30.10.2004 18:30 Uhr

Schalke 04 mausert sich zum Titelkandidaten

Gelsenkirchen (dpa) - Es waren die wahrscheinlich verrücktesten 99 Start-Sekunden in der Geschichte der Bundesliga. 1:0 durch Ailton nach 38 Sekunden, 2:0 durch Lewan Kobiaschwili nach 1:39 Minuten.

Der FC Schalke 04 und der VfB Stuttgart haben das Kuriositäten-Kabinett der Eliteklasse um ein rekordverdächtiges Schmankerl bereichert, das fast alle Beteiligten auf dem Rasen und die 61 524 Zuschauer in der ausverkauften Arena AufSchalke ins Schwärmen geraten ließ. «Das war ein fantastisches Fußballspiel, das wollen die Leute sehen», stimmte Schalke-Trainer Ralf Rangnick nach dem 3:2 (3:2) gegen seinen früheren Club ein Loblied an.

Und schon reifen königsblaue Träume vom ersten Titel seit 1958. «So ist Schalke ein guter Kandidat für die deutsche Meisterschaft», ließ sich Torjäger Ailton im Überschwang der Glücksgefühle entlocken und war auch überhaupt nicht sauer, dass er in der 67. Minute durch Gustavo Varela ersetzt wurde: «Ich feiere jetzt mit meiner Familie die drei Punkte.» Doch zumindest reden will er mit Rangnick: «Er hat mich zu früh ausgewechselt.» Drei Spiele, drei Tore - allein schon wegen der Quote hätte der Brasilianer gern weiter gemacht.

Doch ob mit oder ohne Ailton: Die Schalker stürmen mittlerweile «im ICE-Tempo» (Rangnick) durch die Liga und sind nach dem fünften Sieg im fünften Bundesligaspiel - Rekord für einen Einsteiger auf der Schalker Trainerbank - unter ihrem neuen Chefcoach schon Tabellen-Zweiter vor dem VfB. Dennoch hebt keiner ab, im Gegenteil: «Wir haben eine Superserie hinter uns, aber natürlich haben wir noch nichts geschafft», warnte Ailton-Sturmpartner Ebbe Sand.

Die Warnung kommt zur rechten Zeit. Denn nach dem 3:0 durch Lincoln (25.) und einem vermeintlich entschiedenen Spiel ließen sich die Schalker von den Schwaben fast noch die Butter vom Brot nehmen. Doch die Treffer von Zvonimir Soldo (30.) und Imre Szabics (33.) konnten die dritte Niederlage des VfB hintereinander nicht mehr verhindern. «Ja, wenn die ersten zwei Minuten nicht wären», rätselte VfB-Trainer Matthias Sammer noch lange nach Spielende über die Ursachen des kollektiven Versagens in der Anfangsphase.

Er habe keine Erklärung, man müsse erst einmal in Ruhe analysieren, meinte Sammer. Lob gab es - aber nur für 88 Minuten: «Die Moral ist in Ordnung, das hat man daran gesehen, dass die Mannschaft ins Spiel zurückgefunden hat.» Doch mit dem 2:3 verspielte der VfB innerhalb von einer Woche neun Punkte, was Torhüter Timo Hildebrand verbal trefflich auf den Punkt brachte: «Es war einfach eine Scheißwoche.» Die Formulierung Krise, die sich der zu Saisonbeginn so selbstbewusste VfB derzeit nimmt, wollte der Nationalkeeper dennoch nicht gelten lassen: «Das ist übertrieben.»

Sammer will das Team wieder zu sich selbst finden lassen. Im UEFA-Pokal gegen Benfica Lissabon und in der Liga gegen Hansa Rostock zwei Siege, «dann sind wir wieder im Plan». Schalke-Keeper Frank Rost möchte nach dem «total verrückten Spiel» den Lauf, den er und seine Mitspieler haben, ausnutzen: «Wir wissen, dass es auch andere Zeiten geben kann.» Den schwachen Saisonstart mit der Entlassung von Trainer Jupp Heynckes hat am Schalker Markt noch keiner vergessen.

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