt er sicher nicht mehr in der ersten Mannschaft von River", schließt D'Onofrio alle Türen.

Abschied beschlossen

In Brasilien verabschiedete sich derweil ein Interessent aus der Pokerrunde und wirft River vor, gar nicht verhandeln zu wollen: "Wir haben ein Angebot abgegeben und über eine Woche lang keine Antwort von River Plate erhalten", so der Präsident von Corinthians. "Das entspricht einer Absage".

Während Gutiérrez in Barranquilla verweilt und sich bei seinem Ex-Klub Junior ehren lässt, mangelt es Rivers Trainer Gallardo nicht an Spielermaterial – insbesondere nicht in der Offensive. Schließlich hat der argentinische Rekordmeister zuletzt eine ganze Reihe zurückkehrender Altstars verpflichtet, die sich vermutlich, angelockt durch den kurzen Weg zu einem Sieg der Copa Libertadores, mit geringen Gehältern zufrieden gegeben haben.

Gutiérrez und sein Berater haben derweil die Forderung nach Gehaltsnachzahlungen von 600.000 US-Dollar formell vorgelegt. Scheinbar musste Großverdiener Teófilo Gutiérrez weichen und verlässt – mal wieder – in Zwietracht einen Arbeitgeber.

Mehr dazu:
>> River Plate holt Altstars zurück

Mehr aus der Südamerika-Kolumne:
>> Pekerman: Der Ziehvater als Gegner
>> Vidals Autounfall löst Erdbeben aus
>> Argentinier geben den Ton an
>> Carlitos und der "Tévez vor Tévez"
>> Chiles goldene Generation der "Flegel"

Für weltfussball berichtet aus Südamerika: Viktor Coco

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten