Reus: Der verhinderte WM-Star greift an

Es hätte die WM von Marco Reus werden können, da waren sich viele Experten sicher. Nach einer überragenden Rückrunde bei Borussia Dortmund trauten etliche dem 25-Jährigen in Brasilien den Durchbruch zum absoluten Weltstar zu. In einer "kicker"-Umfrage stimmten 14,1 Prozent für Reus als voraussichtlichen Star der WM - nur Neymar (Brasilien) und Cristiano Ronaldo (Portugal) wurde noch mehr zugetraut.
Doch dann kam diese verflixte 45. Minute im allerletzten Test gegen Armenien. Reus blieb im Rasen hängen, knickte um und blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen. Wenige Stunden später die Gewissheit: Teilriss der vorderen Syndesmose und knöcherner Bandausriss an der Fersenbein-Vorderseite, das WM-Aus, alles vorbei. Weitere sechs Wochen später war Deutschland Weltmeister. Marco Reus darf sich nicht so nennen!
Als am 13. Juli der Schlusspfiff im Maracana ertönte und der WM-Triumph perfekt war, schaltete Reus sofort den Fernseher aus. Er hatte sich genug gequält. Dass sein Freund Mario Götze bei der Siegerehrung ein Reus-Trikot mit der Nummer 21 hochhielt, "habe ich erst am nächsten Morgen so richtig mitbekommen. Ich bin schlafen gegangen", sagte er dem kicker.
Absage für das Endspiel
Der DFB hatte den Offensivstar von Borussia Dortmund sogar zum Endspiel nach Rio eingeladen, doch Reus sagte ab. "Ich war voll auf meinen Reha-Plan fokussiert und wollte die Arbeit einfach nicht für drei, vier Tage unterbrechen", erklärte er.
All das zeigt, wie tief ihn das WM-Aus getroffen hat. "So eine Enttäuschung ist schwer zu greifen. Für mich ist ein Traum zerplatzt. Die ersten Tage waren extrem hart", gab er dann auch ganz offen zu: "Wenn man einen Tag vor der geplanten Abreise nach Brasilien die Hiobsbotschaft erhält, dass man nicht mitfliegen kann, ist das sehr schmerzhaft. Wenn man dann noch sieht, wie die WM endet, tut es doppelt weh, dass ich nicht dabei sein konnte."
"Freude pur" über die Leistung gegen Augsburg
Doch Zurückschauen bringt nix. Reus spielt inzwischen wieder, beim 3:2 des BVB beim FC Augsburg traf er sogar schon und verspürte "Freude pur: Und ich freue mich einfach, wieder auf dem Platz zu stehen, gesund zu sein und Fußball zu spielen."
Über die WM mache er sich "keine Gedanken" mehr, versicherte er. Und schob ein "wirklich nicht" nach, so als müsse er sich selbst doch noch überzeugen. Die Neuauflage des WM-Finales am Mittwoch in Düsseldorf gegen Argentinien war sicherlich ein seltsames Gefühl. Doch es gibt auch keinen besseren Ort für einen Neustart als den Signal Iduna Park, wo am Sonntag gegen Schottland das erste Qualifikationsspiel zur EM 2016 steigt. "Wir haben auch ein Länderspiel in Dortmund. Da freue ich mich drauf", sagte der gebürtige Dortmunder über das Spiel in seinem Wohnzimmer.
Angesichts des Theaters um seine Ausstiegsklausel im nächsten Sommer und das Interesse fast aller europäischer Topklubs mag man sich gar nicht vorstellen, welcher Hype um Reus entbrannt wäre, wenn er wirklich eine starke WM gespielt hätte. Sein Ziel in der Nationalmannschaft lautet zunächst einmal Paris 2016, das Endspiel der EM. Dann will Reus auf dem Platz stehen und nicht vor dem Fernseher sitzen.
sid