01.07.2004 23:45 Uhr

David gegen Goliath im Stadion des Drachen

Beim Aufeinandertreffen von Topfavorit Tschechien und Außenseiter Griechenland wird heute der zweite Finalist neben Gastgeber Portugal ausgespielt. Dabei prallen heute Abend um 20:45 Uhr nicht nur David und Goliath aufeinander, sondern auch zwei sehr unterschiedliche Spielauffassungen. „Grieche“ Otto Rehhagel hat es während der EM geschafft, aus einem Pulk von Individualisten ein zusammenhängendes Kollektiv zu bilden, dass durch disziplinierten Abwehrfußball bis ins Semifinale vorrücken konnte. Demgegenüber stehen Karel Brückners Tschechen, die vor allem durch ihr erfrischendes Offensivspiel zu begeistern wussten.

Rehhakles setzt auf kontrollierte Defensive

Keine Frage – ebenso wie gegen Titelverteidiger Frankreich wird König Otto seine Mannschaft heute Abend sehr defensiv aufstellen, um damit zu versuchen, das tschechische Aufbauspiel im Keim zu zerstören. Auch wenn eigentlich alles gegen die Hellenen spricht, glauben die Griechen weiterhin an den ganz großen Coup vom Titelgewinn. Angelos Charisteas, seit seinem Tor gegen Frankreich umworbener Angreifer vom SV Werder Bremen, spricht somit auch voller Selbstvertrauen vom Finaleinzug: „Wir sind jetzt so weit gekommen, haben den Europameister aus dem Rennen geworfen und wollen noch mehr. Warum sollen wir nicht auch ins Finale einziehen?“. Doch gegen den heutigen Gegner wird es zweifelsohne schwerer als gegen die trägen Franzosen, die das Rehhagelsche Abwehrbollwerk nicht durchbrechen konnten. Außerdem verliert der an Nummer 57 der FIFA-Weltrangliste geführte Außenseiter langsam aber sicher seine Stellung als Underdog. Rehhagel selber bezeichnet die Tschechen zwar als Favorit, hofft aber auf das „Drachenstadion“ in Porto als Glücksbringer, konnte hier doch im Viertelfinale Titelverteidiger Frankreich ausgeschaltet werden. Taktisch gesehen gibt es kaum Spekulationen über eine Veränderung der ersten Elf, auch wenn „Trainerfuchs“ Otto Rehhagel immer für überraschende strategische Kniffe gut ist. Wahrscheinlich tritt der Außenseiter mit der gewohnt destruktiven Formation an.

Einer für alle und alle für Poborsky

Im Mittelpunkt der Tschechen steht heute Karel Poborsky, der sein 99.Länderspiel absolviert und den Eintritt in den „Hunderterklub“ unbedingt im am Sonntag anstehenden Finale feiern will. Seine Teamkollegen um Milan Baros wollen für ihren „Lehrmeister“ also alles geben: „Wir wollen alle für Karel gewinnen!“, fügt Borusse Tomas Rosicky an, der den Senior im Team der Tschechen als „großen Bruder“ bezeichnet. Poborsky selber, übrigens kein Mann der großen Worte, scheut den großen Medienrummel um seine Person und ging den Pressevertretern in den letzten Tagen aus dem Weg. Wie wichtig er wirklich für seine Mannschaft ist, zeigt ein Blick auf die Scorerwertung der Europameisterschaft. Schon vier Tore hat der Mittelfeldspieler vorbereitet, darunter die beiden ersten im Spiel gegen Dänemark. Allen voran erfreut dies natürlich Vollstrecker Milan Baros, der bei der EM-Endrunde insgesamt schon fünf Mal erfolgreich war. „Karel macht meinen Job leichter. Es ist ganz einfach, er bereitet die Tore vor und ich mache sie!“, stellt der „Red“ Baros die Bedeutung des 32-jährigen heraus.
Trainer Karel Brückner, fast schon Volksheld in Tschechien, erwartet von seiner Mannschaft jedoch keinen Hurra-Fußball, sondern ein diszipliniertes und vorsichtiges Spiel. Gewarnt ist er durch die Siege der Griechen gegen die überheblichen Portugiesen im Eröffnungsspiel der EM und den Viertelfinalsieg gegen Titelverteidiger Frankreich. Somit wird er, wie schon gegen Dänemark, eher eine bedächtige Aufstellung wählen, um Griechenland langsam aber sicher aus der Reserve zu locken. Auch wenn der Favorit ohne Angst in die Partie gehen wird, fürchten sie doch die Konterangriffe des Gegners, von denen einer schon das Ende der Franzosen eingeläutet hatte.

Abteilung Attacke gegen Abwehrbollwerk

Vor dem zweiten Halbfinale sind alle Voraussetzungen gegeben, die Favoritenrolle ist verteilt. Auch wenn den beiden Trainerfüchsen Otto Rehhagel und Karel Brückner noch der ein oder andere taktische Kniff zuzutrauen ist, wird es wohl eine Abwehrschlacht vor dem griechischen Tor geben. Dennoch muss die Tschechische Republik auf die Konter der Griechen gefasst sein - unterschätzt wird die Mannschaft des neuen Volkshelden Otto Rehhagel spätestens seit dem Viertelfinalsieg gegen Frankreich eh nicht mehr. Alle Fußballinteressierten sind also gespannt, wer am Sonntag gegen den Gastgeber Portugal das Endspiel bestreiten darf. Die deutschen Fans werden sicherlich König Ottos Mannen die Daumen drücken, schließlich besiegelten die Tschechen mit dem 2:1 in der Vorrunde das Aus unserer Mannschaft. Verdient hätten es jedoch beide Teams, einerseits aufgrund eines erfrischenden Offensivfußballs von Nedved & Co., andererseits einfach aus Sympathie für den Underdog aus Südeuropa.

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