21.02.2014 13:11 Uhr

Ost-Fußball: Für immer graues Mittelmaß?

2009 stieg Energie Cottbus als bisher letzter Ost-Klub aus der Bundesliga ab
2009 stieg Energie Cottbus als bisher letzter Ost-Klub aus der Bundesliga ab

Mit Spitzenfußball in der Bundesliga haben die ostdeutschen Klubs seit Jahren nichts mehr zu tun. Dauerhafte Besserung für die gewachsenen Vereine ist nicht in Sicht und das Projekt RB Leipzig taugt nicht als Hoffnungsträger.

Mitte Mai 2009 war Theo Zwanziger im Rahmen einer Gesprächsrunde zur Zukunft des ostdeutschen Fußballs zuversichtlich. "In ein paar Jahren spielt sicher auch der Osten wieder vorne mit", sagte der damalige DFB-Präsident. Doch sein frommer Wunsch ging nicht in Erfüllung. Nur wenige Tage später verabschiedete sich mit Energie Cottbus der bis heute letzte Ost-Vertreter im Oberhaus in die Zweitklassigkeit.

Seitdem geben sich die Traditionsvereine aus den neuen Bundesländern in der zweiten und dritten Liga die Klinke in die Hand, fristen dort ein Schattendasein fernab der großen Fußballbühne und zehren hauptsächlich von der ruhmreichen Vergangenheit. Zahlreiche Diskussionen und Gipfel zur Krise des ostdeutschen Fußballs sind in dieser Zeit wirkungslos verpufft.

Mit Erzgebirge Aue, Dynamo Dresden und Energie Cottbus sind derzeit gleich drei Zweitligisten akut abstiegsgefährdet. Union Berlin liegt zwar noch in Schlagdistanz zu den Aufstiegsrängen, steckt aber seit Wochen in der Ergebniskrise und könnte den Sprung ins Oberhaus am Ende wieder verpassen.

>> Der Ost-Abstiegsgipfel am Freitag ab 18:30 Uhr im Liveticker: Energie Cottbus – Erzgebirge Aue

Wirtschaftliche Probleme seit der Wende

Bereits unmittelbar nach dem Mauerfall wurde der zuvor auch international erfolgreiche ostdeutsche Fußball abgehängt. Während zahlungskräftige Klubs im Westen die herausragenden Spieler der früheren DDR mit offenen Armen empfingen, waren die Vereine wenig willkommen und im kapitalistischen Haifischbecken Bundesliga überfordert.

"Wir haben das Wirtschaftspotenzial, was ein Profiverein hat, erst mal überhaupt nicht begriffen. Wir haben das weiter als rein sportliche Aufgabe gesehen", blickt Dynamo Dresdens Ehrenvorsitzender Volker Oppitz zurück. "Alles was wir erlebt hatten, war Erfolg im Sport. Da hatte doch nie jemand gefragt, wie es in der Bilanz aussieht."

Doch die Ost-Klubs lernten dazu und legten ihre Naivität im Laufe der Jahre ab. Heute kämpfen die Vereine vor allem mit der Strukturschwäche der Region. "Die Unternehmen im Osten haben einfach nicht die Sponsorenkraft wie in den alten Bundesländern", sagt Michael Schädlich, Präsident des Drittligisten Hallescher FC, der "Welt". "Wir haben eben nur 80 Prozent der Wirtschaftskraft und 80 bis 85 Prozent des Einkommens."

>> Alle Daten zur DDR-Oberliga

Infrastruktur hui, sportliche Kompetenz pfui

Trotz dieser schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat der Osten in vielerlei Hinsicht aufgeholt. Längst spielt man in Magdeburg, Dresden oder Rostock in modernen Stadien, Ende Januar erfolgte der Spatenstich für eine schmucke neue Arena in Chemnitz. Zahlreiche Vereine verfügen über DFB-zertifizierte Leistungszentren für ihre Nachwuchsarbeit. Die aktuellen Nationalspieler René Adler, Toni Kroos und Marcel Schmelzer lernten das Fußballspielen in den Talentschmieden ihrer ostdeutschen Heimat.

