20.10.2014 10:24 Uhr

Wer ist PSG? OM ist wieder da!

Willkommen im Vélodrome! David Alaba und Marko Arnautović: Wie wäre es mit einem Ausflug zur EM 2016?
Willkommen im Vélodrome! David Alaba und Marko Arnautović: Wie wäre es mit einem Ausflug zur EM 2016?

Wer oder was ist bitte PSG? Dem mit zweifelhafter finanzieller Unterstützung hochgezüchteten Starensemble aus Paris rund um Zlatan Ibrahimović gehörten in Frankreich in den vergangenen Jahren alleine die Schlagzeilen. Mit zwei Meistertiteln in Serie verschaffte sich der Retortenverein zuletzt die Vorherrschaft in der Ligue 1, doch in der laufenden Saison schlägt der populärste Verein des Landes zurück: Olympique Marseille ist wieder da!

OM - zwei magische Buchstaben des Fußballs in Südfrankreich. weltfussball wirft einen Blick auf das bemerkenswerte Comeback der Lieblinge aus der Metropole am Mittelmeer. Nach der katastrophalen Spielzeit 2013/14, in der man als Sechster die Europacup-Teilnahme verpasste, blieb in Marseille einmal mehr kein Stein auf dem anderen. Die wichtigste Änderung gab es dabei auf der Betreuerbank: Marcelo Bielsa brachte den Erfolg zurück.

Zu seiner Zeit bei Athletic Bilbao, war der Argentinier von keinem geringeren Kollegen als Pep Guardiola zum "besten Trainer der Welt" geadelt worden. Es scheint, als hätte der nunmehrige Bayern-Coach nicht so unrecht: Nur die knorrige Art und oft verrückte Art von "El Loco Bielsa" verhinderte den Wechsel zu einem der großen spanischen Klubs. Der 59-Jährige klopft schon mal gern an die Tür eines abgelegenen Klosters, wo er die Nonnen mit Gebeten um Unterstützung für sein Team bittet.

Sonst aber gilt seine volle Konzentration dem runden Leder. Seine Leidenschaft für den Fußball geht weit über das normale Maß hinaus. Die Spielanalysen von Bielsa können Tage und Nächte lang dauern. Seine Kicker wissen, was bei der peniblen Matchvorbereitung auf sie wartet: "Morgen werden wir 32 Besprechungen haben und 600 Videos sehen", brachte es sein ehemaliger Schützling Iker Muniain auf den Punkt.

Ein Schiff wird kommen

In seiner Heimat ranken sich sogar wahre Legenden um den Erfolgscoach. Vor der WM 2002 in Japan und Südkorea soll Bielsa per Schiff einen Container mit mehreren tausend Kassetten nach Asien beordert haben. Das Scheitern mit Argentinien in der Gruppenphase als Dritter hinter Schweden und England prägte seine weitere Trainerlaufbahn. "Ich werde diesen Schmerz nie vergessen, egal, was mir noch Gutes in meiner Karriere widerfahren mag", so Bielsa.

Ein Meistertitel mit Olympique Marseille würde ihm aber in der Hafenstadt einen Ehrenplatz in der Galerie der ganz großen Namen der Vereinsgeschichte bringen. Ein 2:0-Sieg im Südduell gegen Toulouse stellte am Sonntag erneut unter Beweis: OM gibt in der Ligue 1 aktuell den Ton an. Nach zehn Runden steht der Traditionsverein mit acht Siegen, einem Remis und nur einer Niederlage überlegen auf Platz eins. Der verhasste Erzrivale PSG folgt mit bereits sieben Punkten Rückstand auf Rang zwei.

Tore von Nicolas N'Koulou (20.) und André-Pierre Gignac (35.) - mit bereits zehn Treffern Führender der französischen Torschützenliste - ließen die 61.846 Fans jubeln. Mit einem Schnitt von über 50.000 Zuschauern pro Heimspiel steht OM natürlich auch in dieser Rangliste auf Platz eins.

Der Hexenkessel im "neuen" Stade Vélodrome

Im Stade Vélodrome, welches für die EM 2016 in Frankreich ein komplett neues Erscheinungsbild erhielt, reifen Träume vom Meistertitel. Die Scheichs aus Katar mögen PSG mit Unterstützung von UEFA-Boss Michel Platini (für wen hat der Franzose wohl bei der Abstimmung für die WM-Ausrichtung votiert?) zu unglaublichen finanziellen Mitteln verholfen haben, doch Olympique Marseille hat den zwölften Mann hinter sich.

Obwohl nach wie vor AS Saint-Étienne mit seinen zehn Championaten der französische Rekordmeister ist, fühlt sich Olympique Marseille ebenfalls im Besitz eines Sterns. Der deshalb stolz das offizielle Vereinswappen ziert. Auch wenn "nur" neun Meistertitel (1937, 1948, 1971, 1972, 1989, 1990, 1991, 1992 und zuletzt 2010) zu Buche stehen. Doch die aberkannte Meisterschaft von 1993 nach dem Korruptionsskandal hat ebenso wie der Sieg der Champions League im selben Jahr einen fixen Platz im Gedächtnis aller OM-Fans.

Der damalige Vereinspräsident Bernard Tapie wurde zum Sinnbild für Bestechung und Niedergang. Die Erfolge der Jahre zuvor gerieten in Vergessenheit. Nicht aber die Stars wie Fabien Barthez, Siegestorschütze Basile Boli, Marcel Desailly, Franck Sauzée, Abédi Pelé, Didier Deschamps, Rudi Völler oder Alen Bokšić, die am 26. Mai 1993 durch einen 1:0-Erfolg gegen Milan im Olympiastadion von München den Pokal mit den großen Ohren erobert hatten.

Wer damals ein Heimspiel im alten Radstadion erlebte, dem stockte der Atem. Zwei Fankurven hinter dem Tor mit einer Lautstärke, die trotz fehlender Überdachung ihresgleichen suchte. Bengalen leuchteten, die Luft brannte und OM wurde zum Sieg gepeitscht. Nicht einmal der Zwangsabstieg konnte die Liebe der heißblütigen Fans beeinträchtigen. Im Gegenteil.

Marseille: Eine Liebe für ein ganzes Leben

Olympique Marseille blieb im Alltag der Millionenstadt allgegenwärtig. Multikulturell war man schon immer, aber vereint in der gemeinsamen Leidenschaft. Diese lodert aktuell besonders intensiv wieder auf. Selbst der Trainer lässt sich davon anstecken.

Bielsa kritisierte sogar öffentlich Vereinspräsident Vincent Labrune, weil er die Transferpolitik nicht verstand. "Ich habe zwölf mögliche Optionen vorgeschlagen, aber keiner dieser Spieler wurde geholt", sagte der Exzentriker. Doch obwohl Wunschspieler wie Benjamin Stambouli und Toby Alderweireld nicht verpflichtet wurden, führte er Marseille an die Spitze.

Der Argentinier meinte dennoch, dass er "froh ist", in Marseille zu sein. Wunsch und Wirklichkeit würden zwar nirgends so weit auseinanderklaffen, dafür wäre aber auch die Begeisterung durch das Publikum einmalig. Als er sich zuletzt auf seinen Platz setzte und sich durch einen heißen Kaffeebecher sein Hinterteil verbrannte, hatte er auch die Lacher auf seiner Seite.

Marcelo Bielsa meinte nach dem letzten Sieg: "Unser Spiel ist anspruchsvoll". Niemand konnte etwas einwenden. Dafür tobten die Fans auf den Rängen des Vélodrome. OM ist wieder da! 

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Christian Tragschitz

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