13.09.2013 11:02 Uhr

FC Sevilla: Auf den Spuren der "goldenen Generation"

Marko Marin (r.) kommt derzeit nicht auf die Beine
Marko Marin (r.) kommt derzeit nicht auf die Beine

Nach einjähriger Abstinenz kehrt der FC Sevilla in diesem Jahr auf die europäische Fußballbühne zurück. Die Erwartungen sind hoch, die Euphorie im Umfeld und der Stadt riesig. Dabei stand der Verein noch vor wenigen Monaten kurz vor der Pleite.

Lautsprecher, Lebemann, Multimillionär – und verurteilter Verbrecher: Seit nunmehr zehn Jahren thront mit dem 56-jährigen José María del Nido eine schillernde Persönlichkeit an der Spitze des Klubs. Siebeneinhalb Jahre brummte ihm die spanische Justiz Ende 2011 auf. Als Rechtsanwalt war er in den späten 90ern für die Stadt Marbella tätig. Während seiner Amtszeit wirtschaftete er fleißig in die eigene Tasche und machte sich der Korruption schuldig. Sein damaliger Vorgesetzter: Bürgermeister Jesús Gil y Gil, der Urvater aller Skandalnudeln.

Del Nido schaute sich einiges bei seinem früheren Chef ab. Auch er perfektionierte im Laufe der Jahre die Selbstinszenierung. Als Präsident des FC Sevilla sei er "die wichtigste Autorität der Stadt" und der "zweitwichtigste Mensch auf der Erde nach dem Papst." Besonders viele Sympathiepunkte sammelte "El Presidente" mit derartigen Aussagen nicht. Aber unter seiner Führung entwickelte sich der Klub zu einem echten Schwergewicht im europäischen Fußball.

"Goldene Generation" hinterlässt finanziellen Scherbenhaufen

Der sportliche Höhenflug der "Blanquirrojos" begann in der Saison 2003/2004. Aus einer Fahrstuhlmannschaft, die 1997 und 2000 in die Segunda División abgestiegen war, entwickelte sich eine Spitzenmannschaft. Sieben Mal in Folge schafften die Andalusier die Qualifikation für den europäischen Wettbewerb. Die "goldene Generation" um Dani Alves und Adriano sowie Luis Fabiano, Frederic Kanouté, Sergio Ramos und Jesús Navas lehrte der Konkurrenz das Fürchten. Mit der erfolgreichen Titelverteidigung in der Europa League (2007) waren sie auf dem Höhepunkt ihres Schaffens angekommen.

Doch es kam, was kommen musste: Das Team brach Stück für Stück auseinander. Die Konkurrenz war zahlungskräftiger und bot die besseren sportlichen Perspektiven.

In der Folge ging es nicht nur sportlich bergab, sondern vor allem wirtschaftlich. Einnahmen schrumpften, Ausgaben stiegen. Schon Ende 2011 war die Finanznot so groß, dass der Verein zu einer kuriosen Marketingstrategie griff. Künftig sollten die Trikotnummern der Spieler aus Fanfotos im Kleinformat bestehen. Jeder Unterstützer konnte sich für kleines Geld auf den Trikots verewigen. Eine pfiffige Idee, letztlich aber nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Vor neun Monaten platzte dann die erste große Bombe, als das Finanzamt auf eine sofortige Zahlung in Höhe von 13 Millionen Euro drängte. Zu lange hatte der Club fehlgewirtschaftet, jetzt sollte er für seine Verfehlungen zahlen. Und das war erst der Anfang.

Fiskus fordert weitere Millionen ein

Die Verbindlichkeiten waren damit noch längst nicht gedeckt. Der Fiskus forderte im Sommer weitere Rückzahlungen und mischte sich dabei offenbar sogar in die sportlichen Belange ein. So spekulierte die "Marca", dass der Transfer von Álvaro Negredo zu Manchester City von oberster Stelle gefordert wurde. Mit den Einnahmen (ca. 25 Mio.) müsse ein Teil der Steuerschulden beglichen werden, hieß es. So war es im vierjährigen Tilgungsplan zwischen Klub und Fiskus vorgesehen. Bricht der Verein die Regeln, droht die Pfändung der TV-Gelder.

Ursprünglich wollte man Negredos Gehalt mit den kolportierten 20 Millionen aus dem Navas-Verkauf aufstocken und ihn so zum Verbleib bewegen, doch das war jetzt hinfällig. Zähneknirschend transferierte Sevilla also auch noch seinen zweiten Star auf die Insel. Und das ausgerechnet vor einer Saison, in der wieder alles besser werden sollte.

Plan B: "Gut und günstig"

Dem Klub blieb nichts anderes übrig, als sich bei anderen Vereinen nach talentierten Bankdrückern umzuschauen. „Gut und günstig“ lautete das Anforderungsprofil. Fündig wurde man unter anderem bei Chelsea (Marko Marin), Real Madrid (Denis Cheryshev) und Paris Saint-Germain (Kevin Gameiro).

Die Neuzugänge gehören nicht zur Riege der Top-Stars, bringen dafür aber großes Potenzial mit. Sie stoßen zu einer Mannschaft, in der sich auch zwei Bekannte aus Bundesliga tummeln. Der Ex-Schalker Ivan Rakitić und Piotr Trochowski (29), der monatelang mit einer schweren Verletzung ausfiel, gehören zum Gerüst der aktuellen Truppe.

Die soll nach Wunsch der Verantwortlichen in die Fußstapfen der "goldenen Generation" treten und auf der europäischen Bühne für Furore sorgen. Einige Experten trauen ihr das sogar durchaus zu. Immerhin spazierte man schon ungeschlagen durch die Europa-League-Qualifikation. Dass es sich bei den Gegnern aus Podgorica und Wroclaw eher um Laufkundschaft handelte, spielt kaum eine Rolle. Auch der verpatzte Saisonstart mit nur zwei Punkten aus drei Spielen passt nicht so recht zu den eigenen Ansprüchen.

Am Samstag geht es für den aktuellen Tabellen-15. zu allem Überfluss auch noch zum großen FC Barcelona (ab 20 Uhr bei uns im Liveticker) – die erste echte Bewährungsprobe in dieser Spielzeit. Wie stark das Team von Trainer Unai Emery wirklich ist, wird sich im Camp Nou zeigen. Umfeld, Fans und "El Presidente" erwarten viel. Ob die Mannschaft die hohen Erwartungen wirklich erfüllen kann, steht auf einem anderen Blatt.

 

Christian Schenzel

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