08.03.2024 08:11 Uhr

Lille lässt Sturm ins Leere laufen

Lille zeigte in Graz seine Klasse
Lille zeigte in Graz seine Klasse

Die Standing Ovations der Sturm-Fans im vollen Grazer Oval passten nicht zum Ergebnis auf der Anzeigetafel. Österreichs letzter internationaler Repräsentant verlor das Achtelfinal-Hinspiel in der Conference League gegen OSC Lille deutlich mit 0:3 (0:1). Die Aufstiegschancen tendieren nun gegen null. "Am Ende war es leider so eindeutig wie das Ergebnis", sagte Sturm-Trainer Christian Ilzer.

Seinen Spielern blieb gar nichts anderes übrig, als die Demontage einzugestehen. "Wir haben in den ersten zehn Minuten keinen Ball gesehen. Und wenn wir ihn hatten, haben wir ihn lang nach vorne geschlagen, weil wir so unter Druck waren", schilderte Dimitri Lavalée die fortgesetzte Hilflosigkeit. Sein Defensivkollege Jusuf Gazibegovic erklärte: "Wir haben uns nicht so viel zugetraut, das hat man in ein paar Situationen gesehen." David Affengruber meinte: "Wir haben nicht den Auslöser gefunden für unser Pressing."

Statt Pressing-Furioso hieß es Systemausfall. "Die letzten zwei Meter entscheiden darüber, ob das Pressing gut oder schlecht ist. Wir sind nie hingekommen, waren nur im Nachlaufen", dozierte Ilzer auf der Pressekonferenz. "Es gibt natürlich Teams, ob das Rakow oder Slovan war, wo wir unser Spiel auf den Platz bringen und top funktionieren können", sagte Ilzer. "Dann gibt es Teams, die darüberstehen, die enorme Ballsicherheit haben."

Lille zählte Ilzer wie die früheren Europa-League-Gegner PSV Eindhoven oder Sporting Lissabon zur zweiten Kategorie. "Am Ende musst du es schaffen, einen idealen Spielverlauf zu haben und noch intensiver ins Pressing zu kommen, damit du nicht so viel nachlaufen musst." An diesem Tag fügte sich nichts davon ineinander. Ilzer: "Es war eine verdiente Niederlage in dieser Höhe. Wir haben von Anfang an enorme Dominanz erfahren."

Schicker von Lille beeindruckt

Der Tabellenvierte aus Frankreich konnte schnellen, passsicheren und variantenreichen Fußball vorexerzieren. Sportchef Andreas Schicker staunte nicht schlecht. "Wenn ich sehe, wie sie jede enge Situation lösen, sich herausdrehen, erster Kontakt - das sind Sachen, wo man sehr viel lernen kann."

Die Aufarbeitung der ersten Niederlage in diesem Kalenderjahr begann noch in der Nacht. Ilzer wird seinen Schützlingen wohl schon freitags "zeigen, wo es Entwicklungspunkte gibt" und vor dem Hartberg-Gastspiel so manche Seele streicheln. "Es ist ein Spiel, das aufs Selbstvertrauen geht, wenn man das nicht richtig kanalisiert für sich." Europäisches Topniveau auf diese Art zu erleben, dürfe nicht in der Erkenntnis münden: "Wahnsinn, wie weit ich von diesem Level noch weg bin." Sondern: "Was muss ich tun, um so ein Level zu erreichen."

Überschattet wurde der an sich schon bittere Abend von einer schweren Verletzung von Manprit Sarkaria. Die Offensiv-Stammkraft brach sich bei der vergebenen Großchance auf das 1:1 den Außenknöchel. Die Saison ist für ihn damit gelaufen, genauso wohl ein möglicher EM-Einsatz. Der mit Schambeinproblemen haushaltende William Böving, Youngster Amady Camara oder Szymon Wlodarczyk sollen den Ausfall in der Meistergruppe kompensieren. Seedy Jatta wird laut Ilzer bis zu einem Comeback noch "einige Wochen" brauchen.

Gute Stimmung in Graz

Das Grazer Publikum ließ sich Ernüchterung, aber keine Tristesse anmerken, stimmungsvoll blieb es bis zum Schluss im wohl letzten Europacup-Heimspiel der Saison. "Es war unsere erste Niederlage heuer, aber die Fans haben uns zu jeder Zeit den Rücken gestärkt. Die letzten 15 Minuten waren Wahnsinn. So eine Unterstützung wünscht man sich", sagte Affengruber. Dem höflich auftretenden Lille-Trainer Paulo Fonseca entkam sogar ein "magnifique". "Ich ziehe meinen Hut vor den Fans von Sturm Graz. Ich fühlte den Respekt im Stadion, so macht der Fußball Freude."

Erleichtert, teilweise auch verwundert, kommentierten seine Spieler eine Partie, die sie dem erstmaligen Vorstoß in ein europäisches Viertelfinale entscheidend näherbrachte. "Ich habe Sturm druckvoller erwartet", sagte Doppeltorschütze Jonathan David. Ursächlich dafür sei wohl die Leistung seiner Mannschaft, vermutete der kanadische Torjäger. "Wir haben den Ball sehr schnell die Seiten wechseln lassen. Das hat sie zurückgedrängt."

apa

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