12.07.2014 13:13 Uhr

Neymar: Applaus, Tränen und ein Verzeihen

Neymar Jr.
Neymar Jr.

Am Tag nach seiner Rückkehr ins Seleção-Quartier rechnete Superstar Neymar mit der WM ab. Es klang ehrlicher als alles, was bisher aus dem Dunstkreis der Brasilianer zu hören war.

Der Applaus galt einem 22-Jährigen, der durch die schwerste Woche seines Lebens gegangen war und davon ohne Scham erzählte. Der nach einer historischen Niederlage seines Teams seinen Kopf hinhielt, obwohl er gar nicht mitgespielt hatte. Der sich hinter Floskeln hätte verstecken können, aber stattdessen mit seiner Offenheit selbst Kritiker beeindruckte. Neymar hatte wieder die Bühne betreten.

Fast 40 Minuten gewährte Brasiliens verletzter WM-Star am Donnerstag, wenige Stunden nach seiner Rückkehr ins brasilianische WM-Quartier, den erhofften Blick hinter die Fassade nach dem 1:7-Debakel gegen Deutschland, nach dem geplatzten Traum vom Titel daheim. Neymar verteidigte, prangerte an, wirkte trotz brüchiger Stimme standfest, bis dann doch die Tränen durchbrachen, aber am Ende ein Lächeln siegte.

"Wir haben versagt"

"Wir haben nur einen durchschnittlichen Fußball geboten und es deshalb auch nur bis ins Halbfinale geschafft. Das war nicht der Fußball einer brasilianischen Seleção", sagte der vierfache Turnier-Torschütze, der bekannte: "Wir haben versagt, Fehler begangen und zu wünschen übrig gelassen."

Und während der in der Heimat heftig kritisierte Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari noch am Vortag in einem peinlichen Versuch die positiven Resultate der letzten eineinhalb Jahre dem sechsminütigen Blackout im WM-Halbfinale gegenüberstellte, gestand Neymar schonungslos: "Wir sind gescheitert."

Neymar drückt Argentinien die Daumen

Einfach wäre es gewesen, nun den Deutschen im Finale die Daumen zu drücken. Doch auch hier bot Neymar Bemerkenswertes: "Ich hoffe, dass Messi und Mascherano gewinnen. Messi hat es verdient, Weltmeister zu werden." Seine Sympathien vor dem WM-Finale des historischen Erzrivalen und Nachbarn am Sonntag lägen nicht bei Argentinien, wohl aber bei seinen Barça-Klubkollegen Lionel Messi und Javier Mascherano.

Neymar weiß die Dinge zu trennen. Er fand harte Worte für den Tritt von Juan Zuniga, der ihm den Querfortsatz des dritten Lendenwirbels brach und seinen WM-Traum jäh beendete, verwehrte dem Kolumbianer, der ihn am nächsten Tag anrief, aber nicht die Verzeihung.

"Es war eine Aktion, mit der ich nicht einverstanden bin, die ich so nicht akzeptiere. Aber ich werde jetzt nicht sagen, dass es Absicht war", sagte der Jungstar, sichtlich um die Wahl der richtigen Worte bedacht. Unter Tränen fuhr er aber fort: "Zwei Zentimeter weiter nach innen, und ich säße jetzt im Rollstuhl."

"Eine der schlimmsten Wochen meines Lebens"

Und wann hat es das schon einmal gegeben, dass ein Weltstar seinen Berater öffentlich rügte? Die Meinung von Wagner Ribero, der WM-Coach Scolari als "alt, dumm, arrogant, widerlich, überheblich und lächerlich" beschimpft hatte, sei "inakzeptabel".

Am Ende "einer der schlimmsten Wochen meines Lebens" fand Neymar doch noch sein Lachen wieder. Als ein Journalist ihm verriet, dass sein Sohn ein Fan von ihm sei, stieg der Superstar die letzte Stufe hinab, fragte nach dem Namen des Jungen und dankte grinsend: "David, eine Umarmung für dich."

Ein kurzes Winken, ein Augenzwinkern, dann trat ein Sieger von der Bühne ab - Applaus brandete auf.

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sid

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