12.05.2015 11:40 Uhr

Wie der deutsche Superman Italien verzückte

Hans-Peter Briegel (l.) verfolgt Diego Maradona
Hans-Peter Briegel (l.) verfolgt Diego Maradona

Vor 30 Jahren erlebte der italienische Fußball eine seiner größten Sensationen. Ein Team bestehend aus No-Names schrieb Geschichte und holte den Scudetto. Mittendrin: die Walz aus der Pfalz.

Anfang der 80er-Jahre durchlebte der Calcio eine schwere Zeit. Ein Manipulationsskandal hatte die Serie A zu Beginn des Jahrzehnts in ihren Grundfesten erschüttert. Klangvolle und große Vereine wie der AC Milan und Lazio Rom wurden in die Serie B strafversetzt. Der überraschende Gewinn des WM-Titels 1982 überstrahlte und kaschierte die Probleme der Liga.

Beinahe unbemerkt stieg im Jahr der Weltmeisterschaft der Hellas Verona Football Club in die erste Liga auf. Eine typische graue Maus, die schon die ein oder andere Spielzeit im Oberhaus verbracht, dabei aber selten für Schlagzeilen gesorgt hatte. Das sollte sich in der Saison 1984/85 schlagartig ändern.

Briegel folgt Rummenigge und Maradona

Trainer Osvaldo Bagnoli bastelte in der Sommerpause '84 einen Plan, der seiner Mannschaft ein neues Gesicht verleihen sollte. Der damals 49-Jährige hatte eine klare Spielidee, die drei Dinge vorsah: laufen, beißen, kämpfen. Bevorzugt verpflichtet wurden die Spielertypen "Grasfresser" und "Raubein".

Einer durfte in diesem Kollektiv nicht fehlen: Hans-Peter Briegel. Der gebürtige Lauterer und Modellathlet wechselte nach neun Jahren beim FCK in das Lire-Paradies und folgte unter anderem Karl-Heinz Rummenigge und Diego Maradona, die zur gleichen Zeit bei Inter Mailand und dem SSC Napoli anheuerten.

Auch die "Walz aus der Pfalz" wäre beinahe in Neapel gelandet, "allerdings waren damals nur zwei Ausländer pro Team erlaubt, und der SSC Napoli verpflichtete dann Diego Maradona", berichtete Briegel später. Eine glückliche Fügung des Schicksals, wie sich noch herausstellen sollte.

Hellas' Herkules erlegt Diego

Wie es der Zufall wollte, trafen Briegel und der junge Maradona direkt im ersten Saisonspiel aufeinander. Verona zeigte den Blauen die Grenzen auf und gewann 3:1. In der Hauptrolle: Hans-Peter Briegel. Der Deutsche stellte die argentinische Zaubermaus kalt und die Weichen mit seinem 1:0-Führungstreffer auf Sieg. Italien war begeistert vom Teutonen und überschlug sich mit Lobeshymnen. "Hellas' Herkules erlegt Diego", titelte etwa die "Gazetta dello Sport" und kürte den Deutschen zum Spieler des Spiels.

Im Laufe der Saison zeigte Briegel, dass sein Spiel nicht nur kraftvoll, sondern auch technisch anspruchsvoll sein kann. Bagnoli setzte den Abwehrspieler vermehrt im Mittelfeld ein, wo der Deutsche sogar zu einem Torjäger wurde und am Ende neun Mal ins Schwarze traf. Die Mannschaft profitierte von diesen Qualitäten, wuchs immer mehr zusammen und eilte von Sieg zu Sieg. Am 12. Mai 1985 wurde er unerbittliche Einsatz und die harte Arbeit belohnt. Mit einem 1:1 bei Atalanta sicherte sich Verona den ersten und bisher einzigen Scudetto der Vereinsgeschichte.

"Briegel Superman"

Die Fans der Norditaliener lagen dem Team - allen voran Hans-Peter Briegel - zu Füßen. Wo auch immer der Deutsche in der Stadt auftauchte, standen ihm Tür und Tor offen. Poster mit der Aufschrift "Briegel Superman" waren unter den Tifosi ein großer Verkaufsschlager. Bei Italiens Wahl zum "Fußballer des Jahres" belegte er hinter Diego Maradona Platz zwei.

Sein persönlicher Höhepunkt folgte wenige Woche später, als er in seiner Heimat als erster im Ausland spielender Profi zu "Deutschlands Fußballer des Jahres" gewählt wurde. "Wir waren mit der Mannschaft in einem Trainingslager in den Bergen und plötzlich hieß es, ich hätte einen Anruf aus Deutschland. Ich hatte mich schon gewundert, wie man überhaupt auf die Nummer gekommen war, und dann hieß es: 'Du bist Fußballer des Jahres.' Anfangs war ich regelrecht baff, einfach weil ich damit niemals gerechnet hätte", zeigte sich Briegel überrascht.

Nach einer weiteren Saison in Verona, in der die Mannschaft auf Platz zehn abstürzte, wechselte die "Walz aus der Pfalz" zu Sampdoria. Zwei Jahre später hängte Hans-Peter Briegel die Fußballschuhe endgültig an den Nagel. Seine Heldentaten in der Meistersaison 1984/85 werden sie in Verona aber nie vergessen.

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Christian Schenzel

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