28.03.2017 08:50 Uhr

Wer rettet die Fußballstadt Innsbruck?

Herrliches Panorama, volles Stadion: Innsbruck in besseren Zeiten
Herrliches Panorama, volles Stadion: Innsbruck in besseren Zeiten

FC Wacker Innsbruck: Ein großer Name des österreichischen Fußballs ist am Boden. Vor dem ÖFB-Länderspiel in Tirol gegen Finnland wird dies einmal mehr schmerzlich bewusst. Kann man dem aus dem Oberhaus abgestürzten Traditionsverein überhaupt noch retten, oder ist der Weg zur Spitze im "heiligen Land" endgültig verbaut? Ein Lokalaugenschein.

Am Dienstagabend (ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker) wird das Tivoli Stadion in Innsbruck zumindest erstmals seit langer Zeit gut besucht sein. Das Tirol-Debüt von Lokalmatador Alessandro Schöpf in der Nationalmannschaft sowie das Gastspiel von Stars wie David Alaba, Marko Arnautović und Co machen es möglich. Endlich wieder ein gut gefülltes Haus und nicht Tristesse, so wie beim letzten Heimspiel des FC Wacker am 13. März gegen Austria Lustenau. Nur noch 1.214 Zuseher hatten dabei für gähnende Leere auf den Rängen gesorgt.

Hinter Rekordmeister Rapid, der sich in Österreich 32 Mal als Champion feiern lassen durfte (dazu noch deutscher Fußballmeister 1941) und der Wiener Austria mit 24 Titeln ist Wacker Innsbruck gleichauf mit RB Salzburg nach wie vor mit zehn Meisterschaften auf Platz drei der nationalen Bestenliste. Durch die sich anbahnende Titelverteidigung der "Bullen", die jedoch zum Ärger der eigenen Anhängerschaft auf einen Stern für zehn Meisterehren verzichtet haben, wird man diesen Platz jedoch schon bald verlieren.
>> Ehrentafel der bisherigen österreichischen Fußball-Meister

1971, 1972, 1973, 1975 und 1977 durfte man in Innsbruck die Schale in die Höhe stemmen. Riesenjubel in der ganzen Stadt, aber auch weit über die Grenzen von Tirol hinaus. Dies sollte sich wiederholen, als 1989, 1990, 2000, 2001 und 2002 fünf weitere Meisterschaften dazu kamen. Auch die sieben Cupsiege (1970, 1973, 1975, 1978, 1979, 1989 und 1993) können sich durchaus sehen lassen.

Gibt es nochmal eine Meisterschaft unter dem Goldenen Dachl?

Speziell in den 70er-Jahren war Innsbruck sogar bis zum Europacup-Finaleinzug der Austria 1978 das Aushängeschild des österreichischen Fußballs gewesen. Die erste Meisterschaft 1971 unter Erfolgscoach Otto Barić hatte für eine unglaubliche Begeisterung gesorgt: Herausragende Könner wie Kurt Jara, Buffy Ettmayer, Franz Wolny, Leopold Grausam oder Werner Kriess holten den umjubelten Titel.
>> Kader der ersten Innsbrucker Meistermannschaft in der Saison 1970/71

Dazu kamen in der Folge Friedl Koncilia oder Roland Hattenberger, die später auch zu wichtigen Bausteinen im ÖFB-Team werden sollten. Bei der Spielgemeinschaft Swarovski Wacker Innsbruck hing der Himmel nicht nur nach erfolgreichen Europacup-Schlachten wie gegen den FC Basel oder Celtic voller Geigen. Unglaublich für heutige Verhältnisse, aber wahr: Damals gab es sogar einen spektakulären Auswärtssieg bei Real Madrid.
>> Der Sieg von Wacker Innsbruck im Estadio Santiago Bernabéu 

Der aktuellen Generation der Nationalspieler ist dies wie der Tiroler Jugend alles nahezu nicht mehr bekannt. Man wächst im Jahr 2017 auf und muss miterleben, wie Wacker Innsbruck zum Mittelständler in der Ersten Liga wurde. Zumindest das herrliche Wetter und das traumhafte Paroma der Stadt lockte einige Teamkicker zum Spaziergang bis vor das Goldene Dachl. Ob dort jemals wieder eine Meisterschaft gefeiert werden kann?

