DFB-Team wehrt sich: "Sind keine Gurkentruppe"

Nur nicht verlieren? Nichts da. Das WM-Desaster ist für eine Führungskraft wie Toni Kroos noch lange kein Grund für eine neue Bescheidenheit vor den knackigen Auswärtsaufgaben in der Nations League.
"Die Duelle Holland gegen Deutschland, Frankreich gegen Deutschland klingen gut im Ohr. Wir sind motiviert und streben sechs Punkte an", sagte der Champions-League-Sieger von Real Madrid. Die forschen Töne überraschten, zumal Teammanager Oliver Bierhoff vor dem heißen Länderspiel-Doppelpack in der neuen Nationenliga, deren Sinn Vereinstrainer und Bundesliga-Bosse heftig bestreiten, sogar die drohende Abstiegsgefahr angesprochen hatte.
Den selbstbewussten Kroos ficht das nicht an: "Wir sind ja jetzt auch keine Gurkentruppe. Wenn es am Ende mit einer vernünftigen Leistung vier Punkte werden, dann ist es so. Aber wir streben vorher an, die Spiele zu gewinnen. Daran ändern auch drei Spiele bei einer WM, die nicht ideal waren, nichts", verkündete der 28-Jährige in Berlin.
Die forsche Herangehensweise kommt zunächst am Samstagabend (20:45 Uhr) in der stimmungsvollen Johan-Cruyff-Arena von Amsterdam gegen den Fußball-Erzrivalen Niederlande auf den Prüfstand. "Es wird vielleicht nicht so eine Schlacht wie früher, aber Deutschland gegen Holland ist immer ein brisantes Spiel", bemerkte der 22 Jahre junge Leipziger Timo Werner mit Blick auf das Prestigeduell mit großer Historie. Die Holländer befinden sich noch krasser im Neuaufbau.
Niederlage birgt Abstiegsgefahr
Trotzdem mahnte Jonas Hector vor einer Fehldeutung der Ausgangslage. "Man darf nicht mit dem Wissen reingehen, okay, die Holländer haben zuletzt zwei Turniere verpasst, und das wird ein Kinderspiel", sagte Hector vor der DFB-Reise ins Ungewisse. Der Außenverteidiger hat mit dem 1. FC Köln gerade erst den Abstieg in die 2. Liga erlebt. Dieses bittere Szenario soll sich mit dem Nationalteam nicht wiederholen.
Eine Niederlage würde die Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw vor der Anschlussprüfung in Paris gegen den Weltmeister der akuten Gefahr aussetzen, in Europa als Gruppenletzter aus dem Kreis der zwölf Topnationen in die League B abzustürzen. Löw äußerte entsprechend Respekt vor der Kraftprobe mit dem runderneuerten Oranje-Team ohne Altstars wie Arjen Robben oder Wesley Sneijder (beide 34). "Es sieht so aus, als hätten die Holländer ihre Durststrecke überwunden. Und wir sind uns natürlich der Schwere der Aufgabe bewusst", sagte Löw.
Die schmerzhafte Zuschauerrolle bei der EM 2016 und der WM 2018 stachelt die Niederländer an. Duelle mit dem Nachbarn Deutschland liefern seit eh und je einen Schuss Extramotivation. Das 1:1 von Ajax Amsterdam gegen den FC Bayern in der Champions League gilt zudem nicht nur als Warnschuss für die Nationalspieler aus München. "Wir haben bei dem Spiel gesehen, dass die Holländer wieder im Aufwind sind. Wir sind gewarnt", sagte Teammanager Bierhoff.
"Brauchen Spieler mit Erfahrung"
Am Donnerstag konnte Löw in Berlin erstmals mit dem kompletten Kader trainieren. Am Freitag fliegt der DFB-Tross nach Amsterdam, wo auch das Abschlusstraining stattfindet. Die taktische Marschroute verriet Kroos schon mal. Ziel sei zunächst, "gegen große Nationen wieder kompakter zu spielen".
Kroos begrüßt dabei die Versetzung von Bayern-Profi Joshua Kimmich vom rechten Außenverteidigerposten ins defensive Mittelfeld. "Es hat mit dem Jo zweimal gut geklappt auf der Sechs. Das ist ein gutes Modell."
Löws Assistent Marcus Sorg benannte ein zentrales Auswahlkriterium für die Startelf in den Niederlanden: "Da brauchen wir Spieler mit Erfahrung." Ein starker Bayern-Block plus Kroos soll ein stabiles Gerüst ergeben. "Wir versuchen, die zwei Spiele zur weiteren Verbesserung zu nutzen", sagte der neue Rechtsverteidiger Matthias Ginter. Kroos hat die Messlatte jedenfalls extrem hoch gelegt: Sechs Punkte sind das Wunschergebnis, vier die Minimalzielsetzung.