10.01.2018 08:43 Uhr

Kühbauer: "Da müssten sie mich einsperren"

Dietmar Kühbauer stand weltfussball Rede und Antwort
Dietmar Kühbauer stand weltfussball Rede und Antwort

Rapid-Ikone Didi Kühbauer analysiert mit weltfussball die grün-weiße Stürmerkrise, verrät, was ihm bei den Hütteldorfern derzeit fehlt und erklärt, warum der moderne Taktikhype wichtige Faktoren des Fußballs außen vor lässt.

Über zwei Jahre ist Dietmar Kühbauer den Trainerbänken schon fern, seit seinem Aus beim Wolfsberger AC im November 2015 hat der Ex-Internationale kein Amt als Coach mehr ausgeübt. Ein Engagement beim Wiener Sport-Club lehnte er vergangenen Herbst im letzten Moment ab, als ORF-Experte bleibt er aber am Ball.

"Das hilft mir sehr, weil man dadurch auch die andere Seite kennenlernt und man die Spiele von der Tribüne aus aus einem anderen Blickwinkel sieht", verrät der 46-Jährige beim Interviewtermin mit weltfussball in der Player's Lounge der neuen Arena seines alten Klubs.

Beim Blick durch die Glaswand ins Innere des Allianz-Stadions wird aus dem mit den Jahren besonnen gewordenen Kühbauer für einen Moment wieder der alte "Don Didi": "Wenn ich heute da unten spielen könnte, müssten's mich vor Anpfiff einsperren. Schobi, Schaub und Murg hätten mit mir ihren Spaß. Die könnten sich nur auf die Offensive konzentrieren, den Rest tät' ich machen", sagt die Rapid-Legende mit einem leicht nostalgischen Unterton.

Kühbauer: "Rapid hätte heuer sehr lange dabei sein können"

In der aktuellen grün-weißen Truppe macht er großes Potential aus, die Schwächephase von Ende November bis zum 5:0-Auswärtssieg in St. Pölten am letzten Spieltag des Jahres 2017 habe aber vieles zunichte gemacht. "Wenn sie zu Hause gegen Salzburg, wo wirklich alles drin war, gewonnen hätten, hätten sie heuer sehr lange dabei sein können", ist Kühbauer überzeugt. Auch, weil er die Bullen "nicht mehr so dominant wie früher" sieht.

Durch die 2:3-Heimniederlage gegen den Titelverteidiger habe Rapid jedoch den Flow und in weiterer Folge wichtige Punkte verloren. "Jetzt ist das nicht mehr machbar, weil zwei Mannschaften holst du bei diesem Rückstand nicht mehr ein."

Was der frühere Führungsspieler heute vermisst, ist ein einem Großklub entsprechendes Auftreten auf dem Platz, denn spielerisch hält er von Stefan Schwab, Louis Schaub und Co. viel. "Der Kader ist, hinter Salzburg, der zweitbeste der Liga." Aber: "Rapid hat seit Jahren speziell auswärts das Problem, dass sie dort zu wenig Präsenz zeigen." Als Musterbeispiel nennt Kühbauer das schwache 0:0 Anfang Dezember bei seinem Ex-Klub WAC.

Stürmerkrise bei Rapid: "Natürlich hat man sich mehr erwartet"

Auch zur Stürmerkrise, die nach Joelintons Doppelpack und Veton Berishas erstem Ligator beim 5:0 gegen das abgeschlagene Tabellenschlusslicht St. Pölten auch medial plötzlich nicht mehr groß thematisiert wurde, hat Kühbauer eine Meinung: "Natürlich hat man sich da mehr erwartet. Wenn man jemanden bekommt, sollte man noch wen holen, aber die Frage ist eben, wen man im Winter bekommt. Denn gute Stürmer kosten Geld."

Ob Marc Janko, kürzlich bei Sparta Prag aussortiert, helfen könnte? "Er war immer ein Scorer", zollt Kühbauer dem Hünen Respekt, verweist aber auf dessen Alter. Außerdem: "Er arbeitet nicht viel und wenn er einmal einen schlechten Tag hat, hilft er dir dann wenig."


Didi Kühbauer im Gespräch mit weltfussball-Redakteur David Mayr

Sowohl Joelinton als auch Giorgi Kvilitaia hätten zwar Anlagen, blieben jedoch aus verschiedenen Gründen hinter den Erwartungen. "Joelinton kann die Bälle sehr gut sichern, aber er müsste - das ist meine persönliche Meinung - in manchen Situationen schneller abspielen und sich vorne wieder in Position bringen." Für einen reinen Mittelstürmer sei der Brasilianer "zu laufstark. Der will arbeiten." Laut Kühbauer wäre die Hoffenheim-Leihgabe effektiver, würde er "20 Meter weiter vorne" agieren, denn "dort brauchst du einen drinnen."

Bei Kvilitaia sieht Kühbauer, im Vergleich zu Joelinton, körperliche Nachteile und ein weit geringeres Arbeitspensum als Problem. Dafür habe der Georgier brauchbare Stärken im Kopfballspiel.

Kühbauer will zurück auf die Trainerbank

Auch wenn Kühbauer sichtlich gerne über Rapid und seine erfolgreiche Zeit in Hütteldorf spricht und um Anekdoten wie jene, als sie Gustl Starek im Training einmal drei gegen drei über den ganzen Platz spielen ließ, nie verlegen ist, juckt es ihn sehr, endlich wieder eine Mannschaft zu übernehmen. "Ich wäre gleich am nächsten Tag wieder ins Geschäft eingestiegen", sagt der Burgenländer.

Angebote, auch aus dem Ausland, habe es inzwischen gegeben, "aber es war noch nichts dabei, das mich vollends überzeugt hätte". Auf Abenteuer, bei denen man eventuell nach ein paar Monaten wieder vor die Tür gesetzt wird, hat Kühbauer keine Lust. "Ich schaue mir die Vereine genau an, um Missverständnisse zu vermeiden."

Warum Kühbauer kein Laptop-Trainer sein will

Neben seiner Tätigkeit als ORF-Experte beschäftigt er sich weiterhin intensiv mit dem Fußball, um stets up to date zu bleiben. Vom gehypten Hoffenheim-Trainer Julian Nagelsmann hat er sich Spielsysteme herausgeschrieben und am Handy abgespeichert. Wobei Kühbauer nicht in die Schublade der "Laptop-Trainer" gesteckt werden will. "Taktik ist natürlich ein wichtiger Aspekt, aber heutzutage wird das in meinen Augen schon übertrieben. Die situative Eigendynamik, die ein Spiel durch einzelne Aktionen bekommen kann und nicht zuletzt auch der Faktor Zufall werden meiner Meinung nach unterschätzt."

Auf taktischer Ebene sieht der Burgenländer eine funktionierende Defensive und das Umschaltspiel als entscheidend an. Ansonsten gesteht er seinen Spielern Freiheiten auf dem Feld zu, "denn dadurch lernen sie, in Stresssituationen Lösungen zu finden". Sein Credo: "Ich will jeden Spieler besser machen und glaube auch, dass ich das während meiner Trainerstationen bei vielen geschafft habe."

Nun hofft er, seine Qualitäten bald wieder unter Beweis stellen zu können. Für das Frühjahr steht internationale Fortbildung mit Besuchen bei Adi Hütter in Bern und bei Peter Stöger in Dortmund im Kalender. Außer es geht bis dahin eine Türe auf - im Fußball kann es ja bekanntlich ganz schnell gehen.

Mehr dazu:
>> Ergebnisse und Tabelle der Bundesliga

David Mayr

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