Star zweiter Klasse: Draxler im Schatten von Neymar und Co.

Julian Draxler stand für viele Experten vor einer außergewöhnlich steilen Karriere. Sie ist in den vergangenen Jahren jedoch außergewöhnlich schnell abgeflacht. Bei Paris St. Germain kommt er nicht an den Superstars vorbei.
2017 war Julian Draxler Deutschlands Kapitän, sogar ein ganzes Turnier lang. Mit der Binde am Arm führte der hochveranlagte Techniker eine ersatzgeschwächte Nationalmannschaft zum Confed-Cup-Sieg in Russland, dribbelte Knoten in gegnerische Beine und verdiente sich die Trophäe des besten Spielers. Es schien, als könnte ihm die Transformation vom ewigen Talent zum Weltklasse-Profi wirklich gelingen. Doch dann stagnierte er.
Läuft das Champions-League-Finale gegen Bayern München am Sonntag für Paris St. Germain wie gewünscht, wäre immerhin Draxlers Wikipedia-Eintrag um einen Titel reicher. Weltmeisterschaft, Confed-Cup, Königsklasse: Wer kann das schon von sich behaupten? Zur Wahrheit gehört jedoch auch: Nur bei der Mini-WM war der heute 26-Jährige eine tragende Säule und nicht überwiegend Bankspieler. Zuletzt war ein Abgang aus Paris ein Thema gewesen, weil auch in der abgelaufenen Saison der große Durchbruch ausblieb.
Draxler und das uneingelöste Versprechen
Trainer Thomas Tuchel verschob die Diskussion auf die Zeit nach dem Champions-League-Turnier. "Er ist für mich sehr wichtig, ich mag es, mit ihm zu arbeiten. Ich werde in den nächsten Wochen auf ihn zählen. Danach müssen wir reden und uns über die Situation unterhalten", sagte der Coach vor dem Event in Portugal, wo Draxler bislang nur zu zwei Kurzeinsätzen kam. Sein Vertrag läuft 2021 aus. Wie die "Sport Bild" berichtete, wolle er ihn jedoch erfüllen. Noch im vergangenen Winter war er mit Hertha BSC in Verbindung gebracht worden. Die Gerüchte verflogen schnell.
Insgesamt blickt Draxler auf schwierige Jahre zurück. Als er im Winter vor dem Confed Cup ernüchtert vom VfL Wolfsburg, wo er gar nicht zurecht gekommen war, zu PSG ging, hatten viele Experten aufgehorcht. Der ambitionierte Großklub mit Finanzhilfe aus Katar holt ihn, der in seinen Anfängen bei Schalke 04 das Potenzial eines Starspielers offenbart hatte. Nach dem Abgang Richtung Wolfsburg im Jahr 2015 als Söldner verunglimpft, löste er dieses Versprechen bislang noch nicht ein.
Ist Draxler in Paris gescheitert?
In Paris kam er danach nie wirklich an Neymar, Kylian Mbappé oder Angel di Maria in der Sturmreihe vorbei. "Um bei PSG unangefochtener Stammspieler zu sein, musst du einer der weltbesten fünf, sechs, sieben Spieler sein", sagte er einmal im Interview mit "Goal" und "DAZN".
Draxler als gescheitert zu bezeichnen, wäre aber falsch. Ja, auch in der Saison 2019/2020 absolvierte er aufgrund von Verletzungen und Erkrankungen nur elf Ligaspiele und sieben Einsätze in der Startelf. Er entwickelte sich jedoch in seinen Fähigkeiten weiter, was ihm künftig helfen kann.
"Ich bin inzwischen ein Achter und habe in der vergangenen Saison teilweise Champions-League-Spiele auf der Sechs neben Marco Verratti gemacht", sagte er: "Ich bin bei PSG ein ganz anderer Spieler geworden." Und dieser Spieler hat noch viel vor. Zum einen wäre da eine Rückkehr in die Nationalmannschaft, für die er letztmals im Juni 2019 aufgelaufen war. Dafür müsste sich Draxler aber empfehlen, denn sowohl im Mittelfeld-Zentrum (Goretzka, Gündogan, Kimmich, Kroos) als auch auf den Außenbahnen (Gnabry, Sané) wird es eng. Auch mit Blick auf die Europameisterschaft 2021. Die Lösung: Draxler muss spielen.