"Weltklasse"-Backup ter Stegen wartet auf seine Chance

Marc-Andre ter Stegen wollte Manuel Neuer bei der Nationalmannschaft als Nummer eins ablösen. Doch davon ist der Profi des FC Barcelona wieder weit entfernt.
Es ist erst ein halbes Jahr her, da schien eine Wachablösung im Tor der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nicht mehr undenkbar. Herausforderer Marc-Andre ter Stegen war nach überragenden Leistungen beim FC Barcelona mit der Kampfansage vorgeprescht, er wolle den "Umbruch auf der Torhüterposition vollziehen" - und wurde von Joachim Löw sogar bestärkt.
Der Bundestrainer versprach ihm ein "logischerweise" offenes Duell mit Platzhirsch Manuel Neuer: "Marc wird auf jeden Fall auch ein paar Spiele bekommen."
Und was ist seitdem passiert? Ter Stegen durfte in diesem Jahr eine Halbzeit im Test im März gegen Serbien (1:1) auflaufen. In den wichtigen EM-Qualifikationsspielen danach stellte Löw immer Rio-Weltmeister Neuer auf.
Auch vor der richtungweisenden Partie am Montag in Belfast gegen Nordirland legte er sich auf den Bayern-Profi in der Startelf fest.
Spanische Medien feiern den Barca-Keeper
Geändert hat sich für ter Stegen faktisch nichts. Der 27-Jährige ist in der DFB-Auswahl doch eher eine Nummer "2" als eine "1b", auch wenn Löw beide Torhüter in der "absoluten Weltklasse" einstuft. Neuer genießt als Kapitän und Brasilien-Held nach wie vor das uneingeschränkte Vertrauen des Bundestrainers, zumal der 33-Jährige wieder zu hundert Prozent fit ist und zuletzt in starker Form war.
Ter Stegen will trotzdem nur im Training Druck machen und seine versprochenen Einsatzchancen nicht verbal einfordern. "Ich will maximal erfolgreich sein und habe das große Ziel, die Nummer eins der Nationalmannschaft zu werden - aber nicht um jeden Preis", sagte er im Interview mit "t-online.de".
Der frühere Gladbacher, der in der spanischen Presse nach Gala-Auftritten mit Barca als "Wunderkind", "Überflieger" oder "Heiliger Marc" gefeiert wurde, gibt aber zu, dass die Situation "natürlich schwierig" sei: "Du gibst dein Bestes, aber bist nicht da, wo du hin möchtest."
Ter Stegen will abwarten: "Ist Teil des Jobs"
Womöglich gibt Löw seiner Nummer zwei im nächsten Länderspiel am 9. Oktober in Dortmund gegen Argentinien oder vier Tage später im Qualifikationsspiel beim krassen Außenseiter Estland eine Bewährungschance.
Doch wenn nichts Außergewöhnliches passiert, bleibt ter Stegen auch bei der EURO 2020 nur der Bankplatz. So wie beim WM-Desaster vor einem Jahr in Russland, als er trotz herausragender Kritiken den damals lange verletzen Neuer nicht verdrängen konnte.
"Natürlich erhoffst du dir viel. Umso enttäuschender ist es, wenn der Trainer es dann relativ früh abgrätscht", sagte ter Stegen einmal über seine Reservistenrolle bei der WM. Vielleicht muss er tatsächlich bis zu Neuers Karriereende auf das DFB-Trikot mit der Nummer eins warten. Geduld, sagte ter Stegen, "ist Teil des Jobs als Fußballer".
Aber was soll erst Bernd Leno sagen? Die Nummer drei im DFB-Team reist ohne realistische Einsatzchancen zu den Lehrgängen. Der Stammtorhüter des FC Arsenal weiß: "Diese Leistungsdichte im Tor gibt es bei keiner anderen Nation auf der Welt."