07.08.2013 16:52 Uhr

HSV-Sportchef redet Klartext: Kein Schlingerkurs mehr

Oliver Kreuzer ist der Sportdirektor des Hamburger SV. Foto: Christian Charisius
Oliver Kreuzer ist der Sportdirektor des Hamburger SV. Foto: Christian Charisius

Hamburg (dpa) - Oliver Kreuzer weiß, dass dem finanziell gebeutelten Hamburger SV kaum etwas zugetraut wird in der anstehenden Fußball-Bundesligasaison. Fast trotzig kokettiert der Nachfolger von Frank Arnesen auf dem Posten des Sportdirektors mit der Rolle des Underdogs.

«Ist doch gut, dass die Erwartungshaltung nicht so groß ist», sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Ein Europa-League-Rang ist für ihn nach zuletzt Platz sieben keine Pflicht, aber ein Wunschziel.

Eine feste Vorgabe würde die Profis nur blockieren, meint der Ex-Bayern-Profi. Der Kritik von Experten und Fans an der fehlenden Konstanz beim HSV pflichtet er aber bei. Gemeinsam mit Trainer Thorsten Fink will er gegen die schnelle Selbstzufriedenheit nach Erfolgen kämpfen. Kein noch so unwichtiges Match dürfe leichtfertig verloren werden. Kreuzer: «In der heutigen Medienwelt wird jedes Ergebnis bis nach China transportiert. Dessen muss sich jeder Profi bewusst sein.»

So kartete er heftig nach, als die Elf um Rafael van der Vaart in Dresden 0:4 unterging. «Grundsätzlich ist die Kabine Trainerbereich. Aber ich nehme mir das Recht heraus, Klartext zu reden.» Er warf den Profis lautstark vor, sich mehr für Freizeit und Designerklamotten als für den HSV zu interessieren. «Gucci hier, Gucci da!» - soll er laut «Sportbild» den Fußballern vorgeworfen haben.

Klare Worte scheut er auch nicht, wenn er auf die fast jährlichen Personalwechsel auf dem Trainer- und Managerposten und die daraus resultierenden Kursänderungen bei der Kaderzusammenstellung zu sprechen kommt. Der Verschleiß sei eine Geldvernichtungsmaschine. Er kann sich heißreden, wenn es um die Fluktuation in der Führung, überteuerte Millionen-Transfers und die brachliegende Jugendarbeit geht. Man merkt ihm an, dass sein Weg ein anderer sein soll.

Und er weiß, dass er nach seinem vergleichsweise beschaulichen Job beim Karlsruher SC wie Fink auf einem Schleudersitz Platz genommen hat. Viele geben ihm nicht mal ein Jahr. Kreuzer kann da nur lächeln. Er begegnet all den Erwartungen an den früher so erfolgreichen Traditionsclub cool und ist entschlossen, Bleibendes zu schaffen.

Kontinuität soll es beim HSV wieder geben, dazu ein Team, das langfristig auf Europacup-Niveau spielt. Wie Fink setzt er auf die Jugend - für Stars hat er kein Geld. «Titel sind das Salz in der Suppe, aber ich mache erfolgreiche Arbeit nicht an Titeln fest.» Um das Führungstrio mit van der Vaart, Heiko Westermann und René Adler will er Talente wie Lasse Sobiech (22), Jacques Zoua (21), Maximilian Beister (22), Hakan Calhanoglu (19) und andere Youngster platzieren.

Benötigt wird noch ein Topstürmer, aber einige Aussortierte müssen zunächst einen neuen Verein finden. Eren Derdiyok von 1899 Hoffenheim passt laut Kreuzer ins Profil. «Ein Leihgeschäft wäre denkbar. Ich habe gewusst, dass ich nicht mit dem großen Einkaufswagen durch Europa fahren kann.» Dort weiß man weiß von den Schulden, da fällt es schwer, sieben hochbezahlte Profis wie Gojko Kacar von der Gehaltsliste zu bekommen. Nur der für zehn Millionen Euro von Ex-Präsident Bernd Hoffmann geholte Stürmer Marcus Berg ist bisher weg. «Da wurde damals viel falsch gemacht», monierte Kreuzer.

Auf Begnadigung kann keiner der Aussortierten hoffen: «Einen Schlingerkurs wird es bei mir nicht geben.» Kreuzer kennt das Geschäft und weiß, dass er die Profis nicht zum Gehen zwingen kann. Aber wer bleibt, wird kein einfaches Leben haben - abseits bei der U 23. So kennt er auch kein Pardon für Paul Scharner, der sogar öffentlich von Erpressung spricht und mit «Krieg» droht.

Kreuzer hat sich auch nicht gescheut, den Abschied des talentierten Seeler-Enkels Levin Öztunali zu Bayer Leverkusen zu kritisieren. Es tut Kreuzer weh, wenn er von Rudi Völler hört, wie weit der 17-Jährige ist. «Das ist schon schade. Der HSV kann sich nicht erlauben, solche Talente abzugeben. Aber das war vor meiner Zeit. Vielleicht hätte man ihn früher zu den Profis holen können.»

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