30.05.2021 13:55 Uhr

Problemlöser Löw bereit für seinen letzten Gipfelsturm

Joachim Löw steht vor seiner vierten und letzten EM als Bundestrainer
Joachim Löw steht vor seiner vierten und letzten EM als Bundestrainer

Joachim Löw gibt sich vor seinem letzten Turnier wild entschlossen. Doch schon in der EM-Vorbereitung ist er als Problemlöser gefordert.

Joachim Löw hatte sichtlich gute Laune. Als der Bundestrainer am Sonntag mit weißer Sportjacke und schwarzer Sonnenbrille zum Geheimtraining radelte, war das leidige Einreiseproblem der England-Legionäre gelöst - und der Platz in Seefeld wieder vor neugierigen Blicken geschützt. So konnte Löw die Nationalmannschaft in den Tiroler Alpen wieder mit deutlich mehr Ruhe für seinen letzten schweren Gipfelsturm rüsten.

Zwar lassen sich nicht alle Probleme so leicht aus der heilen Bergwelt schaffen wie jene rund 100 "Zaungäste", die tags zuvor noch die eigentlich geschlossene Einheit gesprengt hatten. Doch zumindest bei den Champions-League-Finalisten um Chelseas "Held" Kai Havertz hat Löw nun endlich Gewissheit: Das Quartett darf und wird am Donnerstag anreisen - und steht für die EURO-Generalprobe gegen Lettland am 7. Juni in Düsseldorf zur Verfügung.

Kroos hängt noch immer in Madrid fest

Dennoch muss Löw schon im Basiscamp mehr Hürden aus dem Weg räumen, als ihm lieb sein kann. Toni Kroos hängt nach seiner COVID-19-Erkrankung noch immer in Madrid fest. Leon Goretzka kommt zwar am Dienstag, muss nach seiner Verletzung aber noch länger alleine trainieren.

Ein Einspielen der Turnier-Elf im ersten Test am 2. Juni gegen EM-Teilnehmer Dänemark (21:00 Uhr/RTL) in Innsbruck ist nicht möglich. Dabei wäre das angesichts der jüngsten Rückschläge gegen Spanien (0:6) oder Nordmazedonien (1:2) dringend nötig.

"Es gibt Dinge, die andere Mannschaften besser können", gab Rückkehrer Thomas Müller zu bedenken. Die Weltrangliste, auf der die DFB-Auswahl als Nummer zwölf notiert ist, "lügt ja nicht", meinte der Münchner: "Wir haben unterperformt." Dennoch hat Müller "das Gefühl, dass diese Mannschaft bis ans Limit gehen wird". Löw versprühe "sehr viel Energie".

Schon in seiner ersten Ansprache an die Mannschaft machte der Bundestrainer klar: "Für uns ist bei der EM alles möglich!" Auch der vierte Triumph nach 1972, 1980 und 1996. Oder doch der jähe Absturz in der kniffligen Gruppenphase? Löw scheint bereit, ein letztes Mal anzupacken.

DFB-Team: Eigeninteressen hinten anstellen

"Ich gehe mit der gleichen Konzentration und Vorfreude rein", sagte er bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in Seefeld über sein achtes Turnier als Chef und betonte: "Ich werde mich jetzt nicht zu einem völlig anderen Menschen oder Trainer machen." Löw bleibt Löw, auch im 15. und letzten Amtsjahr. Aber reicht das noch, um das große EURO-Ziel zu erreichen?

Der 61-Jährige will vom ersten Tag an "Gewinnermentalität" aufbauen - ein Wort, das er mehrmals bemühte. "Wir brauchen beim Turnier Spieler, die vorangehen und anderen in schwierigen Situationen helfen", äußerte er. Müller und Mats Hummels sollen dabei sofort wieder "den Ton angeben" - entsprechend selbstbewusst tritt das Duo auf. "Als wären sie nie weg gewesen", hat Löw beobachtet.

Er ahnt, dass das nicht allen schmecken wird - und appellierte an "Werte" wie Vertrauen und Offenheit, "die jeder jeden Tag leben muss". Anders als beim historischen WM-Debakel 2018, als seine Mannschaft zwischen Rio-Helden und Confed-Cup-Siegern zerrissen war. Als Gegenbeispiel führte Löw die WM 2014 an, als sich selbst Miroslav Klose klaglos auf die Bank gesetzt habe. Seine klare Ansage an die 26 EM-Fahrer: "Da heißt es auch, Eigeninteressen hinten anzustellen."

Champions-League-Helden vor wichtigen Aufgaben

Die erkaltete Fan-Liebe versucht der Verband mit der dezenten Kampagne "Gemeinsam mit euch ans Ziel" zurückzugewinnen. Auf dem Platz muss Löw erst einmal eine Spielidee entwickeln, mit der seine neu zusammengestellte Mannschaft gegen Top-Teams wie Weltmeister Frankreich oder Titelverteidiger Portugal in der schwersten EM-Gruppe bestehen kann.

Die Champions-League-Finalisten spielen dabei eine wichtige Rolle. Havertz als "Backup" für Müller. Werner im Angriff. Der gesetzte Rüdiger bei Löws "Hauptaugenmerk", defensive Stabilität zu erlangen. Und Gündogan, den er nach der Finalpleite "wieder aufbauen" will, als Mittelfeld-Organisator - erst recht, falls Kroos oder Goretzka ausfallen.

Das Vertrauen seiner Spieler scheint Löw uneingeschränkt zu genießen. Sie wollen ihrem scheidenden Chef, wie Kapitän Manuel Neuer betonte, "einen goldenen Abschied schenken".

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