28.10.2014 12:23 Uhr

Argentiniens Liga: Zurück zu altem Niveau

River Plate dominiert die argentinische Liga
River Plate dominiert die argentinische Liga

Trotz vier Punkten Vorsprung des Tabellenführers und amtierenden Meisters River Plate, ist die argentinische Meisterschaft so attraktiv wie seit Jahren nicht. Was sind die Gründe für das neue Niveau der Primera División?

Seit Jahren hatten Wettprofis ein Auge auf den argentinischen Vereinsfußball. Selten fielen mehr als 3,5 Tore pro Spiel und meist gewann eine Mannschaft mit nur einem Treffer Vorsprung. Eine geringverzinste aber sichere Geldanlage. In dieser Spielzeit könnte man sich mit dieser Taktik das ein oder andere Mal verzockt haben, denn es klingelt öfter im Kasten und auch fernab der Statistiken überzeugen einige Teams mit attraktivem Fußball.

Für dieses Wiederaufleben der argentinischen Primera División gibt es verschiedene Gründe, von denen der erste für Außenstehende wohl ziemlich abwegig ist. Kurz vor Saisonbeginn verstarb der Verbandspräsident Julio Grondona, der seit über drei Jahrzehnten den argentinischen Fußball als Despot mit Zuckerbrot und Peitsche kontrolliert hatte. Er möge in Frieden ruhen, doch seit seinem Ableben weht ein anderer Wind in der AFA. Gewalt, Korruption und Vetternwirtschaft wird es weiterhin zur Genüge geben, aber dieser Generationswechsel scheint dem fußballverrücktesten Land der Welt auf allen Ebenen gut zu bekommen.

Generationswechsel auf den Trainerbänken

Ein anderer Generationswechsel fand auf den Trainerbänken statt. In den vergangen Jahren hatten vor allem die Topklubs immer wieder versucht, sportlich schwächere Phasen akut mit alten Trainerhasen zu bekämpfen. Boca Juniors holte den unantastbaren Carlos Bianchi zurück, Independiente hatte in der Abstiegssaison zu lange auf "Tolo" Gallego gesetzt und Racing verschwendete goldenes Spielermaterial unter "Mostaza" Merlo. River Plate gewann unter Ramón Díaz zwar die Meisterschaft, spielte allerdings längst nicht so souverän wie in der aktuellen Spielzeit.

Während der Fußball in Europa sich innerhalb des letzten Jahrzehnts taktisch rasend entwickelt hatte, setzten die genannten Herren auf veraltete Spielmodelle. Kleinere Vereine gingen einen anderen Weg, so wie etwa der Vorstadtklub Lanús, der seit Jahren für argentinische Verhältnisse ungewöhnlich professionell geführt wird. Man vertraute geduldig dem Trainerdebütanten Guillermo Barros Schelotto, der schließlich schon in seinem zweiten Jahr die Copa Sudamericana gewinnen konnte.

Früher oder später wird Barros Schelotto mit seinem Zwillingsbruder als Assistenten auf der Bank von Boca Juniors landen, wo sie als Spieler große Erfolge gefeiert hatten. Ähnlich wird auch Matias Almeyda zu "seinem" River Plate zurückkehren, wo er als Trainernovize den Aufstieg feiern konnte und schließlich für den charismatischen Díaz geschasst wurde. Almeyda gelang mit Banfield ein äußerst souveräner weiterer Aufstieg und "el pelado" Díaz hatte sich nach dem letzten Titelgewinn zum Wohle aller Beteiligten freiwillig verabschiedet.

Gallardo verbesserte River Plate noch weiter

Derzeit belegt Rivers Trainerposten ein andere ehemaliger Spieler: Marcelo Gallardo. Er stärkte die Mannschaft scheinbar mental, denn in dieser Spielzeit ist River noch ungeschlagen und konnte mehrfach auch in knappen Begegnungen drei Punkte einfahren. Er setzt auf eine relativ erfahrenen Stamm, stabilisierte junge Akteure wie Funes Mori oder Kranevitter und gibt Talenten aus der Jugend wie Boyé, Martínez oder Giovanni Simeone (Sohn von Atlético Madrids Trainer Diego) immer wieder Spielminuten.

Garant für die Tabellenführung ist allerdings Torjäger Teófilo Gutiérrez. Gemeinsam mit seinem Nationaltrainer José Pekerman konnte man bei River dem Kolumbianer scheinbar die jugendlichen Flausen austreiben und nach einer guten Weltmeisterschaft, spielt er nun im Verein eine weitere starke Saison. Er ist die Speerspitze einer überraschend großen Gruppe an Ausländern in Argentinien, die den jahrelangen Exodus des Spielermittelbaus in zweit- und drittklassige Ligen Europas ausbügeln.

Bei River sind neben Gutiérrez die Uruguayer Mora und Sanchez Schlüsselspieler. Gerade Uruguayer, aber auch Paraguayer oder Kolumbianer sind zentrale Figuren in anderen Teams. Für sie ist trotz der schwachen argentinischen Währung die "Primera A" ein attraktives Schaufenster nach Europa.

Gutiérrez, Rincón und Valencia: Kolumbianer in der Liga

Junge Kolumbianer haben eine lange Tradition am Rio de La Plata: Früher nutzten Radamel Falcao und James Rodriguez das Sprungbrett, heute spielen hier zum Beispiel die Söhne von zwei ehemaligen Stars: Sebastián Rincón und José Valencia. Letzterer hat dank seines Vaters, des ehemaligen Bayernspielers Adolfo Valencia, bereits seinen Spitznamen weg: "El trencito" - "der kleine Zug", nennen sie den athletischen Mittelstürmer, der in der vergangenen Spielzeit innerhalb von wenigen Spielen zum besten Torschützen von Olimpo wurde und nun für Rosario Central auf Torejagd geht.

All diese Faktoren machen die laufende argentinische Meisterschaft zu einer der attraktivsten der letzten Jahre. Tore entstehen nicht mehr aus Zufallskarambolagen, sondern fallen nach feinen Spielzügen, fulminanten Fernschüssen oder cleveren Standardsituationen. Das gestiegene Niveau lässt sich an der Tabellenspitze ablesen. River Plate baut zwar auf ein Polster von vier Punkten, aber die Verfolger Lanús, Independiente und ferner auch Racing und Boca lassen sich trotz aller Konstanz nicht abschütteln.

Auch international sind Boca, River und Estudiantes im Viertelfinale der Copa Sudamericana vertreten. Titelverteidiger Lanús ist zwar bereits ausgeschieden, aber mit dem Gewinn der Copa Libertadores von San Lorenzo vor zwei Monaten sind derzeit beide kontinentalen Pokale in argentinischer Hand. Auch das gab es zuletzt 2003.

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Viktor Coco

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