11.04.2017 16:00 Uhr

Vom Abwehrchef zum Rotzbua und retour

Christoph Schösswendter: Ein Mann der klaren Worte
Christoph Schösswendter: Ein Mann der klaren Worte

Wäre er Francesco Schettino, dann wäre er schon längst nicht mehr an Bord der Costa Concordia. Christoph Schösswendter ist aber weder Italiener, noch Kapitän eines Kreuzschiffs, sondern war Führungsspieler und Abwehrchef des SK Rapid. Bis zur Ära von Chefcoach Damir Canadi, als er zum "Rotzbua" mutierte, der nicht "kicken" und sich trotz eines Vertrags bis 2019 "schleichen" kann.

Grund genug für weltfussball um sich mit dem 28-jährigen Ex-Kapitän von Admira Wacker, dem torgefährlichsten Verteidiger der Bundesliga-Saison 2016/17 und einem ganz besonderen "spielenden Fan" der Grün-Weißen zu unterhalten. Mit seinen 1,93 Meter ragte der Salzburger am Dienstag beim Rapid-Training im Wiener Prater heraus wie ein Alpengipfel in der Leopoldstadt.

Die Ratten sind indes beim österreichischen Rekordmeister schon längst aus allen Löchern gekrochen, man wittert fette Beute. Richard Strebinger wird nach dem Training von Spielervermittlern (und solchen, die es noch werden wollen) angequatscht, auf Louis Schaub wartet ebenfalls Besuch und sogar Ex-Rapidler Markus Katzer lässt sich mit dunkler Sonnenbrille blicken (bleibt aber trotzdem nicht unerkannt), um für die Zeit nach dem Ende seiner aktiven Karriere vorzubauen.

Christoph Schösswendter bleibt von all diesen Randnotizen unbeeindruckt und spricht im weltfussball-Exklusivinterview Klartext.

Über die Katastrophensaison des SK Rapid: "Vielleicht war der Start sogar zu gut. Sieg gegen Chelsea bei der Stadioneröffnung, 5:0-Schützenfest gegen Ried, klarer Erfolg im Derby gegen die Austria und dann auch noch Admira Wacker in Hütteldorf klar besiegt. Dazu noch der souveräne Einzug in die Gruppenphase der Europa League. Wir sind in einen Lauf gekommen und haben uns vielleicht gedacht, es geht von selber. Ein schwerer Fehler. Dann sind die Ergebnisse ausgeblieben und es hat angefangen zu 'brennen'. Nach dem Trainerwechsel war klar, dass ein Neuer reflektiert. Aber es wurde alles auf den Kopf gestellt. Noch dazu während der Saison und dann diese Riesen-Umstellung. Aber insgesamt muss man auch sagen, dass Änderungen bei einem neuen Chefcoach ganz normal und üblich sind. Das braucht dann natürlich alles seine Zeit."

Über seine persönliche Situation: "Es wird einen Grund geben, warum mich Rapid vor der Saison als torgefährlichsten Abwehrspieler der Bundesliga und Kapitän von Admira Wacker nach Hütteldorf geholt hat. Ich habe mich persönlich nie als neuen Abwehrchef gesehen, aber mit wem auch immer ich am Saisonbeginn in der Innenverteidigung zusammenspielt habe: Es hat ganz gut funktioniert. Auch mein Standing im Verein und bei den Fans hat gepasst. Nach dem Trainerwechsel war dann alles vom ersten Tag an wie weggelöscht. Mein Stellenwert wurde ausradiert. Man hat mich behandelt wie einen Bua mit 21 oder 22 Jahren. Aber es ist auch normal, dass man sich bei einem neuen Verein oder Trainer seinen Platz in der Hierarchie erst erarbeiten muss. Und soll definitiv kein Vorwurf an Damir Canadi sein."

Die Beteiligung der Spieler am Debakel mit Platz sieben: "Eines ist völlig klar: Am Match-Tag treffen wir Spieler die Entscheidungen auf dem Platz und sonst niemand. In dieser Situation sind wir gefordert und müssen für diese Leistungen gerade stehen. Die finale Verantwortung liegt bei uns. Das ist in den letzten Wochen zu wenig. Da braucht man keine Schuld am Trainer abladen."

Den erneuten Trainerwechsel bei Rapid: "Was man aber auch sagen muss und ich denke darum hat der Verein jetzt reagiert: Die Leistungen am Wochenende sind auch das Ergebnis dessen, was unter der Woche passiert. Wie man sich auf ein Spiel vorbereitet und miteinander umgeht."

Den beinharten Abstiegskampf: "Spätestens seit der Ried-Pleite sollte jedem klar sein, welche Stunde es geschlagen hat. Der Abstiegskampf ist brutal und viele Spieler bei uns haben so etwas noch nie erlebt. Da kann man nicht gelassen in ein Match reingehen und schauen, was passiert. Da geht es um Existenzen. Arbeitsplätze. Einen Verein mit einer unglaublichen Geschichte. Jeder Einzelne muss sich dessen bewusst werden. Es könnte hier ein Schaden angerichtet werden, der nie mehr gut zu machen ist."

Die Rolle der Rapid-Fans: "So etwas wie beim Cup-Viertelfinale in St. Pölten hat keiner der 22 Spieler auf dem Platz oder wir auf der Ersatzbank glauben können. Wir spielen auswärts, haben im Jahr 2017 noch keine einzige Partie gewonnen, es gibt nur negative Berichte und schlechte Stimmung. Was passiert? Man hört ab dem Einlaufen der Mannschaft zum Aufwärmen nur mehr die Grün-Weißen auf den Rängen. Ein Heimspiel in einem fremden Stadion mit einer unglaublichen Lautstärke. Das ist Rapid und da kann man nur stolz darauf sein. Wir werden versuchen es irgendwie zurück zu geben."

Die kommenden Aufgaben von Rapid: "Unsere Konzentration gilt nun voll und ganz dem kommenden Spiel am Samstag gegen Altach. Wir verschwenden jetzt keine Kraft, Energien und Gedanken mehr an die Vergangenheit und das was war. Wir wollen jetzt nur aus dieser schwierigen Situation rauskommen. All unsere Kraft soll jetzt in die nächsten Partien investiert werden."

Mehr dazu:
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Christian Tragschitz

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