Die Entwicklung der Profiklubs stagniert also nicht wegen, sondern trotz der infrastrukturellen Grundlagen. Vielfach fehlt es in den Vereinsführungen an sportlichem Know-how. Es wird kaum nachhaltig gearbeitet, langfristige Entwicklungen über viele Jahre sind eine Seltenheit. Indiz dafür: die hohe Personalfluktuation auf den Trainerbänken und in den Führungsetagen der abstiegsbedrohten Zweitligisten. Seit Sommer 2009 beschäftigte Erzgebirge Aue drei, Energie Cottbus vier und Dynamo Dresden sogar sieben verschiedene Übungsleiter. Die Dresdner tauschten erst vor wenigen Wochen mitten in der Saison ihren gesamten Vorstand aus.

"Eisern" Union auf gutem Weg

Positives Gegenbeispiel ist Union Berlin: Trainer Uwe Neuhaus ist bereits seit 2007 im Amt und formte in dieser Zeit die aktuell beste ostdeutsche Mannschaft. "Wenn man betrachtet, wo wir hergekommen sind und was wir in den vergangenen Jahren erreicht haben, dann können wir alle mit Stolz zurückblicken", erklärte der Coach, als er im vergangenen November seinen Vertrag bis 2016 verlängerte.

Nach fünf Spielzeiten im Unterhaus soll es in diesem Sommer mit dem Aufstieg klappen. Doch dafür müssen dringend wieder mehr Punkte her. In den letzten acht Spielen gelangen Union nur zwei Siege. Fraglich ist zudem, ob in Köpenick trotz guter sportlicher Arbeit überhaupt dauerhaft Bundesliga-Fußball möglich ist. Das kultige Stadion 'An der Alten Försterei' fasst nur gut 20.000 Zuschauer. Obwohl die Berliner den Standortvorteil der Hauptstadt auf ihrer Seite haben, sind sie finanziell nicht auf Rosen gebettet.

>> Alles zu Union Berlin

Das Projekt Spitzenfußball in Leipzig

Geld ist in Leipzig dagegen im Überfluss vorhanden. Red Bulls Retortenklub RasenBallsport ist in nicht einmal fünf Jahren von der Oberliga in die 3. Liga aufgestiegen und plant den weiteren Durchmarsch. "Wir wollen in die erste Liga. Und wir wollen am Ende dann in der ersten Liga natürlich oben stehen und Deutscher Meister werden", sagt RB-Geschäftsführer Ulrich Wolter.

Und tatsächlich sind diese Zielsetzungen keine Utopie. Zumindest die Etablierung in der Bundesliga gilt in absehbarer Zeit als sicher. Die Infrastruktur des Klubs sucht im Osten ihresgleichen und ist auch vielen Mitbewerbern aus den alten Bundesländern überlegen. Sportdirektor Ralf Rangnick sorgt für fußballerische Kompetenz in der Führungsriege.

>> Alles zu RB Leipzig

Wenig Hoffnung für die Traditionsvereine

Allein: Als Zugpferd des gesamten ostdeutschen Fußballs wird RB niemals herhalten können. Zu umstritten ist das Leipziger Projekt bei Fans und Verantwortlichen anderer Klubs. Schon jetzt haben es die Konkurrenten aus der Nachbarschaft schwer im Sog des finanzkräftigen Riesen. So wirbt der aufstrebende Drittligist den Mitbewerbern Nachwuchstalente ab. "Es ist ein wenig so, als hätte ein Boot bei einer Ruderregatta einen Außenbordmotor", sagt Dynamo Dresdens ehemaliger Geschäftsführer Christian Müller.

So bleibt es wohl auch in Zukunft dabei, dass die meisten Vereine aus dem Osten nicht über das graue Mittelmaß hinaus kommen. Oder wie der damalige Präsident des Nordostdeutschen Fußballverbandes Hans-Georg Moldenhauer bereits 2010 ahnte: "Maximal Zweite Liga und hin und wieder ein Klub im unteren Drittel der Bundesliga – mehr ist nicht drin."

Tobias Knoop

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