Italiens Gipfeltreffen: Zwei Wege zum Erfolg

Wenn die Roma Napoli zum Gipfeltreffen des italienischen Fußballs empfängt, treffen längst nicht mehr nur zwei Geheimtipps aufeinander, sondern zwei Favoriten auf den Scudetto. weltfussball macht den Check vor dem Topspiel der Serie A.
Die Situation:
Die meisten Tore (20), die wenigsten Gegentore (1!), sieben Siege aus sieben Spielen – die Roma hat einen Traumstart hingelegt. Der Stolz ist zurückgekehrt in die Hauptstadt. Klubchef Mauro Balissoni gibt sich selbstbewusst: "Wir würden Klub und Fans Unrecht tun, wenn wir das Potenzial nicht erkennen würden. Noch gehören wir nicht zu den größten Klubs Europas, aber es ist unser Ziel, da hinzukommen."
Die bisherigen Leistungen und das Auftreten jedenfalls sprechen dafür, dass die Giallorossi ein echter Favorit auf den Scudetto sind.
Ähnlich souverän tritt der SSC Napoli bislang auf. In allen relevanten Statistiken ist man die zweitstärkste Mannschaft: die zweitmeisten Tore (18), die zweitwenigsten Gegentore (4), die zweitmeisten Punkte. Erst einmal stolperte das Team bisher, das 1:1 im heimischen San Paolo gegen Sassuolo Calcio könnte in der Endabrechnung allerdings noch einmal weh tun.
Anders als bei der Roma, deren Stärke nach durchwachsenen letzten Jahren überraschend kommt, ist der starke Start der Neapolitaner die Weiterentwicklung der Erfolge vergangener Jahre. Aufgrund der hohen Qualität und des gewachsenen Teamsgeists ist Napoli auf jeden Fall ein ernst zu nehmender Meisterschaftskandidat.
Die Trainer:
Beide Klubs haben im Sommer einen neuen Trainer verpflichtet. Das war es dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Roms Rudi Garcia und Neapels Rafael Benítez haben einen völlig unterschiedlichen Wert auf dem internationalen Markt.
Rudi Garcia hat international (noch) keinen großen Namen. Bevor er im Juni als neuer Coach der Giallorossi vorgestellt wurde, hatte der 49-Jährige nie außerhalb Frankreichs trainiert. Was nicht bedeutet, dass er nicht erfolgreich war - im Gegenteil: Er formte den OSC Lille zu einer Spitzenmannschaft und führte die Nordfranzosen 2011 nach 56 Jahren wieder zur Meisterschaft.
Nach dem Rekordstart der Roma wird Garcia von der Presse gefeiert. Auch Vereinsikone Totti ist angetan von seiner Arbeit: "Ich denke, wir haben den richtigen Trainer für die Zukunft gefunden." Nach vier Trainern innerhalb von zwei Jahren sehnt sich der Klub nach Kontinuität. Garcia scheint der richtige Mann dafür zu sein.
Kontinuität hatte Neapel jahrelang mit Walter Mazzari. Als dieser im Sommer zu Inter wechselte, entschied sich der Klub für die große Lösung: den international hochdekorierten Rafael Benítez.
Spanischer Meister, UEFA-Cup- und Champions-League-Sieger – der Spanier ist ein Großer in Europa und soll die Partenopei nach Platz zwei im Vorjahr auf das nächste Level führen. Das Team jedenfalls steht hinter dem 53-Jährigen, vor allem wegen seiner menschlichen Fähigkeiten: "Er hat ein sehr gutes Verhältnis zu allen Spielern und führt viele Einzelgespräche", schwärmt José Callejon.
>> Rafael Benítez im Steckbrief
Die Neuen:
Auch gemessen an der Transferbilanz könnten die Unterschiede zwischen der Roma und Neapel kaum größer sein: Während die Hauptstädter die beste der Liga (fast 40 Millionen Euro Plus) haben, hat der Klub vom Vesuv die zweitschlechteste (gut 15 Millionen Euro Minus).
Mit Lamela, Osvaldo, Marquinhos und Krkic haben die Giallorossi Leistungsträger für teures Geld abgegeben. Dieses haben sie mit Bedacht investiert und die Qualität gehalten, wenn nicht sogar erhöht. Die Königstransfers sind dabei Kevin Strootman und Mehdi Benatia. Letzterer ist bereits der Chef in der Abwehr, hat herausragende Zweikampfwerte und ist der Garant für die sattelfeste Defensive. Strootman ist das Hirn im Mittelfeld und für das Umschaltspiel zwischen Defensive und Offensive zuständig.
Napoli musste dagegen nur einen richtig prominenten Abgang verkraften, doch der war schmerzhaft: Edinson Cavani verließ den Klub für 65 Millionen Euro. Insgesamt steckte Neapel dann allerdings auch knapp 90 Millionen in neue Spieler – so viel wie kein anderer Verein in der Liga. Cavanis Abgang wurde mit dem Argentinier Gonzalo Higuaín von Real Madrid kompensiert. Ein Transfer, der bislang funktioniert: sieben Pflichtspiele, fünf Torbeteiligungen. Mit Raul Albiol und José Callejón wechselten zwei weitere "Königliche" an den Vesuv. Vor allem letzterer ist mit seiner Schnelligkeit und seiner Abschlussstärke wie gemacht für das 4-2-3-1 des neuen Coaches.
Die Leitwölfe:
Die Roma ist Francesco Totti. Über 20 Jahre nach seinem Debüt spielt "Il Capitano" noch immer für die Giallorossi und ist Dreh- und Angelpunkt des Spiels. Die Quote des mittlerweile 37-Jährigen beeindruckt: Mit acht Torbeteiligungen in sieben Spielen ist er der beste Scorer der Liga, italienische Medien fordern bereits seit Monaten seine Rückkehr in die italienische Nationalmannschaft.
Bei Napoli hat sich Marek Hamšík zum Führungsspieler entwickelt. Der Slowake ist der Fixpunkt für die Spielidee von Trainer Benítez und auf der Zehnerposition mit allen Freiheiten ausgestattet. Hamšík dankt es seinem Coach mit starken Pässen und Zug zum Tor. Bislang traf der 26-Jährige in dieser Saison fünfmal ins Schwarze.
Jochen Rabe