13.06.2008 23:45 Uhr

Frankreich zittert und «Oranje» tanzt

Bern (dpa) - 3:0 gegen Weltmeister Italien, 4:1 gegen den Vize-Weltmeister - der «Oranje»-Torexpress aus den Niederlanden überrollte die Konkurrenz und rauschte mit Volldampf ins EM-Viertelfinale.

«Wir sind überglücklich. Das habe ich so nicht erwartet. Diese Mannschaft hat Teamgeist», lobte Marco van Basten. Wesley Sneijder lief zu den Spielerfrauen, schnappte sich den kleinen Jessey und tanzte mit seinem Söhnchen auf dem Arm ausgelassen über den Rasen. Sekunden zuvor hatte der 24-Jährige von Real Madrid mit einem Traumtor in den Winkel (90.+2) zum 4:1 (1:0) gegen Frankreich den Startschuss zu einer weiteren holländischen Party-Nacht in Bern mit mehr als 110 000 Fans gegeben.

Auch Rafael van der Vaart kann kaum fassen, dass die «Elftal» mit Leichtigkeit zum Sieg in der Giganten-Gruppe C spazierte. «Wenn wir vorher gesagt hätten, dass wir nach zwei Spielen sechs Punkte haben, hätte uns keiner geglaubt - und wir hätten es wohl selbst nicht geglaubt.» Der HSV-Star mahnte aber wie Sneijder («Lass uns feiern, aber nicht zu viel!») vor Übermut: «Es war ein schöner Anfang, zwei schöne Spiele - aber wenn wir im Viertelfinale ausscheiden, bringt das auch nichts. Wir müssen konzentriert weiterarbeiten.»

Den entzauberten Franzosen steht in der Neuauflage des WM-Finals 2006 nun ein Zitter-Endspiel gegen die punktgleichen Italiener (1 Zähler) am Dienstag in Zürich bevor. Beim Kampf ums EM-Überleben sind sie abhängig von der Gunst der Niederländer im Spiel gegen die Rumänen (2), die den Einzug in die K.o.-Runde selbst in der Hand haben. Den reizvollen Gedanken, sich mit einer Niederlage auf einen Schlag beide WM-Finalisten vom Hals zu schaffen, mochte Bondscoach van Basten aber nicht zu Ende spinnen. «Wir bereiten uns gewissenhaft auf Rumänien vor. Wir müssen nicht gewinnen, aber wir haben eine Verpflichtung den Fans gegenüber.»

Schließlich sollen die Berner Festspiele in Orange weitergehen. «Es ist ein Märchen, es geht eigentlich nicht. Aber es ist wahr», jubelte «De Volkskrant» am Samstag. Auch Alexander Tschäppät hofft auf eine Fortsetzung. Der Stadtpräsident sprach angesichts der Fan- Invasion vom «größten Ereignis in Bern seit der WM 1954». Nach Tätlichkeiten, Sachbeschädigungen und einer Messerstecherei wurden zwar rund 100 Personen vorübergehend festgesetzt. Angesichts der Menschenmassen zeigte sich die Polizei aber zufrieden mit der Bilanz.

Die Grande Nation hat ganz andere Sorgen. «Jetzt hilft nur noch beten», titelte die Sportzeitung «L'Équipe», und selbst Raymond Domenech hegt erhebliche Zweifel am Weiterkommen. Voraussetzung wäre ein Sieg über Italien. Mit Schützenhilfe rechnet Frankreichs Trainer aber nicht. «Die Holländer werden nicht mehr mit einer solchen Energie gegen Rumänien spielen wie gegen Italien und uns. Sie werden einige neuen Spieler einsetzen», meinte er. Das erste Vorrunden-Aus einer «Équipe Tricolore» seit der EM 1992 droht wie ein Schreckgespenst. «Wir können nicht besonders optimistisch sein. Aber als Profi musst du immer an die Chance glauben», sagte Domenech.

Wie den Italienern erteilten die endgültig zum Turnierfavoriten aufgestiegenen Oranjes auch den Franzosen eine Lektion in Sachen Effektivität. Die frühe Führung durch Dirk Kuyt (9.) gab Sicherheit, die klugen Einwechslungen von Arjen Robben und Robin van Persie erwiesen sich als taktischer Glücksgriff van Bastens, der damit Entlastung schaffte. Van Persie (59.) erzielte das 2:0, Robben beantwortete den 1:2-Anschlusstreffer von Thierry Henry (71.) nur Sekunden später mit dem K.o.-Schlag zum 3:1. Zwischenzeitlich allerdings mussten der exzellente Torhüter Edwin van der Sar und seine Abwehr einige brenzlige Situationen überstehen. «Wir hatten auch ein wenig Glück. Wir haben die Tore zur richtigen Zeit gemacht, das hat uns sehr geholfen», analysierte van Basten.

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten