16.07.2019 10:11 Uhr

Diallo und der BVB: Verzichtbar statt vielseitig

Abdou Diallo wird den BVB wohl nach nur einem Jahr verlassen
Abdou Diallo wird den BVB wohl nach nur einem Jahr verlassen

Abdou Diallo wird den deutschen Vizemeister Borussia Dortmund nach nur einer Spielzeit in Richtung PSG verlassen, das bestätigten die BVB-Verantwortlichen am Dienstag auf seiner US-Reise. Der Franzose, vor einem Jahr noch als großer Coup gefeiert, entpuppte sich als ebenso großes Missverständnis. Der BVB sendet gleichzeitig ein deutliches Zeichen.

Ende Juni 2018, Sportdirektor Michael Zorc: "Abdou Diallo bringt sehr vieles von dem mit, was wir von einem Zugang erwarten. Er ist ein moderner, spielstarker und dazu sehr intelligenter Innenverteidiger. Er kann aber auch außen verteidigen oder im defensiven Mittelfeld zum Einsatz kommen."

Nach wochenlangem Poker mit Mainz 05 verpflichtet der BVB den Franzosen schließlich für satte 28 Millionen Euro. Zusammen mit Manuel Akanji soll er langfristig die neue, junge und erfolgshungrige Abwehrzentrale bilden. Und bestenfalls in die Fußstapfen von Neven Subotic und Mats Hummels treten, der Meister-Innenverteidigung von 2011 und 2012.

Nicht zuletzt: Der BVB sieht in Diallo einen vielseitig einsetzbaren Spieler, der leicht auch außen in der Viererkette eingesetzt werden kann. Für Trainer Lucien Favre, der in seiner ersten Saison in Dortmund auffällig häufig in der Defensive umstellen wird, ein großes Plus.

Und in der Tat ist der Neuzugang bei der Borussia gleich ein fester Bestandteil, macht insgesamt 38 Spiele (37 von Beginn an). Allein aufgrund mehrerer Muskelverletzungen sowie einer Sperre verpasst Diallo einige Spiele.

Transfer-Politik des BVB wirft Fragen auf

Mitte Juli 2019, und damit nur etwas mehr als zwölf Monate später und gleichzeitig vier(!) Jahre vor Auslauf des Arbeitspapiers, geben die Schwarz-Gelben eben jenen Abdou Diallo wieder ab.

Dieser heuert nun beim französischen Meister Paris Saint-Germain an, wird ab sofort trainiert vom ehemaligen BVB-Coach Thomas Tuchel. Bei PSG wird er laut Medienberichten zufolge einen Vertrag bis 2024 unterschreiben. Die französischen Hauptstädter überweisen im Gegenzug laut "Bild" 32 Millionen Euro, zwei weitere Millionen können durch Bonuszahlungen ins Ruhrgebiet fließen.

So manch einer reibt sich wohl nun ungläubig die Augen: Warum lässt der finanziell gut aufgestellte Revierklub einen Stammspieler ohne Weiteres ziehen? Warum will der 23-Jährige überhaupt weg, jetzt wo der BVB selbstbewusst um den Meistertitel spielen will? Und verkauft die Borussia Abdou Diallo nicht deutlich unter Wert? Eine Suche nach Antworten.

Diallo rückt in der BVB-Hierarchie nach hinten

Erstens wäre da wohl die Verpflichtung von Mats Hummels, der nach seiner Rückkehr vom FC Bayern einen Stammplatz sicher hat. Diallo rutscht in der Rangfolge automatisch hinter Manuel Akanji auf Platz drei. Zusätzlich kämpfen Dan-Axel Zagadou und Ömer Toprak um Einsatzzeit. Nicht zu vergessen, dass mit Allrounder Julian Weigl und Youngster Leonardo Balerdi zwei weitere Kandidaten bereitstehen.

Zweitens muss der BVB seinen aufgeblähten Kader bis zum Saisonstart unbedingt verkleinern. Dass nun Diallo - und nicht etwa der in den Medien als Streichkandidat gehandelte Ömer Toprak- das Weite sucht, überrascht zwar auf den ersten Blick.

Da sich Toprak in den vergangenen Jahren beim BVB allerdings bereits als Teamplayer bewiesen hat, beseitigen die Dortmunder Macher mit einem Diallo-Verkauf auch mögliches Konfliktpotenzial. Anders als Dan-Axel Zagadou, der angesichts seiner erst 20 Jahre wenig Ansprüche hegt, wird sich der ehemalige Mainzer nur ungerne auf die Bank setzen.

So ist der Abschied Diallos auch ein deutliches Zeichen an Dan-Axel Zagadou, dem so beim Champions-League-Teilnehmer ein noch höheres Potenzial zugesprochen wird.

Das große Missverständnis beim BVB

Drittens wäre da der Umstand, dass Abdou Diallo keineswegs mit Freude auf die vergangene Spielzeit zurückblickt. Elfmal kommt er unter Favre in der Bundesliga als linker Verteidiger zum Einsatz - ein Problem, wie nun herauskommt.

"Ich bin nicht dafür gemacht, aber für das Team habe ich es getan. Ich bin Innenverteidiger im Herzen. Es ist nicht mein Plan, mehrere Saisons Außenverteidiger zu spielen", so der 15-fache U21-Nationalspieler gegenüber "L'Équipe" in aller Deutlichkeit.

Anders als von den BVB-Verantwortlichen gehofft, entpuppt sich die hoch gelobte Vielseitigkeit des Abwehrspielers als großes Missverständnis. Die Aussage von Michael Zorc aus dem vergangenen Jahr verpufft. 

Zudem winkt Diallo bei PSG der französischen Zeitung zufolge eine Stammplatzgarantie. Selbst das defensive System wolle Thomas Tuchel umstellen, um einen geeigneten Platz für den Linksfuß zu finden. "Es ist eine Form der Anerkennung meiner Arbeit zu hören, dass PSG mich will."

Diallo-Preis für Borussia Dortmund angemessen

Bleibt zu guter Letzt die Frage nach der Ablösesumme. Dortmund macht nach einer Saison mit Diallo bis zu sechs Millionen Euro Plus, sollten die Zahlen stimmen. Zwar ist PSG als reicher Klub durchaus in der Lage, höhere Summen zu stemmen. Aufgrund des Financial Fair Plays wird aber auch der Tuchel-Klub penibel aufs Geld achten.

Zudem hat der BVB in Mats Hummels bereits einen neuen Schlüsselspieler in den eigenen Reihen und muss selbst unbedingt einen Spieler abgeben. Ein Umstand, der den Preis auf dem Markt drückt.

"Abdou hat für sich entschieden, dass er eine andere Herausforderung annehmen möchte und für uns hat es wirtschaftlich gepasst. Deshalb haben wir dem Wechsel zugestimmt", erklärte Zorc auf der US-Reise trocken.

Letztlich hat sich Diallo in den Augen der Dortmunder Macher binnen weniger Monate als verzichtbar erwiesen, vor allem auf dessen Lieblingsposition in der Zentrale. Als Linksverteidiger scheidet er aufgrund eigener Ansprüche aus. So gesehen, ein guter Deal für den BVB.

Gerrit Kleiböhmer

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