02.11.2018 12:46 Uhr

Frankfurts Haller: Zweikampf-Maschine ohne Allüren

Seit Monaten in Top-Form: Sébastien Haller
Seit Monaten in Top-Form: Sébastien Haller

Nach verpatztem Saisonstart zeigte die Formkurve bei Eintracht Frankfurt zuletzt steil nach oben. Gehörigen Anteil am Aufschwung der Adler hat Sébastien Haller, der zu den komplettesten Stürmern der Fußball-Bundesliga zählt. Was macht den Franzosen, der mit der Eintracht am Freitagabend beim VfB Stuttgart zu Gast ist, so stark?

Sieben Millionen Euro. Was für manch einen Spekulanten an der Frankfurter Börse bloß Peanuts darstellt, ist knapp sechs Kilometer weiter südlich am ehemaligen Waldstadion immer noch verdammt viel Geld.

Als die Eintracht-Bosse im Sommer 2017 den Entschluss fassten, erstmals in der Vereinsgeschichte derart ins Risiko zu gehen, um einen hierzulande relativ unbekannten Angreifer aus der holländischen Eredivisie zu verpflichten, staunten die Fans nicht schlecht.

Freilich eilte Sébastien Haller schon in den Niederlanden der Ruf voraus, ein formidabler Torjäger zu sein. Im Trikot des FC Utrecht hatte er in 98 Pflichtspielen stolze 51 Treffer erzielt - eine beachtliche Quote.

Nun warteten in der Bundesliga gewiss andere Kaliber als PEC Zwolle und Heracles Almelo auf den ehemaligen U21-Nationalspieler Frankreichs. Doch Haller ist mit seinen Aufgaben gewachsen und inzwischen ein nahezu kompletter Mittelstürmer.

Kein Spieler bestreitet ligaweit mehr Zweikämpfe

Mit sechs Toren und fünf Vorlagen ist der Sohn einer ivorischen Mutter und eines französischen Vaters nach neun Spieltagen Top-Scorer der höchsten deutschen Spielklasse.

Seit Trainer Adi Hütter in Frankfurt das Sagen hat, ist Hallers Bedeutung für die Offensive der Hessen noch einmal deutlich gestiegen.

Der 1,90 Meter große Schlaks stellt sich stets in den Dienst der Mannschaft, ist sich für keinen Weg zu schade. Seine 271 geführten Zweikämpfe sind zudem Liga-Bestwert - mehr als die Hälfte dieser Duelle (146) gewann er.

"Mein Job ist es unter anderem, viel zu arbeiten, Bälle zu halten und Räume frei zu schaffen. Und natürlich gehören auch viele Kopfballduelle zu meinem Spiel", charakterisierte Haller seinen Stil kürzlich in der "Frankfurter Rundschau".

"Das erste Jahr Bundesliga war schon sehr lehrreich"

Schon unter Hütters Vorgänger Niko Kovac hatte der 24-Jährige sein ungeheures Potenzial immer wieder angedeutet, zwischenzeitlich aber auch mit längeren Durststrecken zu kämpfen.

Einem starken Start mit spektakulären Hacken- und Fallrückziehertoren folgten damals ernüchternde Monate, in denen Haller rein gar nichts gelingen wollte. Die Folge: Er büßte seinen Stammplatz ein.

Aus dieser schweren Zeit hat der Angreifer wichtige Schlüsse gezogen, wie er unlängst im Gespräch mit der "Bild" verriet.

"Das erste Jahr Bundesliga war schon sehr lehrreich. Ich weiß jetzt, wie man sich gegen Bundesliga-Verteidiger durchsetzen kann, habe mehr Erfahrung", so Haller. In der Tat: Der einige Kilometer südlich von Paris geborene Franzose wirkt gereift und hungriger als je zuvor.

Haller ist Teil eines Traum-Trios

Seit Wochen brilliert er als Teil eines Traum-Trios im Frankfurter Angriff, bestehend aus Kroatiens WM-Held Ante Rebic, dem serbischen Ausnahmetalent Luka Jovic und eben Haller.

In diesem Dreiergespann bringt jeder Stürmer andere Stärken mit. Doch eins haben alle gemein: Sie sind außergewöhnlich robust.

Schon unter Kovac hatte die Eintracht einen physisch extrem anspruchsvollen Fußball gepflegt, der viele Gegner überforderte und letztlich im Pokalsieg mündete.

Hütter hat diesen Ansatz sukzessive weiterentwickelt. Entstanden ist eine Einheit, die, einmal in Fahrt gekommen, kaum zu stoppen ist. Fortuna Düsseldorf kann ein Lied davon singen.

Hütter hat die Qual der Wahl

Für den Trainer ergibt sich daraus ein Luxusproblem: Um die defensive Stabilität nicht zu gefährden, ließ Hütter in den vergangenen Partien stets einen Spieler aus seinem formstarken Trio auf der Bank.

Zwei Mal war Haller Opfer dieser Rotation, zuletzt beim Auswärtsspiel in Nürnberg. Doch statt zu schmollen, brachte der Teamplayer als Joker frischen Wind und rettete der Eintracht mit seinem späten Ausgleichstreffer einen Punkt.

Keine Spur von Starallüren bei dem 24-Jährigen: "Wir sind eine Mannschaft, da zählt jeder Spieler, wenn man in allen Wettbewerben mithalten möchte. Außerdem sind wir im Angriff ziemlich stark besetzt. Da ist es völlig normal, dass der Trainer rotiert."

Haller weckt Interesse im In- und Ausland

Nun wecken erfolgreiche Torjäger bekanntermaßen Begehrlichkeiten, zuletzt soll Premier-League-Kellerkind Newcastle United seine Fühler nach Haller ausgestreckt haben. Zuvor wurde der Franzose bereits bei Borussia Dortmund gehandelt.

Im Falle eines Abgangs winkt der Eintracht immerhin ein warmer Geldregen, in Branchenkreisen wird über eine Ablöse zwischen 25 und 30 Millionen Euro spekuliert.

"Klar, England ist schon interessant, eine attraktive Liga, auf die viele Leute schauen", bemerkte Haller jüngst: "Aber momentan bin ich in Frankfurt einfach sehr glücklich und denke nicht über andere Vereine nach. Ich möchte eine gute Saison mit der Eintracht spielen, nicht mehr und nicht weniger." Da ist er auf einem sehr guten Weg.

Heiko Lütkehus

 

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten