Oranje sucht "Winnaars van Morgen"

Ein großes Turnier ohne Oranje? Das soll nicht noch einmal passieren! Die Niederländer fahnden mit einem neuen Masterplan nach den "Winnaars van Morgen", um solch einen EM-Schock nie wieder durchleben zu müssen.
Nein, Arjen Robben konnte nicht hinsehen. "Um ehrlich zu sein, habe ich die EM nicht verfolgt", sagt der Superstar des FC Bayern, der die EM mit der niederländischen Elftal verpasst hatte. Der Stachel bei Robben sitzt auch Monate nach der Quali-Blamage tief, der Wille zur Wiedergutmachung ist groß - und die Niederlande glauben zu wissen, wie sie weitere Pleiten verhindern können.
In eineinhalbjähriger Arbeit ist unter Beteiligung von mehr als 130 Experten aus aller Fußball-Welt ein Masterplan entstanden, der Robben und Co. wieder an die Weltspitze führen soll - dorthin, wo sie als WM-Dritte noch 2014 waren: Titel und zugleich Ziel der auf 180 Seiten verschriftlichten Vision: "Winnaars van Morgen" ("Gewinner von Morgen") zu schaffen. Oder, in den Worten von Jelle Goes: "Wat goed is moet beter." Was gut ist, muss besser werden.
Die holländische Hochnäsigkeit
Goes ist das Mastermind hinter dem Plan, er zeichnet als technischer Manager beim holländischen Fußball-Verband für das Projekt verantwortlich. Seine gnadenlose Diagnose: "Der niederländische Fußball ist in einer sich verändernden Welt stehengeblieben und abgehängt worden." Ruud Gullit, EM-Held von 1988 und einer der von Goes eingebundenen Experten, schreibt dies der traditionellen niederländischen Hochnäsigkeit zu: "Wir wissen immer alles besser."
Deshalb befragte Goes neben dem "Who is who" des heimischen Fußballs wie Guus Hiddink, Marco van Basten oder Bert van Marwijk auch internationale Koryphäen wie Arrigo Sacchi oder Arsène Wenger. Auffällig: Unter den Befragten waren auch Jürgen Klinsmann, Hansi Flick und Horst Hrubesch.
Warum, erklärt Goes auf Seite 48 seines Werks. Der deutsche Fußball sei niederländischer geworden, heißt es da - technischer. Jetzt müsse der niederländische deutscher werden - physischer, mental stärker. Und, vor allem: Mit der urdeutschen Tugend "unbedingter Siegeswille" als Grundlage. Als Kronzeuge für diesen Ansatz tritt Mark van Bommel auf, langjähriger Aggressivleader der Bayern und WM-Vize 2010.
Die Talente sind da
Eine Schlüsselrolle kommt den einst ruhmreichen Vereinen zu, denen Goes ein Armutszeugnis ausstellte. Seit 2007 schaffte es nur noch eine Mannschaft ins Achtelfinale der Champions League, in der Europa League war seit dem Triumph von Feyenoord 2002 nur noch eine im Halbfinale. Die Umsatzzahlen stagnieren, selbst die Türkei steht besser da. Dabei kicken in den Niederlanden mehr als zehn Prozent der männlichen Bevölkerung - europaweiter Spitzenwert.
Die Talente sind also da, sie müssen nur gezielter gefördert werden, von besseren Trainern und nach deutschem Vorbild. "Nach dem Debakel bei der EM 2000 hat der DFB keinen Stein auf dem anderen gelassen", sagt Gullit. Genau das sei nun gefragt. Goes will selbst den beinahe religiösen Glauben ans 4-3-3-System über Bord werfen. Hans van Breukelen, beim EM-Triumph 1988 im Tor, soll die Umsetzung des Programms als technischer Direktor überwachen.
Bei aller Radikalität will Goes der niederländischen Fußballkultur treu bleiben, das sei auch eine Lehre aus den vielen Expertengesprächen. Offensiv, positiv arrogant, kreativ - aber nicht mehr so vorhersehbar. So sollen Robben und Co. zur WM 2018 stürmen. Übrigens: Das zuvor letzte Mal verpasste die Elftal 1984 eine EM. Vier Jahre später war Oranje Europameister.