04.07.2004 23:45 Uhr

Griechenland siegt – das Wunder von Lissabon

Es ist vollbracht. Griechenland ist Europameister. Mit einer - wieder mal - sehr disziplinierten Leistung schlägt die Elf des gebürtigen Esseners Otto Rehhagel Gastgeber Portugal mit 1:0. Damit ist das viel zitierte Fußballwunder perfekt. Der nach Lettland wohl größte Außenseiter im illustren Kreise der 16 EM-Teilnehmer holt sich den Pokal und schlägt dabei die gesamte kontinentale Fußballelite – egal ob Portugal, Titelverteidiger Frankreich oder Topfavorit Tschechien.

Augenblicke für die Ewigkeit

Otto Rehhagel selber blieb bei einem Interview direkt nach dem Spiel gewohnt sachlich „Wir haben auch heute unsere Möglichkeiten wieder ausgespielt. Der Gegner war zwar technisch besser, aber die Tore müssen sie schon selber schießen.“, weiß aber auch um die Bedeutung des von ihm Geschaffenen „Es ist ein ganz außergewöhnliches Ereignis für den griechischen Fußball. Griechenland hat heute Fußball-Geschichte geschrieben.“ In die gleiche Kerbe schlägt auch Angelos Charisteas, Schütze des goldenen Tores und bis dato Bankdrücker beim deutschen Meister Werder Bremen „Das ist unglaublich für den griechischen Fußball. Heute müssen alle Griechen feiern - überall, ob in Deutschland, Australien oder sonst wo.“.

Defense wins Championships

Das Spiel selber bot – bis auf den Ausgang – wenig Überraschendes. Beide Trainer vertrauten auf Ihre gewohnte Elf – mit einer Ausnahme: Rehhagel musste auf den gelb-gesperrten Karagounis verzichten und stellte statt seiner den etwas defensiver agierenden Giannakopoulos auf. Portugal bemühte sich, das Spiel zu machen, hatte aber gegen die taktisch hervorragend eingestellten und wieder sehr diszipliniert spielenden Hellenen viel Mühe. Dellas, Seitaridis und Co. ließen in den ersten 45 Minuten keine richtige Torchance zu und hatten zudem in Keeper Nikopolidis einen ausgesprochen sicheren Rückhalt. Auf der anderen Seite sorgte ein emsiger Angelos Charisteas – unterstützt von Vryzas und Katsouranis – regelmäßig für Gefahr in der portugiesischen Hälfte, aber ohne das Tor von Ricardo ernsthaft zu gefährden.

Ecke, Kopfball, Tor

In der zweiten Halbzeit dreht der Gastgeber auf. Spielmacher Deco, Champions League Sieger mit Porto, und Jungspund Christiano Ronaldo erhöhten durch ihre individuelle Klasse und gekonntes Kurzpaßspiel den Druck auf das griechische Defensivbollwerk, konnten aber nach wie vor keine guten Einschußmöglichkeiten heraus spielen.
In der 57. Minute sollte sich die Abschlußschwäche bitter rächen: Eine perfekt getimte Basinas-Ecke landet auf dem Schopf von Charisteas. Der Torjäger steigt höher als Costinha und drückt den Ball über die Linie. Keeper Ricardo steht zu weit vom Geschehen entfernt, um noch eingreifen zu können.

Griechen weiter clever

Wer von den 62.885 Zuschauern im Estadio da Luz nun einen Sturmlauf der Portugiesen erwartet hatte, sah sich etwas enttäuscht. Der Gastgeber war zwar stetig bemüht und verstärkte durch die Hereinnahme von Rui Costa und Nuno Gomez die Offensive, fand aber gegen die Rehhagel-Elf weiterhin keine Mittel. Die beste Möglichkeit hatte Superstar Luis Figo, der nur bedingt an die überragende Halbfinalleistung anknüpfen konnte. In der 89. Spielminute setzte er sich gegen drei Verteidiger durch, sein Drehschuß aus 18 Metern wurde aber noch leicht abgefälscht.
Die größte Gefahr hatte der Kasten von Nikopolidis ein paar Minuten zuvor zu überstehen: Ein Zuschauer war den Sicherheitsleuten entwischt, eilte auf das Spielwelt, sprang mit Anlauf in das Griechen-Tor und musste sich dann doch der Übermacht der Ordnungskräfte geschlagen geben.

Markus Merk souverän

Der deutsche Schiedsrichter Dr. Markus Merk ließ sich durch diese Szene ebenso wenig aus dem Konzept bringen, wie durch Rehhagel-Kumpanei-Vorwürfe in der portugiesischen Presse. Er war immer auf Ballhöhe, lag bei jeder wichtigen Entscheidung richtig und zeigte insgesamt viel Fingerspitzegefühl. Eine rundum gelungene Leistung.

Es fehlen die Superlativen

Ganze Heerscharen von Journalisten – egal ob TV, Hörfunk, Print oder Online – sind nun auf der Suche nach neuen Superlativen und graben sich immer tiefer in griechische Mythen und Heldensagen. Doch wirklich Neues ist dabei kaum zu erwarten: Schon durch das Erreichen der Endrunde, dem Überstehen der Gruppenphase, dem Halbfinale und schließlich die Endspielteilnahme haben die griechischen Auswahlkicker um Coach „Rehakles“ immer wieder kleine Fußballwunder geschaffen und immer neue mediale Würdigungen erhalten. Aber irgendwie werden sie doch wieder herhalten dürfen: Antipatros von Sidon oder Philo von Byzanz, denen beiden eine (leicht abweichende) Auflistung der sieben antiken Weltwunder zugerechnet wird, Iason und seine Segelfreunde auf der Argo, die Akropolis, Zeus etc. Aber warum auch nicht. Verdient haben sich das König Otto, Charisteas, Zagorakis und Co. alle Mal.

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