18.01.2016 09:25 Uhr

Rudi Garcías erster Karriereknick

Rudi García musste bei der Roma seinen ersten Karriere-Rückschlag hinnehmen
Rudi García musste bei der Roma seinen ersten Karriere-Rückschlag hinnehmen

Trotz einer starken Punktequote von 1,99 Punkten pro Spiel musste der Franzose Rudi García in der vergangenen Woche seinen Hut bei der AS Roma nehmen und für den alten Bekannten Luciano Spalletti Platz machen. "So leid es mir tut, ich musste reagieren", so Klubchef James Pallotta. Aber ist der Franzose nicht eher ein Opfer eines ungeduldigen Chaosklubs? weltfussball analysiert.

"Ich bin sehr glücklich über diesen Rekord, aber ich möchte gerne am Ende der Saison in die Geschichte eingehen, nicht jetzt." Bescheidene Worte eines Trainers, der gerade vom Start weg die ersten zehn Ligaspiele der Saison mit seinem Team gewonnen hat und dabei alle Rekorde brach.

Wir schreiben Ende Oktober 2013. Rudi García legt nach seiner Amtsübernahme bei der AS Roma einen Traumstart hin und verblüfft mit seiner offensiv wie defensiv ausgewogenen Elf ganz Europa. Nicht nur die Tifosi der Giallorossi glauben zu diesem Zeitpunkt, dass mit García endlich der Heilsbringer gekommen ist, der den ersten Scudetto nach 2001 in die Ewige Stadt holt.

Und obwohl es am Ende der Spielzeit trotz eines neuen Roma-Punkterekords tatsächlich nur zum Vizetitel reichte – der Coach übertraf bei weitem alle in ihn gesetzten Erwartungen. Vor allem die kritischen Roma-Anhänger waren skeptisch ob eines in Italien unerfahrenen Trainers, der bis zum Amtsantritt lediglich in Frankreich und auch dort nur bei eher kleineren Teams gearbeitet hatte. Dennoch schien der Aufstieg Rudi Garcías folgerichtig.

Die steile Leiter nach Rom

Denn der Mann aus dem Speckgürtel von Paris arbeitete sich nach einer eher durchschnittlichen Spielerkarriere kontinuierlich und steil nach oben. Zunächst führte er Dijon in die zweite Liga und etablierte die Burgunder in der Ligue 2, dann landete er mit Erstligaaufsteiger Le Mans als krasser Außenseiter in den Top 10 der höchsten Spielklasse und drang bis ins Pokalhalbfinale vor, was ihn im Sommer 2008 für den OSC Lille interessant machte.

Innerhalb von fünf Jahren formte der intelligente Motivator, der während seiner Trainertätigkeit in Frankreich ein Studium in Sportwissenschaften abschloss, aus den bis dato eher grauen "Doggen" ein französisches Spitzenteam. Eine Mischung aus Talenten wie Eden Hazard, Gervinho oder Cabaye und erfahrenen Akteuren wie Mavuba, Landreau und Torjäger Sow erreichte schließlich 2010/11 ihren Höhepunkt, als mit dem Double die ersten Titel seit 56 Jahren in die Industriestadt an der belgischen Grenze eingefahren werden konnten.

Offensivstark, defensivstark – durchschaubar?

Zwei Jahre später wagte er mit dem Amtsantritt in Rom erstmals den Sprung zu einem europäischen Spitzenteam. Zumindest zu einem, das es wieder werden wollte, denn dafür wurde der umsichtige Stratege geholt. Bereits in Lille begeisterte er mit starkem Offensivfußball, ohne die Defensive zu vernachlässigen. Dementsprechend sahen sich seine Teams oft mit vielen Toren und wenigen Gegentreffern gesegnet. Und genau so begann auch seine Zeit bei den traditionell unsteten und planlos wirkenden Römern.

García hatte einen Plan – doch wurde ihm genau das zum Verhängnis. Nach zwei erfolgreichen Jahren mit zwei Vizemeisterschaften schienen sich die Teams der Serie A bereits auf die Spielweise des Franzosen eingestellt zu haben. Immer öfter wirkte das ballbesitzorientierte und umständlich konzipierte 4-3-3 ausrechenbar – viele kleine Ballverluste im Spielaufbau sorgen darüber hinaus für schnelle und vermeidbare Gegentreffer.

So bildete in Garcías erster Saison das Innenverteidiger-Duo Castán/Benatia einen kaum überwindbaren Block, ganze 21 Mal spielte die Roma in 38 Partien zu Null. Diese Saison ähnelt die Roma-Defensive hingegen eher einem Hühnerhaufen, was nicht nur die 16 (!) Gegentreffer in der Champions-League-Gruppenphase beweisen.

Wenn der Matchplan nicht mehr greift

Wenn es eine Sache gibt, die man dem vor zwei Jahren in ganz Europa bewunderten und gejagten Trainer vorwerfen kann, dann ist es der fehlende Plan B, die taktische Alternative zu seiner bestehenden Spielphilosophie. García verändert sein eingeschlagenes Spielkonzept selten während des Spiels, auch seine Wechsel sind oft positionsgetreu und lediglich personelle Änderungen.

Und so ging es in den letzten Monaten steil bergab beim einstigen Juve-Jäger. Nach nur einem Sieg aus den letzten zehn Ligapartien wurden die Giallorossi auf Platz sechs durchgereicht, trotz eines überragenden Kaders, der vielen in Italien gar als der stärkste des Landes gilt. "Für mich ist es ein mentales Problem, das müssen wir schnellstens in den Griff bekommen" so García-Nachfolger Luciano Spalletti, der bereits von 2005 bis 2009 bei den Lupi arbeitete.

Spallettis Rückkehr vor Garcías Rückkehr?

Die Verpflichtung des Kahlkopfs ist jedoch ähnlich wie bei García damals umstritten. Einerseits gab es auch unter Spalletti große Momente mit drei Vizemeisterschaften und großen Champions-League-Nächten wie die beiden 2:1-Erfolge im Achtelfinale 2007/08 gegen Real Madrid. Allerdings war der Coach gegen Ende seiner Amtszeit vor allem bei den beiden Vereinsikonen Francesco Totti und Daniele de Rossi in Ungnade gefallen. Resigniert nahm Spalletti nach nur zwei Auftaktniederlagen 2009 seinen Hut.

Zdenek Zeman, ebenfalls zweimaliger Roma-Coach und nach wie vor einer der größten Kritiker seines Ex-Vereins, brachte es kurz nach der Verpflichtung des 56-jährigen auf den Punkt: "Spalletti ist damals gegangen, weil er nicht mehr in der Lage war, hier in diesem Umfeld zu arbeiten. Jetzt ist die Lage allerdings ähnlich wie 2009." Auch Zeman war vor vier Jahren zur Roma zurückgekehrt und krachend gescheitert. "Ich konnte meine Prinzipien nicht durchsetzen und hatte stets das Gefühl, es fehlt an Rückhalt im Verein. Das wird auch ihn vor Probleme stellen."

Die vielen Danksagungen von Spielern und Fans an Rudi García nach dessen Entlassung scheinen bereits etwas Wehmütiges und Nostalgisches zu haben. Aber vor Rückholaktionen scheint Pellotta in den letzten Jahren ja nicht zurückzuschrecken. Und auch García scheint sich bereits jetzt auf seine zweite Amtszeit zu freuen: "Es war ein großartiges Abenteuer, das leider viel zu früh endete. Ich liebe diesen Klub, sempre forza Roma!"

Mehr dazu:
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Johann Mai

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