29.03.2019 01:58 Uhr

Madl: "Das ist Profifußball und kein Kindergarten"

Michael Madl hofft auf einen erfolgreichen Austria-Neustart in der Meistergruppe
Michael Madl hofft auf einen erfolgreichen Austria-Neustart in der Meistergruppe

Routinier Michael Madl spricht im weltfussball-Interview über den turbulenten Bundesliga-Grunddurchgang von Austria Wien, den strengeren Ansatz von Neo-Trainer Robert Ibertsberger und den nächsten violetten Neustart in der Meistergruppe.

31 Jahre alt, 298 Profispiele auf Vereinsebene sowie eine Partie für das österreichische Nationalteam auf dem Buckel und eine Auslandsstation in einer Weltmetropole erlebt. Mit seiner Routine und seiner unaufgeregten Art gibt es wenig, was Michael Madl aus der Ruhe bringt. Die Leistungen der Wiener Austria im Grunddurchgang der reformierten Bundesliga wurmen den abgeklärten Defensivmann aber durchaus.

Im Interview mit weltfussball spricht der Steirer über den jüngsten Trainerwechsel in Violett, fordert rauere Töne in der Kabine, erzählt von Englands Supertalent Ryan Sessegnon und verrät, von welchem Partner in der Innenverteidigung er am meisten gelernt hat.

weltfussball: Ihr hattet in der Länderspielpause Zeit, erstmals länger und in Ruhe mit Robert Ibertsberger als Cheftrainer zu arbeiten. Kann man bei der Austria von einem Projekt "Neustart Meistergruppe" sprechen?

Michael Madl: Mit dem Trainerwechsel ist in den letzten Wochen ein bisschen was Neues reingekommen, weil Robert doch gewisse Sachen anders machen will als sein Vorgänger. Natürlich mussten wir analysieren, was vor der Meisterrunde passiert ist, aber jetzt heißt es wirklich, jedes Spiel als ein kleines Finale zu sehen. Insofern muss das ein Neustart für uns sein.

In etwas über einem Jahr seitdem du wieder bei der Austria bist hat es mit dem Abgang von Thorsten Fink, der Rochade beim Sportdirektor im Sommer, einem neuen Präsidenten im Herbst und dem jüngsten Trainerwechsel schon einige Neustarts gegeben. Hättest du dir das bei deiner Rückkehr auch nur ansatzweise so vorstellen können?

Eigentlich nicht. Die Austria ist natürlich immer ein relativ turbulenter Verein gewesen, aber ich glaube, jeder Klub will Kontinuität reinbringen. Es ist auch wichtig, dass man Trainer, Spieler oder auch Funktionäre über einen längeren Zeitraum zusammenhält, dann kann richtig etwas entstehen. Dass in so kurzer Zeit so viel passieren würde, war nicht vorherzusehen, auf der anderen Seite ist es auch "Part of the Game". Im Endeffekt steht und fällt alles mit den Erfolgen der Kampfmannschaft, dafür sind wir auf dem Platz verantwortlich und dieser Verantwortung müssen wir uns auch bewusst sein. In erster Linie stehen wir Spieler in der Pflicht.

Wo hat Robert Ibertsberger im Vergleich zu Thomas Letsch angesetzt?

Wir haben gegen Sturm ein anderes System gespielt, ansonsten hat er noch nicht genug Zeit gehabt, um an vielen Schrauben zu drehen. Von der Philosophie her ist er nicht völlig anders als Thomas Letsch, aber er hat Dinge, die aus seiner Sicht nicht gut gelaufen sind, angesprochen, Fehler wurden klipp und klar aufgezeigt. Ich glaube, dass er bisher einen sehr guten Eindruck gemacht hat und der Mannschaft gut vermittelt, was er von ihr will.

Sein Debüt gegen Sturm Graz ging mit 0:1 verloren. Von einem Trainereffekt konnte man da noch nicht wirklich sprechen.

Ein Trainereffekt ist in gewisser Weise immer da, wenn ein neuer kommt. Der Konkurrenzkampf wird neu angefacht, von dem her war das ein guter Impuls.

Ibertsberger geht mit der Austria in die Meistergruppe, wie es darüber hinaus auf der Trainerposition aussieht, ist noch offen. Wie geht die Mannschaft beim angesprochenen Neustart mit dieser Situation um?

Grundsätzlich wäre es für den Trainer wohl einfacher, wenn er Klarheit über seine Zukunft hätte, aber uns Spieler darf das nicht tangieren. Jeder muss auf sich beziehungsweise auf die Mannschaft schauen. Jeder spielt für sein Ansehen, will auf sich aufmerksam machen und mit der Mannschaft Erfolge feiern. Ich glaube nicht, dass das in den Köpfen der Spieler eine Rolle spielt.

Warum hat es mit Thomas Letsch aus deiner Sicht nie wirklich funktioniert?

