02.05.2015 10:30 Uhr

Türkei: Verlieren verboten im Titelkampf

Mittendrin im Titelkampf: die Spieler von Fenerbahçe
Mittendrin im Titelkampf: die Spieler von Fenerbahçe

Beşiktaş, Galatasaray und Fenerbahçe liefern sich in der SüperLig einen dramatischen Dreikampf um die Meisterschaft. Entscheiden werden im Kopf-an-Kopf-Rennen der Istanbuler Klubs Nuancen - und am Ende vielleicht sogar der Rechenschieber.

Was haben Bayern München, Juventus Turin und der FC Chelsea dieser Tage gemeinsam? Genau, sie stehen einige Wochen vor Saisonende bereits als Meister ihrer Ligen fest oder werden sich den Titel angesichts ihres komfortablen Vorsprungs nicht mehr nehmen lassen. In Deutschland, Italien und England herrscht zumindest an der Tabellenspitze 2014/2015 deswegen vor allem eins: gähnende Langeweile.

Ganz anders dagegen in der Türkei: Sechs Spieltage vor Schluss dürfen sich die Fußballfans in der SüperLig auf das spannendste Finale seit Jahren freuen. Gleich drei Teams haben noch beste Aussichten, den Titel zu holen. Eine Überraschungsmannschaft ist allerdings nicht darunter, die drei großen Istanbuler Klubs machen die Sache unter sich aus.

Enge Tabellenkonstellation

Von der Pole-Position startet Beşiktaş in den Saisonendspurt. Dank des Last-Minute-Erfolgs gegen den Abstiegskandidaten Karabükspor am vergangenen Montag grüßt das Team von Trainer Slaven Bilić mit 61 Punkten vom Platz an der Sonne. Punktgleich dahinter folgt aufgrund der leicht schlechteren Tordifferenz Erzrivale Galatasaray. Fenerbahçe auf Rang drei hat gerade einmal einen Zähler weniger auf dem Konto als die beiden Kontrahenten.

Angesichts dieser denkbar engen Konstellation heißt die Devise für alle Meisterschaftaspiranten nun: Verlieren verboten. "Wir möchten alles gewinnen. Auch wenn vielleicht nicht alles, dann wenigstens das meiste", sagt Bilić. Eine Einstellung, die auch seine Kollegen auf den Trainerbänken von Galatasaray und Fenerbahçe teilen dürften. Denn es werden Nuancen darüber entscheiden, wer sich Ende Mai zum Champion krönt.

Doppelbelastung oder "Derbi" als Zünglein an der Waage?

So könnte Beşiktaş von der Doppelbelastung der Konkurrenz profitieren. Im Gegensatz zum Vorjahresdritten sind Fenerbahçe und Galatasaray noch im türkischen Pokal vertreten. Die Kanarienvögel haben es im Halbfinale des Kupasi mit Bursaspor zu tun. Im Rückspiel am 21. Mai will Fener den 2:1-Hinspielerfolg verteidigen. Bereits zwei Tage vorher muss Gala zum zweiten Mal gegen Sivasspor (Hinspiel 4:1) ran.

Diese Partie liegt aus Sicht der Löwen besonders ungünstig. Denn am 24. Mai steigt das wohl mitentscheidende große Stadtderby in der Liga gegen Beşiktaş, das somit zwei Tage mehr zur Vorbereitung auf die traditionell intensive Begegnung hat. Die Spieler von Fenerbahçe wiederum werden dann genüsslich auf dem Sofa verfolgen, wie sich die Konkurrenten gegenseitig die Punkte wegnehmen und könnten als lachender Dritter aus dem Nachbarschaftsduell hervorgehen.

Fenerbahçe offenbar "sehr gut erholt"

Abzuwarten bleibt allerdings noch, wie sich die Schüsse auf den Mannschaftsbus beim Auswärtsspiel in Trabzon Anfang April langfristig auf die Psyche der Fener-Akteure auswirken. Ein kurzfristiger Negativeffekt des aufsehenerregenden Anschlags schien zuletzt auszubleiben, auch wenn es im Punktspiel gegen Michael Skibbes Eskişehirspor am vergangenen Wochenende nur zu einem enttäuschenden 1:1 reichte. "Wir waren alle geschockt. Dennoch muss ich sagen, dass wir uns von diesem Vorfall sehr gut erholt haben", erklärt Torjäger Moussa Sow.

Und wer weiß? Vielleicht schweißt das traumatische Erlebnis die Spieler sogar enger zusammen. Da die Kanarienvögel als defensivstärkstes Team der Liga ohnehin besonders auf ihre mannschaftliche Geschlossenheit setzen, könnte der zweifellos schreckliche Vorfall ihnen im Titel-Dreikampf dann sogar einen ungeahnten, aber nicht zu unterschätzenden psychischen Vorteil verschaffen.

Platzierungsmodus wie in der Champions League

Für eine ganz besondere Pointe im nervenaufreibenden Showdown um die Meisterschaft sorgen die ungewöhnlichen Statuten des türkischen Fußballverbands TFF. In der SüperLig entscheidet nämlich anders als in vielen anderen europäischen Ligen bei Punktgleichheit zweier Teams nicht die Tordifferenz, sondern der direkte Vergleich über die Platzierung - so wie beispielsweise auch in der Gruppenphase der Champions League. 

Sollten Beşiktaş, Galatasaray und Fenerbahçe also nach dem letzten Spieltag punktgleich sein, reicht der schnelle Blick auf die Tabelle nicht mehr aus. Die TFF-Verantwortlichen müssten den Rechenschieber herausholen. Das beste Team des Dreiervergleichs wäre dann der neue Meister.

Tobias Knoop

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