Lost in Translation zwischen Salzburg und Altach

Selbst Teamchef Marcel Koller ist der Niedergang von Wacker Innsbruck nicht entgangen. "Das tut weh. Hier wurde schon zu meiner aktiven Zeit erfolgreicher Fußball gespielt. Innsbruck war damals immer vorne mit dabei. Es wäre für ganz Österreich wichtig, wenn sich dieser Verein wieder erfängt", sagte der Schweizer am Montag beim ÖFB-Medientermin im Tivoli-Stadion gegenüber weltfussball.

Neben den durch einen Getränkekonzern unterstützen finanziell übermächtigen Salzburgern erinnerte Koller auch an Altach als neuen Rivalen im Westen. Tirol lost in Translation? Es scheint so.

Bei der EM 2008 hatten noch 30.772 Fans die Gastspiele des späteren Europameisters Spanien in Innsbruck bejubelt. Beim Länderspiel am Dienstagabend gegen Finnland finden hingegen nur mehr 15.000 Zuschauer Platz (11.000 Karten waren bis Montag abgesetzt), die Arena wurde wieder zurückgebaut, einige Tribünen-Teile landeten sogar auf dem Schrottplatz. Sinnbildlich für die Lage.

Ein engagierter Politiker stolperte sogar gänzlich über die Europameisterschaft. Christoph Platzgummer, offizieller EM-Koordinator und Bürgermeister-Kandidat, trat freiwillig zurück, nachdem das Turnier ein riesiges Finanzloch hinterlassen hatte.

Zwischen Pezzey, Müller, Happel und Löw

Wenn man im Tivoli-Stadion den Gang zur Hauptribüne hochgeht, dann erinnern Bilder an Vereins-Legenden wie Bruno Pezzey, Hansi Müller, "Wödmasta" Ernst Happel oder (den echten) Weltmeister Joachim Löw. Der aktuelle Wacker-Coach Karl Daxbacher saß indes am Dienstag bei seinem Frühstück im Hotel Leipziger Hof. Er gehört zu jenen Menschen, die sich noch an die Heldentaten der Schwarz-Grünen erinnern können. Dies war auch ein Grund, warum sich "Sir" Karl die schwierige Aufgabe in Innsbruck antat.

Bei älteren Semestern hat Wacker Innsbruck immer noch eine spezielle Magie. Hoffentlich werden bald auch jüngere Menschen wieder von einem Verein angezogen, der Österreich einst zeigte, dass es Begeisterung beim Fußball nicht nur in Italien oder Deutschland gibt. "Wien ist tot", meinte der waschechte Wiener Happel, als er als Star-Coach beim (blau-weißen) FC Swarovski Tirol übernommen hatte.

Heimspiele bei Rapid oder Austria hatten Anfang der 90er-Jahre tatsächlich etwas Morbides an sich. Ins alte Tivoli (heute stehen dort ein Kindergarten, Spielplätze und das Tivoli Office) strömten damals hingegen die Massen. In der Saison 1986/87 waren die Tiroler über Sredets Sofia, Standard Liège, Spartak Moskva und Torino sogar bis ins Semifinale des UEFA-Cups gestürmt. Erst gegen IFK Göteborg war dann Endstation gewesen.

Der spätere ORF-Sportchef Hans Huber zog trotz seiner violetten Schlagseite damals die Fahrten nach Tirol dem Gang ins Horr-Stadion vor. "Da setze ich mich lieber stundenlang ins Auto, damit ich aus einem vollen Stadion berichten kann", so der inzwischen pensionierte, aber dennoch weiter für den ÖFB umtriebige, Kult-Reporter. Innsbruck und Tirol besitzen für Besucher nach wie vor einen speziellen Zauber. Bleibt zu hoffen, dass dies bald auch wieder für den Fußball in den Alpen gilt.

Mehr dazu:
>> Der neue Weg des Marcel Koller
>> Kiste Bier für Hrádecký oder Lindner?

Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Innsbruck

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