02.01.2019 12:31 Uhr

Kommentar: Pulisic ist Zorcs Meisterstück

Zuletzt nur noch Edelreservist beim BVB: Christian Pulisic
Zuletzt nur noch Edelreservist beim BVB: Christian Pulisic

Das neue Jahr beginnt mit einem Paukenschlag: Christian Pulisic wechselt für 64 Millionen Euro vom Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund in die Premier League zum FC Chelsea. Der Hammerdeal beweist einmal mehr, welch außergewöhnliches Verhandlungsgeschick die BVB-Bosse besitzen. Ein Kommentar.

Obwohl die Spatzen es bereits von den Dächern pfiffen, schlug die Meldung am Morgen des 2. Januars ein wie eine Bombe. Christian Pulisic, 20 Jahre alter US-Nationalspieler in Diensten des Herbstmeisters Borussia Dortmund, verlässt die Westfalen und schließt sich dem englischen Schwergewicht FC Chelsea an.

Der Clou: Offiziell geht der Wechsel zwar schon jetzt über die Bühne, womöglich aus bilanztechnischen Gründen, womöglich, weil Chelsea aufgrund der drohenden Transfersperre aufs Tempo drückte.

Tatsächlich wird Pulisic, dessen Vertrag bei den Schwarzgelben nur noch bis 2020 gültig war, jedoch erst ab Juli für die Blues auflaufen. Die Londoner leihen ihn direkt zurück nach Dortmund.

 

Für den BVB ist dieser Transfer eine Win-Win-Situation. Mehr noch: Manager Michael Zorc ist mit diesem extrem lukrativen Deal ein Meisterstück gelungen.

Michael Zorc beweist einmal mehr sein Verhandlungsgeschick beim BVB

In den vergangenen Jahren hat der 56-Jährige ein ums andere Mal bewiesen, wie resolut und zugleich geschickt er seine Vorstellungen am Verhandlungstisch durchsetzen kann.

115 Millionen Euro (exklusive Bonuszahlungen) für Ousmane Dembélé, einen technisch überragenden, aber charakterlich schwierigen Jungprofi. Knapp 64 Millionen Euro für Pierre-Emerick Aubameyang, der trotz seines unglaublichen Speeds nie der beste Kombinationsspieler war. Und schließlich 42 Millionen Euro für den launischen Offensivallrounder Henrikh Mkhitaryan, dessen Vertrag ein Jahr später ausgelaufen wäre.

Drei Transfers, die exemplarisch stehen für das außergewöhnliche Verhandlungsgeschick der Dortmunder Entscheidungsträger um Sportdirektor Zorc. Beim Pulisic-Deal ist er nun in neue Sphären vorgedrungen.

Christian Pulisic beim BVB zunehmend verkrampft

Der Lebenstraum des US-Amerikaners, eines Tages in der Premier League zu spielen, war gemeinhin bekannt. Jeder BVB-Fan wusste das. Die Frage war nicht ob, sondern wann Pulisic den Klub verlässt.

Seit längerem, genauer gesagt seit Beginn der Vorsaison, war dem Rechtsaußen anzumerken, dass etwas nicht stimmte.

Zunächst glaubten viele, dass er nur überspielt sei. Eine durchaus nachvollziehbare Theorie: Dortmunds damaliger Trainer Peter Bosz sah in Pulisic den perfekten Ersatz für den zum FC Barcelona abgewanderten Dembélé und trug ihm damit eine (zu) große Last auf. Auch unter Bosz' Nachfolger Peter Stöger zählte der flinke Edeltechniker nahezu immer zur Startformation.

Mit der Verantwortung, plötzlich der Mann für die Geistesblitze sein zu müssen, kam der einst als Wunderkind gefeierte Angreifer jedoch nicht zurecht. Sein Spiel wirkte zunehmend verkrampft, kompliziert, seine Vorstöße wenig gradlinig.

Zwar standen am Ende der vergangenen Saison wettbewerbsübergreifend fünf Tore und sieben Vorlagen zu Buche. Doch schon da war zu erahnen, dass Pulisics Entwicklung ins Stocken geraten war.

Pulisics Abgang ist für den BVB kein allzu großer Verlust

Mittlerweile spielt das Eigengewächs beim BVB nur noch eine Nebenrolle. Teamkollege Jadon Sancho hat Pulisic den Status des Shootingstars längst abgelaufen.

Kein Wunder: Während der frischgebackene englische Nationalspieler Woche für Woche gegnerische Abwehrreihen durcheinanderwirbelt und zuverlässig Scorerpunkte liefert, lässt Pulisic weiter jede Leichtigkeit vermissen.

Ebenjene hatte ihn in seinen ersten beiden Jahren bei den Borussia-Profis noch ausgezeichnet und den Flügelspieler in seiner Heimat zum gehypten Hoffnungsträger aufsteigen lassen.

So hart es auch klingen mag - Pulisics Abgang ist für den BVB, Stand jetzt, kein allzu großer Verlust. Zu lange schon stagniert der 20-Jährige.

Insofern sind die 64 Millionen Euro, die nun in die schwarzgelben Kassen fließen, eine fürstliche Entschädigung, die den ohnehin beträchtlichen finanziellen Handlungsspielraum der Dortmunder noch einmal deutlich vergrößert.

Chelsea-Wechsel als neue Motivationsquelle für Pulisic

Durch die Leihe vermeiden Zorc und Co. zudem eine unnötige Baustelle im Kader, der angesichts der fortwährenden Dreifachbelastung in der Rückrunde auch in der Breite hochwertig besetzt sein muss. Pulisic wird auch in seinem letzten Halbjahr beim BVB auf seine Einsätze kommen, "Lame Duck"-Status hin oder her.

Dem Youngster dürfte zudem daran gelegen sein, vor seinem Wechsel an die Stamford Bridge möglichst viele Argumente für Spielzeit bei den Blues zu sammeln. Dort ist die Konkurrenz in der Offensive mit Stars wie Eden Hazard und Willian sicher nicht geringer als in Dortmund. Dieser neue Anreiz dürfte den Verantwortlichen um Trainer Lucien Favre durchaus recht sein.

Was bleibt also? Aus BVB-Sicht quasi nur Positives: Eine geklärte Dauer-Personalie, viel Geld auf dem Konto und ein Spieler, der sich noch einmal beweisen will. Alles richtig gemacht, Michael Zorc!

Heiko Lütkehus

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