06.09.2013 08:51 Uhr

Rudis Wutrede: "Ich kann diesen Sch*** nicht mehr hören"

Kragen geplatzt: Vor zehn Jahren redete sich Rudi Völler in Rage
Kragen geplatzt: Vor zehn Jahren redete sich Rudi Völler in Rage

Wir schreiben den 6. September 2003. Die deutsche Nationalmannschaft, immerhin amtierender Vize-Weltmeister, hatte sich gerade im Laugardalsvölur-Stadion zu Reykjavík ein schmeichelhaftes 0:0 gegen Island erkämpft.

Das Wetter war schlecht, das Spiel noch schlechter und die Leistung der DFB-Elf unterbot das Ganze noch. Es waren die perfekten Rahmenbedingungen für das, was in den kommenden knapp 15 Minuten folgen sollte.

Sichtlich angefressen und enttäuscht nahm Teamchef Rudi Völler nach dem Spiel im Studio der ARD Platz. "Spezi" Waldemar Hartmann empfing ihn in seiner gewohnt kumpelhaften Art und stellte seine ersten Fragen. Bis dahin deutete nur wenig auf die kommende Eruption hin. Standardfragen, Standardantworten. Ein bisschen kritischer als sonst, aber nichts Besonderes. Als Völler das Gefühl bekam, er müsse seine Spieler aus der Schusslinie nehmen, brach es aus dem Teamchef von einer Sekunde auf die nächste heraus.

Sein erstes Opfer: Gerhard Delling: "Meine beiden Jungs von der ARD, vor allem Delling, das ist natürlich eine Sauerei, was der hier sagt. Was der macht, ist nicht in Ordnung." Hartmann sah die Lawine zwar auf sich zukommen, vergaß in seiner Panik glatt das "Du", hakte aber trotzdem nach: "Was meinen Sie da jetzt genau?" Es war die Frage, die den Stein endgültig ins Rollen brachte. Völler wütete: "Diese Geschichte immer mit dem Tiefpunkt. Und noch mal ein Tiefpunkt. Dann gibt’s noch mal einen niedrigeren Tiefpunkt. Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören." Sein Gegenüber versuchte für eine Sekunde das Wort zu ergreifen, doch es war zu spät. Rudi hatte Fahrt aufgenommen und war nicht mehr zu stoppen.

"Wechselt den Beruf, das ist besser"

"Soll er doch Samstagabendunterhaltung machen und kein Fußball. Soll er 'Wetten dass...' machen und den Gottschalk ablösen." Hartmann schritt ein, übernahm kurz und leitete damit nur die nächste Tirade des Teamchefs ein. "Ich kann diesen Käse nicht mehr hören. Das ist für mich das Allerletzte. Wechselt den Beruf, das ist besser. Ich sitze jetzt seit drei Jahren hier und muss mir diesen Schwachsinn immer anhören."

Hartmann, Profi durch und durch, lenkte das Gespräch wieder auf das sportliche Geschehen. Aber er beging einen schweren Fehler und unterstellte, man müsse einen Gegner vom Kaliber Islands doch eigentlich klar beherrschen. Das war der Gong zur zweiten Runde. Völler giftete zurück: "Die Isländer sind Tabellenführer, das weißt Du Waldi, oder nicht? Sind sie Tabellenführer, oder nicht?  Und da müssen wir den Tabellenführer auswärts klar beherrschen? In welcher Welt lebt Ihr denn alle?"

Hartmann verstand die Welt nicht mehr und beteuerte, er sei doch gar nicht derjenige, der die Schärfe in das Gespräch bringe. "Du nicht. Du sitzt hier locker und bequem auf deinem Stuhl, hast drei Weizenbier getrunken und bist schön locker", entgegnete Völler. Das war dann selbst für "Weizen-Waldi" zu viel des Guten. Er ging in die Offensive und stellte sich vor die Kollegen: "Wir machen uns da [aus der Kritik, Anm. d. Red.] auch keine Gaudi draus, finden uns danach besonders toll und schlagen uns auf die Schulter..." Völler unterbrach patzig: "Nee? Bist Du sicher???" Der Teamchef war drauf und dran, Hartmann den endgültigen K.o. zu versetzen, doch dann zog die ARD ihren letzten Trumpf: Eine Live-Schalte zu Gerhard Delling und Günter Netzer. Eine großartige Idee.

"Beste Vorstellung eines Bundestrainers, seit ich denken kann"

Rudi lehnte sich zurück und lud schon mal durch. Delling aber besänftigte und nahm direkt etwas Schärfe aus der Diskussion. Doch der Moderator holte sich Netzer ins Boot. Und der beharrte in seiner typischen Art und Weise auf seinem Standpunkt: "Die Anhäufung der schlechten Spiele unter Rudi Völler ist das, was uns zu denken gibt", polterte der Welt- und Europameister. Die Mannschaft spiele eine Art Fußball, den man nicht tolerieren könne.

Völler saß ein paar Meter weiter im Studio, rieb sich die Augen, schüttelte mit dem Kopf und warf die Flinte ins Korn. Gegen "Waldi" und Delling hatte er klar gewonnen, gegen Netzer lohnte sich ein Aufbäumen nicht. Das Interview endete so unspektakulär, wie es zunächst begonnen hatte.

Nach dem Auftritt erntete Völler viel Applaus und große Zustimmung von seinen Kollegen aus der Bundesliga. Besonders ein Mann lobte den Teamchef in höchsten Tönen: Uli Hoeneß. "Er war Weltklasse. Das war die beste Vorstellung eines Bundestrainers, seit ich denken kann. Jetzt ist Rudi ein richtig großer Trainer". Er habe gehofft, "dass diese Sendung noch eine Stunde andauert."

Das Ende vom Lied: die Sendung war pünktlich zu Ende; das DFB-Team schaffte die EM-Qualifikation, fuhr nach Portugal, lieferte eins der schlechtesten Turniere aller Zeiten ab und stand einen Tag nach dem Vorrunden-Aus ohne Teamchef da.

 

>> zum Youtube-Video von Rudis Wutrede

 

Christian Schenzel

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