Belgien: Mitfavorit im Fadenkreuz

Erstmals seit 16 Jahren startet Belgien wieder bei einer EM-Endrunde. Dort will die mit Weltstars gespickte Mannschaft um den Titel mitspielen. Getrübt wird die Euphorie lediglich vom Schatten, den der Terror wirft.
Im Jahr 2000 startete Belgien zum bislang letzten Mal bei einer Europameisterschaft, der damalige Co-Gastgeber scheiterte sang- und klanglos in der Vorrunde - 16 Jahre später gehen die Roten Teufel unter völlig anderen Vorzeichen ins Turnier. Das Team von Trainer Marc Wilmots reist als Mitfavorit ins Nachbarland Frankreich.
"Wir kommen wie 1980 ins Endspiel gegen Deutschland", kündigt der ehemalige Nationaltorhüter Jean-Marie Pfaff an, "und diesmal gewinnt Belgien." Optimismus und Selbstbewusstsein sind riesig, das Team ist Zweiter der FIFA-Weltrangliste, stand im Viertelfinale der WM, schloss die Qualifikation als Gruppenerster ab - der langjährige Schalker Wilmots wird als Architekt einer neuen erfolgreichen Nationalmannschaft gefeiert.
Terrorgefahr soll Fussball nicht verdrängen
Überschattet wird die sportliche Euphorie seit den Anschlägen in Paris und Brüssel allerdings von einer ganz konkreten Sorge vor dem Terror. Ganz abgesehen von der grundsätzlichen Gefahr während der EURO in Frankreich, sieht sich das belgische Team im Fadenkreuz der Extremisten. Für Wilmots hängt das auch stark mit der erfolgreichen Arbeit der vergangenen Jahre zusammen.
"Die Nationalmannschaft von Belgien ist ein Vorbild für gelungene Integration, für ein Miteinander von Kulturen und Religionen, und wir sind sehr erfolgreich mit unserer Idee vom Leben", sagte Wilmots noch im Dezember dem "kicker": "Es wäre doch das größte für diese Terroristen, wenn sie das angreifen könnten, bei einem Spiel live im Fernsehen, wenn sie Fans oder einen berühmten Spieler mit in den Tod reißen könnten."
Man müsse daher "sehr vorsichtig sein", dennoch dürfe das "normale Leben" nicht darunter leiden: "Fußball soll für Freude stehen, nicht für Angst und Tod."
Das Team, welches in dieser Gemengelage erfolgreich sein soll, wird angeführt von einem der besten Fußballer des Kontinents. Der Ex-Wolfsburger Kevin De Bruyne, im vergangenen Sommer für 75 Millionen Euro zu Manchester City gewechselt, sorgt für geniale Momente, doch er ist bei Weitem nicht der einzige Ausnahmekönner in Rot.
Anknüpfen an die 80er
Ihm zur Seite stehen unter anderem Marouane Fellaini, Eden Hazard, Axel Witsel und Sturm-Supertalent Romelu Lukaku. Allerdings fehlt Abwehrchef Vincent Kompany aufgrund einer Leistenverletzung, ohne den Kapitän trifft das Team in der schwierigen Vorrunden-Gruppe E auf Italien, Irland und Schweden.
Die Auswahl sei dennoch "wahrlich eine goldene Generation, Marc Wilmots hat großes Glück", sagt Pfaff, "wir haben auf jeder Position vier gute Spieler. Und wenn man sieht, wo die überall spielen! In Spanien, in England, Italien." In Belgien laufe es super, man sei auf dem Wege Erfolge wie in den 80er Jahren zu wiederholen, verspricht der 62-Jährige. Damals fuhr man Belgiens größten Erfolg ein: den vierten Platz bei der Weltmeisterschaft 1986 in Mexiko.
Wilmots sieht seine Mission allerdings über den Fußball hinaus. "Wir tragen die Farben eines Landes mit drei Amtssprachen, das kulturell interessant ist", sagt er: "All die Spieler, die im Ausland leben, kommen hier nicht des Geldes wegen zusammen, sondern weil sie Werte leben: Solidarität, Ehrlichkeit und Respekt."