13.10.2023 10:53 Uhr

Wie einst Boris Becker: USA-Spiel als Nagelprobe für Nagelsmann

Julian Nagelsmann debütiert gegen die USA als Bundestrainer
Julian Nagelsmann debütiert gegen die USA als Bundestrainer

Julian Nagelsmann debütiert gegen die USA als Bundestrainer. Mit viel Feuer und "eingekochten" Prinzipien.

Julian Nagelsmann hat sich für sein Debüt als Bundestrainer einen ganz besonderen Ort, nun ja, ausgesucht. In Hartford, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Connecticut, schrieb Boris Becker 1987 ein vielbeachtetes Kapitel deutsche Sportgeschichte. Sechs Stunden und 21 Minuten dauerte sein titanenhafter Kampf mit John McEnroe im Civic Center, dann hatte er die Tennis-Ikone niedergerungen - der Grundstein für die Davis-Cup-Triumphe 1988 und 1989.

Keine zehn Minuten Autofahrt entfernt, ostwärts über den Connecticut River, steht das Pratt & Whitney Stadium. Dort will Nagelsmann im Duell mit den USA am Samstag (21.00 Uhr MESZ/RTL) die ersten Seiten seiner ganz eigenen Erfolgsstory schreiben - mit dem erträumten Happy End bei der Heim-EM. "Wir haben alle eine große Verantwortung", sagte der 36-Jährige: "Den besten Fußball für Deutschland zu spielen."

Und zwar von Anfang an. Das Ziel, sagte Routinier Thomas Müller bestimmt, "ist völlig klar unterstrichen, auch noch mal mit der Vertragslaufzeit des Trainers" bis zum Turnier: "Es geht um Ergebnisse und darum, bei der EM erfolgreich Fußball zu spielen."

Nagelsmann geht dabei voran. Mit viel Feuer, jeder Menge Energie und einem Schuss Spaß. "Er ist erfolgshungrig", berichtete Rückkehrer Mats Hummels begeistert, "er hat richtig Lust auf das Ganze und klare Vorstellungen von seinem Spiel." Diese seien bis ins kleinste Karo klar, dennoch verstehe es der neue Chef, sich auf "die richtige Menge an Details" zu konzentrieren, "die man in der kurzen Zeit einbringen kann", lobte Hummels.

Nagelsmann will "das Spiel kontrollieren"

In den vier Tagen Vorbereitung auf dem Gelände des MLS-Klubs New England Revolution in Foxborough wurde akribisch gearbeitet. Nagelsmann legte gerne selbst Hand an, wenn er Stangen oder Spieler-Dummies platzierte. Eine "Revolution", wie der Schriftzug über dem Funktionsgebäude verspricht, hat er dabei nicht eingeleitet.

"Ich bin ja ein alter Hase", sagte Müller schmunzelnd, "für mich war nicht so viel Neues dabei oder irgendwelche Überraschungseffekte. Wir spielen immer noch Fußball." Aber welchen? Den Gegner stressen, mit "gesunder Aggressivität" - das ist einer von Nagelsmanns Leitsätzen.

Viel mehr wollte er nicht verraten, nur eine einzige Einheit war komplett offen für Interessierte. Dennoch wurde klar: Der frühere Bayern-Coach hat sein Team gepackt. "Er hat eine Vorstellung von Fußball, die nicht nur mir, sondern auch den anderen sehr gut gefällt", schwärmte Hummels.

Konkreter: "Er will, dass wir das Spiel kontrollieren - in beide Richtungen. Dass wir mit dem Ball dominant sind und alle sehr aktiv. Das gefällt mir sehr gut."

Der Dortmunder ist erstmals seit der EM 2021 wieder dabei und soll neben Abwehrchef Antonio Rüdiger sofort führen. Damit verändert Nagelsmann auch die Hierarchie, die in einer klaren Achse Ausdruck findet.

Sie beginnt bei Torwart Marc-Andre ter Stegen und führt über das besagte Innenverteidiger-Duo zur Zentrale im Mittelfeld mit Kapitän Ilkay Gündogan und Joshua Kimmich, der trotz leichter Erkältung spielen soll. Über Jamal Musiala und den formstarken Leroy Sane führt das Gerüst zu Niclas Füllkrug in der Spitze.

Müller für Nagelsmann "zu allen Schandtaten bereit"

Umkämpft sind höchstens die beiden Außenverteidiger-Positionen und der letzte Platz neben Sane und Musiala in der Offensivreihe. Unklar blieb bis zuletzt, in welchem System Nagelsmann seine Elf formieren wird. Bei einem der Trainings hatte er auf der Taktiktafel rote Magnete in einem 4-4-2 und gelbe im 4-3-3 angeordnet. "Dazu", sagte Hummels schmunzelnd, "werde ich natürlich nichts sagen."

Klar ist, dass der "Konzepttrainer" Nagelsmann Abstriche machen muss. "Ein bisschen eingekocht" habe er seine Prinzipien, sagte Müller, und "zwei-, dreimal Mal bewusst erwähnt, dass er es nicht zu kompliziert halten will".

Auch die Rolle für den mit 123 Länderspielen Erfahrensten im Team ließ er offen. "Ich bin zu allen Schandtaten bereit", witzelte Müller: "Wenn ich Linksverteidiger spielen soll, spiele ich auch links."

Bei all der Tüftelei blieb wenig Zeit für Freizeit-Aktivität wie den Besuch der renommierten Harvard-Uni oder des imposanten Gillette Stadiums der New England Patriots aus der NFL. "Was am meisten zusammenschweißt", meinte Hummels, seien ohnehin "Erfolge auf dem Platz".

Damit ließe sich "das Feuer schüren, das das Land tragen kann" bei der EM in acht Monaten. So, wie es einst Tennisheld Becker geschafft hat. - Die voraussichtliche deutsche Mannschaftsaufstellung: ter Stegen - Süle, Hummels, Rüdiger, Gosens - Kimmich, Gündogan - Wirtz, Musiala, Sane - Füllkrug. - Trainer: Nagelsmann

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