Rangnick: "Bundestrainer sollte ein Fulltime-Job sein"

Hansi Flick soll "vieles anders machen" - was genau, bleibt vorerst offen. Ralf Rangnick hat da mal ein paar Vorschläge.
Fünf-Tage-Woche, jede Menge Überstunden und Dienstreisen, die diesen Namen auch verdienen: Geht es nach Fußball-Vordenker Ralf Rangnick, muss Hansi Flick seine neue Aufgabe als echtes Arbeitstier leben. Das Amt des Bundestrainers "sollte ein Fulltime-Job sein", sagte Rangnick der Süddeutschen Zeitung und leitete daraus die Forderung ab: "Wenn der Bundestrainer unser Fußball-Kanzler ist, sollte er entsprechend Präsenz zeigen."
Flick, hatte DFB-Direktor Oliver Bierhoff vollmundig angekündigt, werde als Chef der deutschen Nationalmannschaft "vieles anders" machen als sein am Ende glück- und erfolgloser Vorgänger Joachim Löw. Was genau, blieb vorerst offen. Flick und Bierhoff besprechen die nähere Zukunft der DFB-Auswahl dieser Tage im Verborgenen. Die Fußball-Republik wird noch bis in den August hinein auf eine erste Regierungserklärung ihres neuen "Kanzlers" warten müssen.
Stattdessen sprechen die Experten - und drängen den schweigenden Flick in die Defensive. Lothar Matthäus rät seinem Freund zum Systemwechsel und einem "FC Bayern Deutschland", Stefan Effenberg will mehr U21-Europameister sehen. Und auch Rangnick, der selbst vergeblich an den Toren zur Frankfurter Verbandszentrale gerüttelt hatte, hat da mal ein paar Vorschläge. Zuvorderst: Eine deutlich bessere Arbeitsmoral als sie Löw hatte.
Konkret: "Jeden Tag zehn Stunden zur Verfügung stehen, jede Woche einen anderen Klub besuchen." Der Bundestrainer, sagte Rangnick, "sollte nicht nur am Samstag Stadien besuchen, er sollte täglich Präsenz bei Vereinen zeigen". Nur so könne er sich "intensiv mit den Trainern austauschen, Trainingsinhalte kennenlernen und auch frühzeitig neue Talente entdecken".
Als Kritik an Löw will Rangnick diese Forderung nicht missverstanden wissen, wie er betonte. Doch auch der 63-Jährige kennt den alten Vorwurf an Löw, er habe sich zu sehr auf Besuche im nahen Freiburger Stadion beschränkt.
Flick sieht er als "logische, gute Wahl", dessen Erfolge beim FC Bayern "trotz atmosphärischer Differenzen mit dem Sportchef" sprächen für sich. Und doch fürchtet Rangnick auch unter Flick ein "Weiter so!" beim DFB. Er mahnt an, "strukturelle Dinge zu verbessern".
Dazu gehört aus seiner Sicht der Trainerstab, den Flick von Löw übernehmen will - ergänzt nur durch seinen Vertrauen Danny Röhl, dessen Personalie in wenigen Tagen offiziell werden soll. Dazu gehört laut Rangnick auch, Ideen zu entwickeln, mit der sich die Nachwuchs-Delle beheben lässt. Und dazu gehörten "Schlüsselfragen" wie: "Wofür will der deutsche Fußball stehen? Wie lautet eine Spielidee, möglichst auch für alle U-Mannschaften?"
Bei der Antwort darauf liegt Rangnick gar nicht so weit von Bierhoff entfernt, der seit Jahren "Bolzplatzmentalität" einfordert. "Wir kriegen den Straßenfußball nicht zurück", betonte Rangnick. Deshalb gelte es, "Elemente davon" in die Trainingsarbeit einzubauen: "Früh attackieren, schnell umschalten in geordnetem Chaos, und der absolute Wille, zu gewinnen."
Also so ziemlich genau das, was viele Experten der deutschen Elf bei der EM absprachen. Der kritische Beobachter Rangnick sah dort vor allem taktische Verfehlungen. "Bei unserer Mannschaft sah alles wie irgendein zusammengewürfelter Mix aus, damit gewisse Spieler auf dem Platz stehen konnten. Aber das ergab nichts stimmiges Ganzes", sagte er.
Daraus abgeleitet ergibt sich für ihn ein weiterer Arbeitsauftrag an Flick: "Auf dem Niveau einer EM sollten möglichst alle elf Spieler auf ihrer 1a-Position auflaufen." Zum Beispiel "Schlüsselspieler" Joshua Kimmich im Zentrum. Ein "Krieger" wie der Münchner habe im deutschen Mittelfeld gefehlt.
Das sieht Flick sicher ähnlich. Was er über all die anderen gut gemeinten Tipps und Vorschläge denkt, behält er vorerst für sich.