02.12.2015 10:50 Uhr

Frankfurter Adler im Sinkflug

Den Tabellenkeller im Blick: Eintracht Frankfurt befindet sich momentan im freien Fall
Den Tabellenkeller im Blick: Eintracht Frankfurt befindet sich momentan im freien Fall

"Mit 14 Punkten stecken wir mittendrin im Abstiegskampf", lautete die nüchterne Analyse von Frankfurts Trainer Armin Veh nach der Derby-Niederlage gegen Mainz. Doch was läuft verkehrt in der Mainmetropole? weltfussball hat die Eintracht vor dem richtungsweisenden Duell mit Darmstadt genauer unter die Lupe genommen: Eine Standortbestimmung. 

Wenn man eine Situation mit Symbolcharakter für die derzeitige Lage bei Eintracht Frankfurt suchte, fand man sie vergangenen Samstag in Mainz. Wortlos und mit hängendem Kopf schlich Alexander Meier vom Feld in der Coface Arena - Schiedsrichter Bastian Dankert hatte dem Kapitän der Hessen bereits in der 40. Minute die Gelb-Rote Karte für wiederholtes Foulspiel gezeigt.

Ihm, dem Top-Torjäger der Adlerträger, dem Fußballgott der Eintracht. In seinem 246. Bundesligaspiel holte sich der langhaarige Stürmer seinen ersten Platzverweis wegen eines unnötigen Tritts 60 Meter vor dem eigenen Tor ab. Zwei Minuten später stellte Yunus Malli die Weichen auf Sieg für den FSV. Da saß Meier schon in der Kabine.

Fußballgott nur ein Mensch

Auch der Fußballgott ist nur ein Mensch. Und somit steht der Kurzschluss des Kapitäns sinnbildlich für die Anspannung, die in der Bankenmetropole herrscht. Nach einem ordentlichen Start in die Spielzeit rangiert die Eintracht kurz vor der Winterpause mit nur vier Punkten Abstand auf die Abstiegszone auf Platz 13. Zu wenig für einen Verein, der in der vorletzten Saison noch im europäischen Zirkus mitmischte.

Das knappe Ausscheiden gegen den FC Porto erscheint derzeit wie aus einer fernen Vergangenheit, die heutige Realität ist eine andere: In den letzten zehn Ligapartien konnten die Hessen nur das Gastspiel in Hannover für sich entscheiden. Ansonsten stehen vier Unentschieden und fünf Niederlagen auf der Habenseite, langsam aber sicher steigt die Nervosität in Frankfurt. Wie kam es dazu?

Einfallslose Schufterei

Die Veh-Elf besteht zu großen Teilen aus Spielern, die Fußball arbeiten. Medojević, Ignjovski, Hasebe: Sie alle bestellen das Feld vor der eigenen Abwehr, bringen sich auch mal mit nach vorne ein. Doch was den Frankfurtern in dieser Saison fehlt, ist das spielerische Überraschungsmoment. Das Bindeglied zwischen Defensive und Offensive lahmt, beim Umschaltspiel fehlt jegliche Kreativität im Zentrum und die eigenen Bälle gehen viel zu schnell verloren. Bei der 1:3-Niederlage gegen Leverkusen gewann die Eintracht zwar mehr Zweikämpfe, doch gut ein Drittel der Pässe landete beim Gegner. Seine Mannschaft sei "zu leicht auszurechnen", gestand Armin Veh und erklärte: "Deshalb stehen wir unten drin. Das müssen wir ändern. Und das werden wir ändern."

Doch dafür braucht der Fußballlehrer eine schlagkräftige Truppe. Und die zusammenzustellen, dürfte sich bei der aktuellen Krankenakte der Hessen als schwierig erweisen. Momentan muss Veh auf neun seiner 28 Schützlinge verletzungsbedingt verzichten. Erfahrene Spieler wie Stefan Reinartz, der die Geschicke auf dem Platz in die Hand nehmen und das Team führen könnte, sind angeschlagen. Torjäger Luc Castaignos wird durch seinen Syndesmosebandriss für sehr lange Zeit nicht zur Verfügung stehen. Hinter Marc Stendera, der mit seiner Spritzigkeit die vermissten Ideen in die Frankfurter Vorwärtsbemühungen bringen kann, steht vor dem Darmstadt-Spiel ein dickes Fragezeichen.  Und zu allem Überfluss verletzte sich Johannes Flum im Training schwer am Knie, für den Mittelfeldspieler ist die Saison vermutlich beendet.

Hoffen auf den Derby-Effekt

Mittlerweile ist es wohl auch eine Kopfsache. Weder in Mainz, noch in Wolfsburg (1:2), Hamburg (0:0), Hoffenheim (0:0) oder zuhause gegen Hertha (1:1) waren die Adlerträger deutlich unterlegen. Doch neben der spielerischen Finesse ließen die Kicker vom Main vor allem die nötige Mentalität vermissen, sich nicht unter Wert zu verkaufen - den unbedingten Willen, die drei Punkte mitzunehmen. Irgendwann, so schien es in den meisten Spielen, fanden sich die Akteure mit ihrem Schicksal ab.

Was der Eintracht Mut macht, sind die zweite Halbzeit gegen Mainz und ein Bundesliga-Debütant. Nach dem Seitenwechsel stemmten sich Aigner und Co in Unterzahl gegen die drohende Niederlage, vor allem der Anschlusstreffer sorgte für eine ganz andere Körpersprache bei der Veh-Elf. Und mit Mijat Gaćinović empfahl sich ein 20-jähriger Neuzugang von Vojvodina (Serbien) gleich bei seinem ersten Auftritt in Deutschlands Oberhaus für die Startaufstellung: Der flinke Serbe brachte durch seine unbeschwerten Vorstöße mehr Tempo und vor allem mehr Unberechenbarkeit ins Frankfurter Spiel. "Mijat ist ein Gewinn", befand auch Veh nach dessen Debüt.

Nächstes Derby, nächste Chance

Sonntag um 17:30 Uhr empfängt seine Mannschaft den Aufsteiger aus Darmstadt zum zweiten Derby in acht Tagen. Der Gast ist auch direkter Tabellennachbar - was das Duell zu einer richtungsweisenden Begegnung für Frankfurt werden lässt. Eine weitere Pleite und man kommt am Main nicht mehr daran vorbei, von einer Krise zu sprechen.

Ein Sieg im ersten Hessen-Derby seit 33 Jahren könnte jedoch für Aufbruchstimmung bei der gebeutelten Eintracht sorgen. Alex Meier wird dann nicht auf dem Feld stehen. Der Kapitän muss von der Tribüne aus zusehen, ob die Lilien den Adler rupfen, oder er sich zu neuen Höhen aufschwingt.

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Kevin Brüssel

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