Es ist immer schwierig, nach einem Trainerwechsel zu analysieren, warum es nicht funktioniert hat. Der Trainer spielt natürlich eine große Rolle, aber in erster Linie muss man sich als Spieler selbst an die Nase fassen. Fakt ist, dass Thomas Letsch 24/7 für den Fußball gelebt und viel Input gegeben hat. Ich denke, es ist einfach an der fehlenden Konstanz gescheitert und dass wir die Dinge, die er sich vorgestellt hat, nicht auf den Platz gebracht haben.

War der Kader in seiner Zusammenstellung kompatibel mit Letsch' Spielphilosophie?

Er war wohl nur in der einen Sommer-Transferperiode in die Transfers involviert. Natürlich ist das wichtig, aber ob das jetzt ausschlaggebend war? Das will ich nicht bewerten.

Ihr habt nach den schlechten Leistungen im Grunddurchgang sehr selbstkritische Worte gefunden. Wie sieht deine Bewertung der 22 vergangenen Runden im Allgemeinen aus?

Diese Spielzeit war für die Ansprüche der Austria einfach nicht gut genug. Wir haben bei Weitem keine überragende Saison gespielt, aber wir sind in der Meisterrunde. Im Endeffekt zählt, dass wir noch immer besser als sechs andere Vereine waren. Aber uns hat die Konstanz gefehlt, einmal eine Serie zu starten. Wenn du drei, vier Spiele hintereinander gewinnst, wärst du wahrscheinlich vier Runden früher oben gewesen. Wenn man so kämpfen muss, um unter die Top sechs zu kommen, kann etwas nicht passen. Meine eigenen Leistungen ordne ich wie jene der Mannschaft ein. Es war einmal gut, dann wieder schlecht. Das ist weder meiner noch der Anspruch der Mannschaft. Auch ich muss mich mehr bemühen.

Wie sieht die Zielsetzung für die Meistergruppe aus? Salzburg ist zwölf, der LASK acht Punkte weiter vorne, der Rest punktegleich mit euch. Mehr als Platz drei wird wohl kaum drinnen sein.

Red Bull steht über den anderen, das muss man klar sagen. Gegen den LASK haben auch wir gesehen, was dort entstanden ist und wie ein Rad ins andere greift. Das hat schon Hand und Fuß. Auch wenn es die wenigsten hören wollen, muss man sagen, dass der LASK zumindest derzeit die zweite Kraft in der Bundesliga ist. Von Platz drei bis sechs ist alles möglich, wobei wir von der Mannschaft her, und ohne jemanden abwerten zu wollen, auf Platz drei stehen müssen. Das muss der Anspruch sein!

Auf der anderen Seite hat die Austria im Grunddurchgang gegen die Teams aus den Top sechs nur fünf von 30 möglichen Punkten geholt, vier davon gegen St. Pölten. Was lässt das für die Meistergruppe erwarten?

Ich bin keiner, der gerne auf solche Statistiken schaut, aber grundsätzlich war das im Gesamten nicht gut genug, auch gegen die unteren sechs. Ich glaube, dass das Leistungsniveau so eng beisammen ist, dass die Tagesform entscheidet. Ab jetzt musst du in jedes Spiel reingehen, als wäre es ein Cupfinale. Wenn du von diesen zehn Spielen drei oder vier verlierst, dann wird’s eng. Der Druck ist also hoch, es muss jedem bewusst sein, dass es um sehr, sehr viel geht.

Du kamst im Winter vor einem Jahr aus London und wurdest von der Austria als Führungsspieler geholt. Wie gehst du mit dieser Rolle um?

Heutzutage ist das auf mehrere Schultern verteilt, diesen einen Leitwolf gibt es nicht mehr. Die Hierarchie im Team ist in Ordnung, auch charakterlich ist die Mannschaft schwer in Ordnung. Vielleicht sind wir teilweise zu nett zueinander, ist es manchmal zu gemütlich in der Kabine. Da müssen wir vielleicht hin und wieder härtere Worte finden. Das ist Profifußball! Es geht um viel Geld und viel Ansehen, da müssen wir härter - auch zu uns selbst - werden. Es darf ruhig einmal rauer zugehen.

Gibt's dafür die Typen in der Mannschaft?

Auf alle Fälle! Ich glaube, dass Thomas Letsch ein sehr netter und nicht zu strenger Typ war. Robert Ibertsberger zeigt die Fehler klipp und klar auf. Er spricht die Dinge so an, wie sie sind und genauso müssen wir in der Mannschaft - Florian Klein, Alex Grünwald und ich - auftreten. Das ist eine Profimannschaft und kein Kindergarten, da gehören Sachen klipp und klar angesprochen. Vielleicht haben wir das ein bisschen vernachlässigt. Auch das kann das eine Prozent gewesen sein, das über Sieg und Niederlage entscheidet.

Lass uns ein bisschen über deine zwei Jahre bei Fulham sprechen. Welche Erinnerungen hast du daran?

