20.03.2015 09:00 Uhr

Lev Yashin: Der Schwarze Panther

Lev Yashin (l.) hält einen Ball von Portugals Legende Eusebio
Lev Yashin (l.) hält einen Ball von Portugals Legende Eusebio

Vor 25 Jahren starb Lev Yashin. Der sowjetische Torwart, von Teamkollegen und Kontrahenten ehrfurchtsvoll "Schwarzer Panther" genannt, galt als herausragender Schlussmann seiner Zeit und lange vor Manuel Neuer als erster mitspielender Torhüter. Bis heute ist Yashin der einzige Torwart, der den Titel Europas Fußballer des Jahres gewinnen konnte.

Im Kriegsjahr 1942 beginnt der zwölfjährige Lev Iwanowitsch Yashin, Sohn einer Industriearbeiterfamilie aus Moskau, als Lehrling in einer Metallwerkstatt in der Nähe seiner Heimatstadt zu arbeiten. Das Leben ist hart und voller Entbehrungen, eine Karriere als Fußballer zu diesem Zeitpunkt unvorstellbar. Zudem stehen andere Sportarten bei Yashin zunächst höher im Kurs. Schach, Basketball, Wasserball und besonders Eishockey haben es dem Schlaks angetan. Nebenher spielt er zwar auch Fußball, dies jedoch zunächst nicht allzu ambitioniert als Stürmer in einer Werkself.

Während dieser Zeit werden jedoch Talentspäher auf den Jugendlichen aufmerksam. Nicht dessen Qualitäten als Stürmer, sondern vielmehr seine starken Reflexe führen dazu, dass der FK Dinamo Moskau Yashin in seiner Jugendakademie aufnimmt und ausbildet – aufgrund seiner hervorstechenden Qualitäten indes nicht mehr als Angreifer, sondern als Torhüter.

Eishockey als Alternative

Doch will es zunächst nicht wirklich rund laufen bei Yashin. Bei seinem Debüt für die erste Mannschaft kassiert er 1950 während eines Testspiels ein kurioses Tor – der gegnerische Schlussmann überwindet ihn per Klärungsversuch aus großer Distanz. In jener Spielzeit kommt Yashin nur noch zu zwei weiteren Einsätzen. Bis 1953 soll kein weiterer hinzukommen.

Woanders läuft es jedoch besser für den talentierten Torwart. Nämlich beim Eishockey. Seine Zuneigung für den Puck mag Yashin zunächst nicht gänzlich aufgeben, darum fährt er zweigleisig. Den Sommer verbringt er mit dem Fußballteam Dinamos, im Winter hütet er den Kasten der erfolgreichen Eishockeyabteilung des Vereins. 1953, im letzten Jahr seiner Karriere auf dem Eis, gewinnt er mit seinem Team sogar den sowjetischen Pokal.

Olympiasieger und erster Europameister

Als es Yashin im Jahr 1953 endlich schafft, Stammkeeper zu werden, hängt er die Schlittschuhe an den Nagel – der unaufhaltsame Siegeszug des 24-Jährigen im Fußballtor beginnt. Gleich in seiner ersten Saison als Nummer eins gewinnt Dinamo die sowjetische Meisterschaft, der noch insgesamt vier Titel folgen werden. Im Jahr darauf wird der 1,89 m große Modellathlet schließlich erstmalig in die Nationalmannschaft berufen.

Mit dieser gewinnt er 1956 bei den Olympischen Spielen in Melbourne die Goldmedaille. Nach Yashins WM-Debüt 1958 in Schweden folgt zwei Jahre später ein weiterer Triumph. Beim erstmalig von der UEFA durchgeführten Europapokal der Nationen (erst später setzte sich die Bezeichnung Fußball-Europameisterschaft durch) besiegen Yashin und seine Elf in einem dramatischen Endspiel Jugoslawien mit 2:1 nach Verlängerung.

Der erste mitspielende Torhüter

Yashin hat es da bereits längst geschafft, das Torwartspiel auf eine neue Ebene zu heben. Neben seinen glänzenden Reflexen und schnellen Bewegungen, die ihm in Anspielung auf sein Faible für schwarze Spielkleidung in Russland den Spitznamen "Schwarzer Panther" und in den westlichen Medien den Kosenamen "Schwarze Spinne" einbringen, fallen besonders die revolutionären Ansätze in seinem Spiel auf: Anders als die meisten anderen Schlussmänner dieser Zeit beschränkt sich Yashin nicht darauf, 90 Minuten in seinem Tor zu verweilen.

Vielmehr zieht es den Hünen immer wieder aus seinem Kasten, um Flanken abzufangen oder gegnerische Angriffe bereits frühzeitig zu unterbinden. Bis dahin hat noch kein Torwart derart stark ins Spielgeschehen eingegriffen wie er. Lange Zeit vor Manuel Neuer gilt Lev Yashin als erster mitspielender Torhüter. Als er 1963 während einer Partie gegen Italien einen Elfmeter von Weltklasse-Mittelfeldspieler Sandro Mazzola hält, hat dieser hinterher ein ganz besonderes Kompliment parat: "Lev Yashin spielt besser Fußball als ich."

Europas Fußballer des Jahres und Treue zu Dinamo

Yashins starke Leistungen, gepaart mit seinem spektakulären Spielstil sowie seinem großen Charisma machen ihn weit über die Grenzen des Eisernen Vorhangs hinaus zu einem bewunderten Idol. 1963 fügt er seinem Trophäenschrank schließlich noch eine weitere, ganz besondere Auszeichnung hinzu. Denn als erster und bislang letzter Torhüter überhaupt wird Yashin als Europas Fußballer des Jahres geehrt. Der Arbeiterjunge aus Moskau ist mit 34 Jahren endgültig angekommen im Fußball-Olymp.

Trotz zahlreicher gut dotierter Angebote bleibt Yashin, der im Jahr 2000 zum besten Torhüter des 20. Jahrhunderts gewählt wird, seinem Verein Dinamo Moskau die gesamte Karriere über treu, auch nach Ende seiner Spielerlaufbahn in der Rolle des Funktionärs. Dass sowohl Dinamo als auch die Sbornaja nach Ende der Ära Yashin nie wieder an ihre Glanzzeiten anknüpfen können, spricht für die Einzigartigkeit des revolutionären Schlussmanns, der während seiner 320 Klubeinsätze und 78 Länderspiele umspannenden Karriere mehr als 150 Elfmeter gehalten haben soll. Auch 25 Jahre, nachdem er in seiner Heimatstadt Moskau einem Krebsleiden erlag, bleibt der Schwarze Panther unvergessen.

Mehr dazu:
>> Europas Fußballer des Jahres: Die Liste aller Titelträger

Julian Bischoff

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