18.11.2018 08:18 Uhr

Gerd Müller: Vom Himmel in die Hölle und zurück

Gerd Müller erzielte 365 Bundesligatore für den FC Bayern
Gerd Müller erzielte 365 Bundesligatore für den FC Bayern

Am 18. November 1978 erzielt Gerd Müller sein letztes von 365 Bundesligatoren für den FC Bayern München. Wenige Monate später überwirft sich Müller mit Trainer Pál Csernai und verlässt "seinen" Klub. Danach beginnt der tragische Abstieg des legendären Stürmers.

Gerd Müllers letzter Treffer in der Fußball-Bundesliga ist nur Ergebniskosmetik. 0:2 liegt der FC Bayern an jenem Novembernachmittag auf dem Betzenberg beim 1. FC Kaiserslautern zurück. In der 84. Spielminute erzielt Müller das einzige Tor seiner Mannschaft.

Danach läuft er nur noch fünfmal für den Rekordmeister auf. In allen Partien geht der beste deutsche Torjäger aller Zeiten leer aus. Den damals 33-Jährigen plagen im Herbst seiner Karriere die Folgen eines Bandscheibenvorfalls.

Dass die Bayern ihrem Kapitän nur noch einen leistungsorientierten Vertrag anbieten, fasst dieser als Affront auf. Als Trainer Pál Csernai ihn beim Auswärtsspiel gegen Eintracht Frankfurt erstmals in seiner Karriere aus sportlichen Gründen vorzeitig auswechselt, trifft Müller den Entschluss, München zu verlassen - zumindest zeitweise.

Ab April 1979 spielt der alternde Star bei den Fort Lauderdale Strikers in der nordamerikanischen Profiliga NASL. Im Herbst kehrt er nach München zurück und hält sich ausgerechnet bei Bayerns Erzrivale 1860 München fit. "Alles lief bestens, solange ich gekickt habe", resümiert Müller später.

Gerd Müller verfällt der Alkoholsucht

Denn nach dem endgültigen Karriereende im Sommer 1981 tritt statt des Fußballs eine große Leere ins Leben des "Bombers".

Müller hat keinen Job, sitzt tagelang alleine zuhause. Der Alkohol wird sein ständiger Begleiter. Er trinkt, wie er selbst in seiner Biografie schildert, "hier ein bisserl und da ein bisserl" - aber immer ein bisschen mehr.

Gegenüber den Weggefährten aus seiner Zeit beim FC Bayern kann Müller seine Abhängigkeit bald nicht mehr verheimlichen. Auch die Münchner Presse bekommt Wind von der Sache. Gerüchte über den tiefen Fall des einstigen Helden machen die Runde.

Uli Hoeneß überredet Gerd Müller zum Entzug

Im Herbst 1991 hat die Schädigung seines Körpers lebensbedrohliche Ausmaße erreicht. Ex-Teamkamerad Uli Hoeneß, inzwischen Manager des FC Bayern, überzeugt Müller, sich in eine Entziehungskur zu begeben.

Fünf Tage liegt der Weltmeister von 1974 auf der Intensivstation. "Null Erinnerung" habe er an diese Zeit, schildert Müller in einem Krankenhaus-Tagebuch der "Bild"-Zeitung. "Für mich sind diese Tage ein schwarzes Loch. Totaler Filmriss."

Hoeneß besucht den Freund jeden Tag in der Klinik. Zumindest, bis die Ärzte den prominenten Patienten zur weiteren Genesung ins künstliche Koma versetzen. Müller übersteht die Tortur - und bleibt nach seinem Entzug tatsächlich trocken.

"Dass ich die Sucht bezwungen habe, war mein größter Sieg, wichtiger noch als der WM-Titel", blickt er einmal zurück.

FC Bayern wird zum Auffangbecken für Gerd Müller

Nachdem der tiefste Tiefpunkt überwunden ist, wird der FC Bayern zum Auffangbecken für Müller.

1992 tritt er eine Anstellung als Torwart- und Stürmertrainer im Jugendbereich an, wird später Co-Trainer bei den Amateuren, zeitweise auch im Profi-Team, arbeitet als Scout und Sponsorenbetreuer.

"Ich bin vollkommen glücklich, und ich bin beschäftigt", sagt er in einem Interview aus dem Jahr 1993. So klingt ein Mann, der mit sich und der Welt im Reinen ist.

Als Müller fast 20 Jahre später wieder Negativschlagzeilen schreibt, stellt sich der FC Bayern erneut vor die Klub-Ikone.

2011 während des Trainingslagers der Münchner Reservemannschaft in Trient verschwindet der inzwischen 66-Jährige für 13 Stunden spurlos, wird später verwirrt und orientierungslos aufgegriffen.

Er habe in einem Taxi aus der norditalienischen Stadt zurück nach München fahren wollen, sei aus Geldmangel aber nur bis zum Bahnhof in Trient gekommen, berichtet "Bild".

2015: FC Bayern macht Alzheimer-Diagnose von Gerd Müller öffentlich

Erst vier Jahre später im Oktober 2015 anlässlich Müllers 70. Geburtstags macht der Verein die Hintergründe öffentlich: Der Ex-Fußballer ist schwer erkrankt, die Diagnose lautet Alzheimer.

"Trotz unübersehbarer Zeichen seiner Erkrankung", lobt Prof. Dr. Hans Förstl, der behandelnde Arzt, sei es "über viele Jahre perfekt gelungen, Gerd Müller ins Vereinsleben zu integrieren."

Der Mediziner ergänzt: "Das war sehr wichtig, weil es jedem Menschen mit einer beginnenden Alzheimer Demenz nur zu wünschen ist, dass er sich so lange wie möglich in seinem vertrauten Umfeld, in dem er sich wohl fühlt, aufhalten kann."

Abseits der Öffentlichkeit wird Müller heute mit Unterstützung seiner Familie professionell betreut.

Tobias Knoop

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