Überwiegend positive. Ich hatte einen guten Start, in der darauffolgenden Saison war es ein Auf und Ab und plötzlich hab' ich gar nicht mehr gespielt. Wobei der Trainer nicht nur zu mir so war. Es hat auch andere Spieler gegeben, die einmal in der Startelf standen und nächste Woche auf der Tribüne saßen.

Vom Stammspieler zum Tribünengast, und das ohne Trainerwechsel. Slaviša Jokanović war bis November 2018 bei den "Cottagers" tätig.

Ich hab' ein paar Mal das Gespräch gesucht, da kam aber nur: "Du trainierst gut, gib weiter Gas!" Was ein Trainer halt im Normalfall sagt. Im letzten halben Jahr wusste ich unter der Woche im Training schon, dass es fürs Wochenende wieder nicht reichen würde. Zum Abschluss hatte ich noch ein Gespräch mit dem Trainer, in dem er sich bei mir für meine Professionalität bedankte. Eine richtige Erklärung bekam ich nie.

In England haben die Klubs ja auch riesige Kader.

Alleine in den zwei Jahren, in denen ich dort war, sind bei uns wahrscheinlich zehn Spieler gekommen, die vielleicht ein Match gemacht haben. Das ist in England ganz eigen. Dort wird der Kader bis zum Gehtnichtmehr aufgeblasen und wer nicht gut genug ist, trainiert mit der U23 oder wird weiter verliehen. Es ist sehr hart dort drüben, aber auch fair und korrekt.

>> Michael Madls Einsatzstatistiken in der weltfussball-Datenbank

Im ersten Sommer nach deinem Wechsel zu Fulham wurde der damals 16-jährige Ryan Sessegnon, der inzwischen als eines der größten Talente Englands gilt, in die Erste hochgezogen. Was machte er für einen Eindruck auf dich?

Der hatte damals schon alle körperlichen Voraussetzungen, war schnell und ging 90 Minuten die Linie auf und ab. Außerdem ist er auf und abseits des Platzes ein sehr intelligenter Spieler, sehr „down to earth“ und er hat auch eine Familie, die ihn am Boden hält. Man hat damals schon gesehen, was er für ein großes Potential hat. Dass er dann so explodiert, damit hätte wohl keiner gerechnet, aber er ist ein überragender Spieler, der sicher eine Weltkarriere machen wird.

Dennoch wird Fulham nach dem Aufstieg letztes Jahr heuer wohl wieder in die Championship absteigen.

Da sind wir wieder beim Thema. Du steigst mit einer Mannschaft, die einen super Fußball gespielt hat, auf und anstatt punktuell Ergänzungen zu holen, die dich auf Premier-League-Niveau bringen, investierst du 100 Millionen, die du sinnvoller nutzen kannst. So ist es schwierig, in einer kurzen Vorbereitung wieder eine Mannschaft zu formen, mit der du in der Premier League bestehen kannst.

Wer war für dich der beste Partner in der Innenverteidigung, mit dem du je zusammengespielt hast? Fernando Amorebieta bei Fulham oder Nikola Vujadinović bei Sturm würden mir zum Beispiel einfallen.

Mit Fernando war's nicht einfach. Der war ein bissl ein Freigeist, taktische Vorgaben waren ihm relativ wurscht. Aber im Zweikampf war er unglaublich. Tomáš Kalas und Tim Ream waren auch sehr gut, alles Nationalspieler. In Österreich hab' ich mit 19 Jahren in Innsbruck sehr viel von Ferdinand Feldhofer gelernt. Vujadinović war auch sehr gut. Das sind die, die mir spontan einfallen.

Hattest du bei deinem Wechsel von Fulham zur Austria auch Angebote aus dem Ausland? Denn wenn man mit Ende 20, Anfang 30 nach Österreich zurückkehrt, hat sich die Auslandskarriere wohl erledigt.

Es hätte zwei, drei ganz interessante Dinge gegeben, in Polen und in der Championship im Norden von England. Aber wenn du einmal in London gelebt hast... Es haben einfach die Rahmenbedingungen nicht hundertprozentig für mich gepasst, außerdem war meine Frau während meiner Fulham-Zeit in Österreich geblieben. Ich bin absolut zufrieden mit meiner Auslandserfahrung, das war das, was ich mir gewünscht hatte. Als die Austria auf mich zukam, hab' ich gesagt: Ein Topverein in Österreich, das will ich machen!

Zum Abschluss: Was hältst du vom neuen Format durch die Ligareform?

Es ist sehr spannend, aber bringt für alle Beteiligten mehr Druck. Das sieht man auch an der Anzahl der Trainerentlassungen in dieser Saison. Für den neutralen Zuschauer bringt es Spannung, aber ich glaube, dass heuer sehr viel mehr Vereine gelitten haben, als vorhergesehen war. Wie es jetzt in der Meisterrunde weitergeht, wird man sehen, wie das untere Playoff angenommen wird, ist schwer zu sagen. Eines ist klar: Als Großklub möchte ich nicht dort unten spielen.

David Mayr

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten